Es beginnt mit dem Leben. Aber eigentlich dreht sich alles zunächst um den Tod. Kurz nach der Geburt seines Sohnes verlässt Jonah seine Familie, um ein paar Tage bei seinem Vater Gene und seinem 15-jährigen Bruder Conrad zu verbringen. Eine Ausstellung mit Arbeiten seiner verstorbenen Mutter, einer renommierten Kriegsfotografin, ist der offizielle Anlass für die Reise. Doch es ist nicht zu übersehen, dass Jonah in Wirklichkeit auch vor seiner neuen Rolle als Vater und der damit verbundenen großen Verantwortung flieht.
Eine heile Familienwelt aber findet Jonah auch zu Hause nicht vor. Der tödliche Autounfall der Mutter vor drei Jahren hat tiefe Narben hinterlassen und das Verhältnis zwischen Gene und seinen Kindern nachhaltig gestört. An den verschlossenen Conrad kommt Gene seither nicht mehr heran, so sehr er sich auch bemüht, Vater- und Mutterrolle zugleich zu übernehmen. Als ein ehemaliger Kollege dann auch noch eröffnet, dass er in einem begleitenden Artikel zur Ausstellung auch die wahren, bislang öffentlich nicht bekannten Umstände des Unfalls erwähnen will, brechen neue Konflikte aus. Denn vor Conrad haben Jonah und sein Vater diese immer geheim gehalten.
Die dramaturgische Bedeutung dieses Geheimnisses ist das größte Problem des Dramas von Joachim Trier, wird dieses dadurch doch vollkommen überbewertet. Die emotionale Wucht, die den Todesumständen zugeschrieben wird, stellt sich nämlich nicht ein; die vermeintliche Enthüllung entpuppt sich nicht als Sturm, sondern als vergleichsweise harmloser Windstoß. Dadurch gerät das Konstrukt, auf dem „Louder Than Bombs“ basiert, ins Wanken – und lässt zu Unrecht das in den Hintergrund treten, was die eigentliche große Stärke des Films ausmacht: sein Blick auf die Figuren, sein Gespür für Atmosphäre und die Kontrastierung von oberflächlichen und tieferen Wahrheiten, die auf mehreren Ebenen durchgespielt wird.
In eher beiläufigen und leisen Momenten erzählt der Film mehr über die Figuren und die Last, an der sie tragen, als in den groß angelegten Szenen. Wenn Conrad seinem älteren Bruder eine rührend-peinliche Szene aus einer Arzt-Serie zeigt, in der ihr Vater einst mitgespielt hatte und auf die er im Internet gestoßen ist, dann spiegelt sich dessen gegenwärtige Situation als perspektivloser High-School-Lehrer aus einem ganz anderen Blickwinkel. Auch Jonah erhält ein neues Bild von seinem Bruder, als er ihn dabei beobachtet, wie er selbstvergessen in seinem Zimmer tanzt – ausgerechnet der Junge, der sich sonst hinter Ego-Shootern versteckt und eine seltsame Vorliebe für Verwesungs-Videos hegt. Und für Gene endet ein virtuelles Treffen mit Conrad abrupt und desaströs. Vermittelt über einen Avatar, sucht Gene in einem Online-Rollenspiel den Kontakt zu Conrad, der ihm in Wirklichkeit nicht gelingt – und wird prompt von diesem umgebracht.
Zugleich aber überladen Trier und sein Co-Drehbuchautor Eskil Vogt die Figuren. Thesenhaft bleibt der Konflikt der Mutter, die hin- und hergerissen ist zwischen ihrem aufreibenden Beruf und ihrer Familie, wie überhaupt der Handlungsstrang um deren Arbeit als Kriegsfotografin sich nicht recht in die Geschichte um eine misslungene Trauerarbeit einzufügen vermag. Nur in Momentaufnahmen gestreift werden auch die Probleme von Gene und Jonah, sodass Conrad, dargestellt von Devin Druid, zur interessantesten Figur wird und am besten zeigt, wie der Weg von der Trauer zurück ins Leben führen kann.
Die assoziative Bildgestaltung und Montage erinnert nicht selten an die jüngeren Filme von Terrence Malick, vom Betrachten des Babyhändchens, das Jonah zum ersten Mal berührt, bis hin zu einer suggestiven Bildfolge eines Kompilationsvideos, mit dem Conrad einem Mädchen aus seiner Klasse seine Zuneigung offenbart, aber auch seine Gefühle und Gedanken auf eine sehr poetische Art zum Ausdruck bringt. Auf dieser emotionalen Ebene funktioniert „Louder Than Bombs“ wunderbar, weil hier eine Wahrheit in Bildern gesucht wird, ohne viel zu erklären. Lauter als Bomben sind die Erschütterungen im Inneren der Figuren. Je konkreter der Film jedoch versucht, diese in klare Worte zu fassen, desto banaler wird er.