Der Indianer (2009)

Kinderfilm | Niederlande 2009 | 90 Minuten

Regie: Ineke Houtman

Ein achtjähriger niederländischer Junge, aufwachsend in liebevoll-fürsorglichen Familienverhältnissen, gerät in eine tiefe Verunsicherung, als seine Mutter ein Baby erwartet - das erste "eigene" Kind der Familie, weil er selbst als verwaistes Baby in Peru adoptiert wurde, sich nun seiner "Andersartigkeit" bewusst wird und nach seiner Herkunft sowie nach seiner Identität fragt. Souverän inszenierter, mal spannend, mal amüsant erzählter Kinderfilm, der differenziert die Sorgen, aber auch den Mut des kleinen Protagonisten auffächert und dies in einen grundlegenden Entwurf über Toleranz, Liebe und Vertrauen einbettet. - Sehenswert ab 10.
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Filmdaten

Originaltitel
DE INDIAAN
Produktionsland
Niederlande
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Bos Bros. Film & TV/Lemming Film
Regie
Ineke Houtman
Buch
Nynke Klompmaker
Kamera
Sander Snoep
Musik
Melcher Meirmans · Merlijn Snitker · Chrisnanne Wiegel
Schnitt
Elsbeth Kasteel
Darsteller
Matthias den Besten (Koos) · Bastiaan Ragas (Jaap) · Angelique de Bruijne (Tjitske) · Claire Lapadu (Isa) · David Verbaas (Illari)
Länge
90 Minuten
Kinostart
20.10.2011
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 10.
Genre
Kinderfilm

Diskussion
Kaum ein Staat dieser Erde ist so dicht besiedelt wie die Niederlande; hierhin sind Menschen zahlloser Nationen und Ethnien eingewandert, und das nicht nur aus den einstigen Kronkolonien Indonesien, Surinam oder der Karibik. In niederländischen Kinderfilmen wird diese Vielfalt an Sprachen, Kulturen und Religionen zum zentralen Thema, die mit bewundernswerter Lässigkeit den Alltag eines „normalen“ Zusammenlebens beschreiben und spielerisch, entspannt und unaufgeregt für praktizierte Toleranz werben. Ineke Houtman hatte dies bereits 2003 in der großartigen Romanverfilmung „Polleke“ ebenso differenziert wie amüsant getan, als sie den turbulenten Alltag einer Elfjährigen beschrieb, die sich in einen gleichaltrigen Jungen als Marokko verliebt und dessen Lebenswelt annähert; ihr aktueller Film „Mijn Opa de Bankrover“ (2011) ist eine Generationen übergreifende Abenteuerkomödie um ein dunkelhäutiges Mädchen in einer Durchschnittsfamilie, das nach seinem Vater aus Surinam zu fragen beginnt, nicht zuletzt, um sich seiner eigenen Identität zu vergewissern. Um eine solche Identitätssuche geht es auch in „Der Indianer“: um die schwierige, mal spannende, mal bedrückende, am Ende aber erfolgreiche Suche eines Achtjährigen nach einem Platz im (Familien-)Leben, der bedroht zu sein scheint, als dem aufgeweckten Koos mit einem Mal bewusst wird, dass der gravierende physische Unterschied zwischen ihm und seinen Eltern kein Zufall sein kann. Vater Jaap ist ein blonder Riese, quasi ein „klassischer“ Niederländer, ein begeisterter Schwimmer und Motorrad-Freak; Koos hingegen ist klein, schwarzhaarig, mit dunklem Teint und wasserscheu. Er weiß, dass er nicht aus dem Bauch seiner niederländischen Mutter, sondern mit dem Flugzeug ankam: aus Peru, wo man ihn als elternloses Baby adoptierte. Was dies tatsächlich bedeutet, das dämmert ihm erst, als er zufällig eine vor einem Supermarkt musizierende peruanische Familie entdeckt und sich mit dem Jungen Illari anfreundet: Könnte auch er ein Nachkomme der Inkas sein, ein Indianer? Ausgerechnet jetzt wird Koos’ Mutter schwanger, und das aufrichtige, mitunter etwas allzu unbedarfte Glück der Eltern über das neue „eigene Kind“ verunsichert Koos zutiefst. Während er, Rat und Hilfe suchend, immer tiefer in die Lebenswelt seines peruanischen Freundes eintaucht und sich in einem anderen Denken, in fremden Ritualen und Lebensformen einzuleben versucht, droht sein junges Leben den Halt zu verlieren. Dass er am Ende versteht, dass Liebe, Akzeptanz und Geborgenheit nicht aus profanen Äußerlichkeiten erwachsen, das hängt auch mit einer Mutprobe zusammen, der sich Koos stellt, indem er wortwörtlich ins kalte Wasser springt, um sich vom Meeresgrund seinen (neuen) Namen herauf zu holen. Immer wieder spielt der Film mit solchen Sinnbildern, durch die er die Alltagsgeschichte fast schon ein wenig mythisch auflädt, sie geheimnis- und stimmungsvoll überhöht. Das sehr differenzierte, atmosphärisch dichte, überwiegend auch heiter-gelassene Wechselspiel aus bodenständiger Alltagsbeschreibung und verführerischer „Exotik“ gibt dem Film seinen Reiz, macht es freilich jüngeren Zuschauern mitunter etwas schwer, zwischen den ineinander fließenden Erzählebenen zu unterscheiden. Da setzt der Film selbstbewusst und kreativ auf seine ganz eigene filmische Logik, bei der es keine Rolle spielt, dass ein Boot zur richtigen Zeit „einfach so“ herumliegt oder ein Sturm genau dann einsetzt, wenn er gerade emotional benötigt wird. Eigentlich könnte alles auch ein fantasiertes Abenteuer von Koos sein, der die Ereignisse rückblickend aus dem Off recht entspannt erzählt und damit signalisiert, dass er alles gesund und munter überstanden hat. Das sind kluge Kniffe eines inszenatorisch recht anspruchsvollen, dabei aber stets kindgerecht erzählten Films mit attraktiver Ausstattung, guten Darstellern und einer professionellen Dramaturgie, der eindrucksvoll das derzeit hohe Niveau des niederländischen Kinofilms spiegelt.
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