Während in den USA der Streit um den Einsatz von KI bei dem Film „Der Brutalist“ zu erheblichen Zerwürfnissen geführt hat, ist in Deutschland eine erste rechtsverbindliche Regelung zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Filmbereich gelungen. In einem Tarifvertragen haben sich die Schauspielergewerkschaft und die Produzentenallianz auf ein Verfahren geeinigt, das beiden Seiten viele Möglichkeiten einräumt.
In der deutschen Film- und Fernsehbranche gibt es künftig einen Tarifvertrag, der den Einsatz generativer Künstlicher Intelligenz regelt. Kurz vor der Berlinale einigten sich die Produktionsallianz, die Gewerkschaft Verdi und die Schauspielergewerkschaft BFFS auf verbindliche Regelungen, die am 1. März 2025 in Kraft treten und bis zum 30. Juni 2026 gelten. Dieser Vertrag ergänzt den bestehenden Manteltarifvertrag und stellt die erste tarifvertragliche Vereinbarung dieser Art in Deutschland dar.
Zustimmung ist nötig
Die gemeinsame Vereinbarung will einerseits die Rechte von Schauspielerinnen und Schauspielern schützen und anderseits nicht auf Innovation verzichten. Ein zentrales Anliegen des KI-Tarifvertrags ist der Schutz der Persönlichkeitsrechte von Schauspieler:innen. Künftig ist die ausdrückliche Einwilligung erforderlich, bevor digitale Nachbildungen erstellt oder verwendet werden dürfen. Dies betrifft sowohl die Erstellung von „digitalen Doppelgängern“ als auch nachträgliche digitale Veränderungen von Aussehen oder Stimme. Zudem sind klare Vorgaben für die Weiterverwendung solcher digitalen Abbilder in anderen Produktionen festgelegt.
Das Aussehen eines Schauspielers oder einer Schauspielerin darf also nicht einfach nachempfunden werden, ohne dass der Rechteinhaber am eigenen Bild dafür vergütet wird. Diese Regelung stellt sicher, dass die Künstlerinnen und Künstler für die Nutzung ihrer digitalen Reproduktionen fair entlohnt werden und verhindert eine unentgeltliche Verwendung ihrer digitalen Abbilder.
Der Tarifvertrag benennt typische Anwendungsfälle für den Einsatz generativer KI in Film-und Fernsehproduktionen und definiert praxisrelevante Ausnahmeregelungen. Dies soll Klarheit für Produzenten schaffen, insbesondere in der Postproduktion. Zudem ermöglicht die Vereinbarung einen rechtssicheren Einsatz von KI-Technologien. Ziel des Abschlusses ist es, einen technologieoffenen Interessenausgleich zu gewährleisten und gleichzeitig die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Filmwirtschaft zu sichern.
Stimmen aus der Branche
Der SPIO-Vorsitzende Björn Böhning betonte für die Produktionsallianz die Bedeutung des Vertrags: „Der erste KI-Tarifvertrag für die Filmbranche setzt Maßstäbe. Erstmalig hat sich in Deutschland eine Branche Regeln für den Einsatz generativer KI gegeben. Darauf können wir stolz sein.“ Er hob zudem hervor, dass die Vereinbarungen die Persönlichkeitsrechte der Schauspieler:innen und Schauspieler wahren und zugleich Raum für wirtschaftlicheres Produzieren sowie technologische Innovationen schaffen.
Die Juristin Wiebke Wiesner, stellvertretende Geschäftsführerin der Produktionsallianz, ergänzte: „Nach langen und zähen Verhandlungen ist gelungen, was in anderen Ländern erst nach lähmenden Monaten des Streiks geschafft wurde. Wir haben ein KI-Moratorium abgewendet und uns auf kollektivvertragliche Standards für den Einsatz von generativer KI in Film und Fernsehen geeinigt.“ Sie betonte die Bedeutung der Rechtssicherheit für alle Beteiligten und die Bewahrung von Chancen für Wirtschaftlichkeit und Fortschritt.
Für die Schauspielergewerkschaft BFFS betonte Heinrich Schafmeister: „Diese Vereinbarung zu KI ist in Deutschland wohl die erste auf tariflicher Ebene überhaupt. Unser Ziel war, uns gemeinsam mit unseren Tarifpartnern auf den Weg zu begeben, um den Umgang mit generativer KI so verantwortlich zu gestalten, dass einerseits unsere Arbeitgeber den technischen Fortschritt nicht verpassen und andererseits ein angemessener Schutz unserer Arbeit gewährleistet bleibt.“ Und eine Sprecherin von Verdi ließ wissen, dass der Abschluss als Grundlage für den Einsatz generativer KI auch für die Beschäftigung und Arbeit der anderen Filmgewerke Verwendung finden könnte.
Der Vertrag soll halbjährlich überprüft werden
Um mit der rasanten Entwicklung der KI-Technologie Schritt zu halten, haben sich die Tarifparteien darauf verständigt, die Regelungen zum Einsatz generativer KI in der Filmproduktion halbjährlich zu evaluieren. Dies soll gewährleisten, dass neue technische Möglichkeiten in einem rechtssicheren und ethisch vertretbaren Rahmen genutzt werden können. Die Vereinbarung wird als Vorbild für andere Branchen gesehen und unterstreicht die Fähigkeit der Filmindustrie, proaktiv auf technologische Veränderungen zu reagieren und gemeinsam Lösungen zu finden.
Mit diesem Tarifvertrag will die deutsche Film- und Fernsehbranche ein Zeichen für einen verantwortungsvollen und zukunftsorientierten Umgang mit Künstlicher Intelligenz setzen, der sowohl die Rechte der Kreativen schützt als auch die Innovationskraft der Branche stärkt. Ob technologischer Fortschritt und Rechtssetzung an der Stelle miteinander schritthalten können, bleibt abzuwarten.
Für Diskussionen hatte zuletzt der Einsatz von KI bei der Filmproduktion „The Brutalist“ gesorgt, bei der unter anderem generative KI bei der Audiobearbeitung Einsatz fand, um die ungarischen Akzente der Hauptdarsteller realistischer klingen zu lassen. Diese Diskussionen über Authentizität und die Rolle von Technologie im Verhältnis zur menschlichen Kreativität werden sicher weitergehen. Mit etwas Glück finden sie irgendwann Eingang in solche Regelwerke, wie sie die deutsche Filmbranche sie in Form eines Tarifvertrages.