Die Brüder Vitali und Wladimir Klitschko sind ein Phänomen: zwei promovierte Schwergewichtsboxer aus der Ukraine, die längst die Herzen deutscher Box-Fans erobert haben und die Weltmeistertitel von vier der fünf bestehenden Box-Verbände auf sich vereinen. Schon der Filmtitel, der nicht den Plural bemüht, sondern mit dem Singular eine nahezu symbiotische Verbindung der Brüder andeutet, signalisiert die Stoßrichtung des Dokumentarfilms: Es geht nicht um den Kampf des Einzelnen, sondern um ein „Familienunternehmen“, dessen Hauptakteure sich den harten Bedingungen ihres Berufs unterordnen und sich gegenseitig unterstützen. Kein Kampf findet ohne die Beteiligung und Betreuung des Bruders außerhalb des Box-Rings statt. Strategien werden abgesprochen, wenn auch nicht immer erfolgreich umgesetzt, Perspektiven gemeinsam erarbeitet, die Gegner intensiv analysiert – es könnte ja sein, dass Vitalis Bezwinger Wladimirs nächster Kontrahent ist oder umgekehrt, denn irgendwie haben sich die Brüder darauf geeinigt, die Niederlagen innerhalb der Familie auszugleichen.
Sebastian Dehnhardts Dokumentarfilm, der die Klitschkos zwei Jahre lang begleitete und überdies auf Archivmaterial zurückgreift, ist zwar nicht frei von Klischees, kann aber durch eine ungewöhnliche Nähe zu seinen Protagonisten punkten, die Einblicke in ihr Familienleben gewähren. So treten auch ihre Eltern mit ihren Ängsten und ihrem Stolz auf; zu sehen ist auch die desolate Wohnung, in der die Brüder als Söhne eines sowjetischen Offiziers aufwuchsen. Der Schwerpunkt liegt indes auf den Kämpfen, denen die Klitschkos ihren Erfolg zu verdanken haben, und auf der Vorbereitung für diese mitunter schweren Gänge, die auch mit mulmigen Gefühlen angetreten werden. Es gibt auch Niederlagen zu sehen, wie auch beide keinen Hehl daraus machen, dass in ihrer Gewichtsklasse ein einziger Schlag und ein unachtsamer Augenblick über Sieg und Niederlage entscheidet. Deutlich wird, dass ihr Sport mit einer enormen Schinderei verbunden ist, wie sich beide auch des Risikos bewusst sind, das sie und ihre Gegner auf sich nehmen. Schließlich geht es im besten Fall um kontrollierte Körperverletzung; auch bei durchtrainierten Schwergewichtlern kann ein Schlagabtausch tödliche Folgen haben.
Auf diese Weise schleichen sich trotz der affirmativen Grundhaltung durchaus boxkritische Untertöne ein, die freilich zum Kanon dieses Filmgenres gehören, unabhängig, ob im Dokumentar- oder Spielfilmbereich. Daraus resultiert ein um Ehrlichkeit bemühter Dokumentarfilm, der die Klitschko-Brüder nicht nur als über zwei Meter große Kampfmaschinen porträtiert, sondern vor allem als Menschen, die sich ihres Berufs und seiner Gefahren bewusst sind. Besonders deutlich wird dies in den vielen Zeitlupen-Aufnahmen, welche die Deformationen in den Gesichtern der Boxer dokumentieren, wenn sie eine „krachende Rechte“ trifft oder sich einer einen „Cut“ zuzieht, eine Platzwunde unterhalb des Auges, die zum Kampfabbruch führen kann, bei Live-Übertragungen im Fernsehen aber oft nur als geringfügige Verletzung erscheint. Auf der großen Kinoleinwand wird daraus eine klaffende Wunde, die in den Kampfpausen in Windeseile behandelt werden muss, um die Blutung zum Stillstand zu bringen. Ein Unterfangen, das meistens nicht gelingt. Das Doppelporträt der Ausnahme-Athleten richtet sich in erster Linie an Box-Fans – Gegner des Boxens werden in ihren (Vor-)Urteilen wahrscheinlich eher bestätigt. Der Film zeichnet sich durch seine Nähe und Offenheit aus und bemüht sich, die beiden Hünen in möglichst vielen Facetten ihres Lebens und Wesens darzustellen. So darf am Ende auch die Frage nicht ausbleiben, ob sie je gegeneinander antreten werden. Dass dies nie der Fall sein wird, haben sie ihrer Mutter längst versprochen; es würde wohl auch ihrer unglaublichen Doppelkarriere abträglich sein. Denn trotz aller sportlichen Erfolge und trotz allem sozialen Engagement sind die Klitschkos auch clevere Geschäftsleute.