Um den Kinofilm „Der Brutalist“ ist in Hollywood eine Debatte über den Einsatz von KI entbrannt, die aus den sozialen Medien jetzt auch in die publizistische Öffentlichkeit schwappt. Die Diskussion ist symptomatisch dafür, wie ambivalent und verunsichert die Filmbranche auf die neuen technischen Möglichkeiten reagiert. Dabei ist „Der Brutalist“ eher ein Beispiel dafür, wie KI sinnvoll genutzt werden kann, ohne menschliche Kreativität zu ersetzen.
In dem Drama „Der Brutalist“ von Brady Corbet geht es um das Spannungsverhältnis zwischen visionärer Kunst und Kapitalismus, festgemacht an der Geschichte eines ungarischen Architekten und Holocaust-Überlebenden. Der auf historischem VistaVision-Material gedrehte Film sorgte bei seiner Premiere beim Filmfestival in Venedig auch durch seine Liebe zum analogen Kino für Aufsehen. Im Umkreis der „Oscar“-Nominierungen wurden nun aber auch andere Töne laut, die sich daran stoßen, dass Corbet auch das neuartige Hilfsmittel Künstliche Intelligenz für sein Werk genutzt hat.
KI als kreatives Werkzeug
Es ist durchaus erstaunlich, dass das dreieinhalbstündige Mammutwerk, das insgesamt 10 „Oscar“-Nominierungen erhalten hat, mit einem relativ bescheidenen Budget von 10 Millionen Dollar realisiert wurde. Für Hollywood-Verhältnisse ist das extrem wenig. Ein solches Budget zwingt zum bewussten Einsatz finanzieller Mittel und dürfte bei der Entscheidung, auf Künstliche Intelligenz zurückzugreifen, durchaus eine Rolle gespielt haben.
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Im Falle von „Der Brutalist“ geht es dabei vor allem um den Einsatz von KI zur Optimierung der ungarischen Aussprache. In einem Interview mit dem Editor des Films, Dávid Jancsó, einem ungarischen Muttersprachler, wurde bekannt, wie das aus der Ukraine stammende KI-Programm Respeecher dabei half, „die schwierigen Laute des Ungarischen in den Dialogen zu perfektionieren“. Jancsó betonte in dem Artikel, dass es sich hierbei nicht um einen kreativen Eingriff handelte, sondern um ein technisches Feintuning, das dem Ungarisch der Darsteller, das sie mit Hilfe eines Sprachtrainers erarbeitet hatten, den letzten Schliff verpasste. Bei der enormen Menge an ungarischen Sprachaufnahmen hätte der herkömmliche ADR-Prozess (Automatische Dialogersetzung) die Postproduktion enorm verzögert. Mit Hilfe der KI wurden einzelne Laute präzise angepasst, um die natürliche Darbietung der Darsteller zu unterstützen.
Der Tenor der sich nach Jancsós Aussagen entspinnenden Diskussion war äußerst kritisch und drehte sich vor allem um zwei Punkte. Viele Kritiker argumentierten, dass der Einsatz von KI, insbesondere zur Manipulation der ungarischen Akzente bei den Schauspielern Adrien Brody und Felicity Jones, die Authentizität der schauspielerischen Leistung untergrabe. Der zweite Punkt drehte sich um die Frage, ob der Einsatz von KI nicht Arbeitsplätze in Hollywood ersetze.
Ergänzt, nicht ersetzt
Bei dem Programm des ukrainischen Unternehmens Respeecher handelt es sich um eine KI-gestützte Software, die Stimmen digital rekonstruieren und transformieren kann – ein Ansatz, der traditionelle ADR-Methoden (automatische Dialogersetzung) revolutioniert. Mit modernsten Algorithmen und umfangreichen Sprachmodellen erfasst die Software präzise die charakteristischen Merkmale einer Stimme, sodass selbst feine Akzentnuancen und spezifische Lautnuancen optimal angepasst werden können, ohne dass die schauspielerische Authentizität verloren geht.
