duBEAT-e-o

wernstein@web.de | 03.07.2023

Alan Sacks gelingt mit „duBEAT-e-o“ eine punkrockverseuchte Version von "David Holzman's Diary", jener brillanten Mockumentary-Satire von Jim McBride im Stil des Direct Cinema aus dem Jahre 1967, die zudem bis heute ein Schlüsselwerk zum Verständnis der New-Hollywood-Bewegung oder auch des New American Cinema geblieben ist. In beiden Filmen durchleben die Regisseure das Scheitern ihrer künstlerischen Existenz und nahezu aller cineastischen Ambitionen, produzieren und kompilieren am Ende ein heterogenes filmästhetisches Konvolut, in dem sich vor allem die bedingungslos narzisstische Liebe zum eigenen Kunstwerk und zum Kino an sich offenbart. Begegnete McBride seinem existentialistischen Alter Ego Holzman (dargestellt von Lewis Minor Kit Carson) und dessen vergeblichen Bemühungen um einen Autorenfilm in der Tradition der französischen Nouvelle Vague mit Wohlwollen und Empathie, so versinkt der fiktive Filmemacher Alan „duBEAT-e-o“ Shapiro (Ray Sharkey) im nihilistischen Selbsthass seines Schöpfers, des Film- und Fernsehproduzenten bzw. John-Travolta-Entdeckers Alan Sacks, der Mitte der achtziger Jahre in einer Lebens- und Schaffenskrise festhing und sein fundamentales Unbehagen in dieser einmaligen, wagemutigen und rohen Underground-Produktion ausdrückte. „Take a flying fuck to paradise“ ist DuBEAT-e-os Arbeitsmaxime, nachdem er bereits zuvor sein Produktionsbudget veruntreut hat und deshalb nun von Mafiaboss und Geldgeber Hendricks (Len Lesser) mit Waffengewalt zur Fertigstellung des Filmvorhabens gezwungen worden ist. So ist es folglich auch nicht nur Pose, wenn „El Duce“ von der Shock-Rock-Formation „The Mentors“ in einem Off-Kommentar zu Beginn des Films das Motto vorgibt: „No hope for the future, no future in hope“. Was danach auf den Zuschauer einprasselt, kann eigentlich nicht beschrieben, sondern nur – wenn möglich - in einer analogen Filmprojektion auf der großen Leinwand adäquat erlebt und erfahren werden: Bereits 1979 drehte der heute zu Unrecht vergessene Genre-Regisseur Bernard Girard umfangreiches Material zu einer pseudo-feministischen Hard-Rock-Version (Arbeitstitel: „We 're all crazy now“) von Richard Lesters „Beatles“-Film „A Hard Day's Night“ (1964) mit Joan Jett und ihrer Mädchenband „The Runaways“ im Mittelpunkt, das Jahre später für den Fernsehproduzenten Alan Sacks zugänglich war und 1984 zum Ausgangspunkt seines eigenen Filmabenteuers „duBEAT-e-o“ werden sollte. Zuvor hatte Sacks insbesondere die Highschool-Sitcom „Welcome Back, Kotter“ (1975 bis 1979) zu erstaunlichem Erfolg geführt und maßgeblich dazu beigetragen, dem damaligen Nachwuchsdarsteller John Travolta den Weg zu einer großen Hollywood-Karriere zu ebnen. Um die Aufnahmen von 1979 herum entwickelte er nun die krude Geschichte um den dilettierenden Jungregisseur DuBEAT-e-o, der in Zusammenarbeit mit seinem Cutter Benny (dargestellt vom legendären Bassgitarristen Derf Scratch der Punkrock-Band „Fear“) Girards Aufnahmen zur Fertigstellung seines Films verwendet, damit die Mafia ihn nicht weiterhin unter Druck setzen kann. Darüber hinaus machen Todesangst und Budgetnot erfinderisch, sowohl in der erfundenen Film-im-Film-Handlung als auch in der Produktionsrealität des tatsächlich entstandenen Films. In chaotischer Weise werden Girards und weitere Found-Footage-Aufnahmen, aber auch heterogenes Foto- und Audio-Material mitunter unklarer und dubioser Herkunft, ohne Rücksicht auf Fragen des Geschmacks und politischer Korrektheit eingeschnitten: überfahrene Tierkadaver, Friedhöfe, religiöse Kitsch- und Christusdarstellungen, Straßengraffitis, Punkrock-Groupies mit Hakenkreuzen an ihren Strumpfbändern, diverse Polaroid-Schnappschüsse von berauschten, zugedröhnten Partyleuten, dazwischen macht Joan Jett Klimmzüge an Werbetransparenten jüdischer Bestattungsunternehmer, Auftritte von „The Mentors“ in Scharfrichtermontur, pseudo-pornographische Masturbations-, und Fellatioeinlagen, Sado-Maso-Performances und blutrünstige Splatter-Sequenzen, in denen Körperteile zerhackt und in den Unterleib von Frauen eingestochen wird. Ein fläziger und derber Audiokommentar, in dem unter anderem Alan Sacks und El Duce sozusagen als sie selbst rüde herumpöbeln, durchzieht zudem durchgängig die Off-Ebene des Films und betont den avantgardistischen Underground-Charakter des ganzen Projekts. „duBEAT-e-o“ ist bis heute ein bizarres Film- und Kunsterlebnis geblieben, roh und ungeschliffen in seiner Darbietung, vulgär und primitiv in seinem Jargon, sexistisch und frauenfeindlich in seiner Bildsprache. Letzlich ein ungeschöntes Abbild der kalifornischen Punkrock- und Hardcore-Subkulturen jener Jahre, eine Zeitkapsel, in der authentisch und unverstellt auch die morbiden und nach heutigem Empfinden abstoßenden Schattenseiten dieser Stilrichtungen der Rockkultur mehr als deutlich sicht- und erlebbar werden - somit ein kompromissloses und bedeutsames Unikat innerhalb der Film- und Rockgeschichte.