Dieser Prozess wurde bereits in anderen Produktionen eingesetzt, etwa in Zusammenarbeit mit Lucasfilm, wo die Stimme des verstorbenen James Earl Jones als Darth Vader für künftige Projekte wiederbelebt wurde. Auch bei einem geplanten Edith-Piaf-Film kommt die Technologie zum Einsatz. Auf dem deutschen Filmmarkt findet sich eine prominente Anwendung bei den neuen Folgen vom „Pumuckl“. Um das charismatische Organ des berühmt-berüchtigten Quälgeistes in Gestalt der Stimme von Hans Clarin wiederzubeleben, setzten die Produzenten auf die Technologie des ukrainischen Unternehmens.
Im Fall von „Der Brutalist“ kam KI neben der Optimierung der ungarischen Aussprache auch bei der filmischen Umsetzung architektonischer Elemente zum Einsatz. In einer Schlüsselsequenz, in der die Entwürfe und realisierten Gebäude des fiktiven Architekten László Tóth gezeigt werden, unterstützte die Technologie das Filmteam dabei, kleine Details zu generieren, die bei menschlich-händischer Bearbeitung zu einem enormen zeitlichen Aufwand geführt hätten. Entworfen wurden sie von der Produktionsdesignerin Judy Becker; die im Film zu sehenden Architekturzeichnungen von Toth sind handgezeichnet und stammen nach Angaben von Corbet von Künstlern. Nach den Aussagen der am Film beteiligten Künstler diente der Einsatz von KI dazu, den Film zu verfeinern und zu perfektionieren; sie ersetzt aber nicht die künstlerischen Leistungen der einzelnen Gewerke.
Der Diskurs um KI in Hollywood
Ohne die Äußerungen der an „Der Brutalist“ beteiligten Künstler wäre es wohl kaum zu dieser Diskussion gekommen. Mit Blick auf die technologische Transparenz macht die hitzige Debatte aber deutlich, wie gespalten Hollywood bezüglich des Einsatzes von KI-Technologien in der Filmproduktion ist. Einerseits werden KI-Technologien in der Öffentlichkeit als unverzichtbares Werkzeug gefeiert, um mit begrenzten Mitteln künstlerische Visionen zu realisieren. Auf der anderen Seite sorgt ihr Einsatz in der Postproduktion für aufgeregte Diskussionen. Die kritischen Stimmen argumentieren, dass KI-Eingriffe den künstlerischen Prozess verfälschen und die menschliche Handschrift untergraben.
Das ist eine Zuspitzung, die auch schon
einen Niederschlag bei den Verhandlungen der Schauspielergewerkschaft während
des Autorenstreiks 2022/2023 fand, bei der die Auseinandersetzung um KI eine
zentrale Rolle spielte. Während es beim Streik der Schauspielergewerkschaft SAG
aber primär um die Rechte von Darstellern an der Reproduktion des eigenen
Bildes ging, dreht sich die aktuelle Diskussion vor allem um den Einsatz von
KI-Technologie im Bereich der Stimme.
Die unterschiedlichen Positionen spiegeln eine Branche im Spannungsfeld zwischen Innovation und Tradition wider. Für unabhängige Filmemacher wie Brady Corbet, die mit limitierten Mitteln arbeiten, kann der Einsatz von KI den entscheidenden Unterschied machen – vorausgesetzt, die Technologie wird verantwortungsvoll und als Ergänzung zur menschlichen Kreativität eingesetzt.
„Der Brutalist“ kann dabei durchaus als Symbol für einen Paradigmenwechsel verstanden werden. Der künstlerisch ambitionierte Film zeigt eindrucksvoll, wie KI-Technologie als ein technisches Werkzeug unter anderen den kreativen Prozess sinnvoll unterstützen kann, ohne dessen Essenz und Schöpfungskraft zu schmälern oder den Menschen gleich ganz zu ersetzen, wie es in der Debatte allzu schnell heißt.
Ob die Diskussionen über den Einsatz der KI-Technik im konkreten Fall von „Der Brutalist“ Auswirkungen auf die „Oscar“-Aussichten des Films haben, wird sich bei der Preisverleihung am 2. März zeigen. Die Academy reagiert häufig recht sensibel auf kulturelle Strömungen. Auffällig an der Debatte um den Film ist jedenfalls, dass vor allem Kritiker und Diskutanten im Netz daran Interesse zeigen. Prominente Branchenvertreter haben sich mit eigenen Beiträgen bislang auffallend zurückgehalten.