Ein französischer Filmproduzent, der sich obsessiv fürs Autorenkino starkmacht und dabei immer mehr in finanzielle Bedrängnis gerät, begeht Selbstmord. Seine Frau und seine drei Töchter müssen mit diesem Verlust weiterleben. Eine an die Gestalt des Produzenten Humbert Balsan angelehnte Hommage ans Kino als Kunst. Zugleich ein realistischer Blick auf die Produktionsbedingungen des Autorenfilms, eine Bestandsaufnahme des Arbeitsklimas in Zeiten der New Economy und ein berührendes Porträt einer Familie, die mit der Erfahrung des Todes fertigwerden muss, wobei die Kraft, auch mit Schmerz und Verlust zu leben, im Zentrum steht.
- Sehenswert ab 14.
Der Vater meiner Kinder
Drama | Frankreich/Deutschland 2009 | 110 Minuten
Regie: Mia Hansen-Løve
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Filmdaten
- Originaltitel
- LE PÈRE DE MES ENFANTS
- Produktionsland
- Frankreich/Deutschland
- Produktionsjahr
- 2009
- Produktionsfirma
- Les Films Pelléas/27 Films Prod./ARTE France Cinéma
- Regie
- Mia Hansen-Løve
- Buch
- Mia Hansen-Løve
- Kamera
- Pascal Auffray
- Musik
- Marion Monnier
- Darsteller
- Louis-Do de Lencquesaing (Grégoire) · Chiara Caselli (Sylvia) · Alice de Lencquesaing (Clémence) · Alice Gautier (Valentine) · Manelle Driss (Billie)
- Länge
- 110 Minuten
- Kinostart
- 20.05.2010
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Eine Zeit lang sieht dieser Film über das Leben eines Rastlosen so aus, als wäre er einfach eine Hommage an „das Kino“ und an die Leidenschaft derjenigen, die ihm verfallen sind. Der Film ist dabei erstaunlich uneitel, ohne seine Hauptfigur zu verklären und deren Schattenseiten zu verschweigen. Gregoire Canvel ist dem Kino ohne jede Frage verfallen. Er ist Filmproduzent, fördert Autorenfilme aus der ganzen Welt, mit einigem Geschäftssinn, aber im Zweifel doch für die Kunst, nicht für sein Bankkonto. Man begegnet in ihm einem Workaholic, der auch in seiner Freizeit stets von der Arbeit beansprucht wird, ständig am Telefon hängt und in den wenigen ruhigen Momenten sorgenvolle, erschöpfte Blicke auf seine Umgebung wirft. Zugleich begegnet man einem Filmemacher voller Leidenschaft, einem Ritter des Autorenkinos und damit einem bedingungslosen Verständnis von Kino als Kunst, das der gänzlich anderen Auffassung vom Kino als Mittel der Unterhaltung diametral entgegengesetzt ist. Gerade weil sich Canvel so für seine Filme engagiert, ist er den Geldgebern zunehmend ohnmächtig ausgesetzt – ein Getriebener, der mit jeder Produktion einen größeren Schuldenberg vor sich her schiebt. Weshalb auch Schwierigkeiten und Belastung zunehmen.
Man kann „Der Vater meiner Kinder“ als Film zur Wirtschaftskrise sehen, als Psychopathologie des Alltagslebens in Zeiten der New Economy. Doch dieses Muster, so verführerisch es ist, geht nicht ganz auf. Alle diese Kategorien bleiben an der Oberfläche hängen. Der Blick hinter die Kulissen mag realistisch sein, nicht zuletzt deshalb, weil der Stoff offene Bezüge zur Wirklichkeit aufweist: Das Porträt Canvels lehnt sich an die Biografie von Hubert Balsan an, dem Produzenten von Lars von Trier, Claire Denis und vielen anderen, der sich im Februar 2005 erhängte. Auch die Regisseurin von „Der Vater meiner Kinder“, die französische Autorenfilmerin Mia Hansen-Løve, war mit Balsan gut bekannt; die 1981 geborene studierte Philosophin gehört als Darstellerin und Lebensgefährtin von Olivier Assayas sowie regelmäßige „Cahiers du cinéma“-Autorin selbst zum engeren Kreis der französischen Kinoszene. Im Kern reicht ihr Film jedoch auch über diese reizvolle Schlüssellochperspektive hinaus: denn neben den Einblicken ins Filmgeschäft gibt es die Innenansichten eines Familienlebens, die, weil universaler – und fiktionaler? – wesentlicher sind und das Herz des Films ausmachen. Da geht es um das Zusammenleben von Gregoire und seiner Frau. Noch bedeutender sind die Kinder, drei Töchter zwischen sechs und 17 Jahren. Man könnte den ganzen Film aus dieser Kinderperspektive betrachten. Oder unter dem Aspekt der Wechselwirkung zwischen der Welt der Erwachsenen und der der Kinder. Und zugleich auf die Frage hin untersuchen, wie erwachsen Kinder sein können (und müssen), und wie kindisch Erwachsene? All das lässt sich hier beobachten, in feinen, subtil variierten Facetten.
Am Wichtigsten aber, und meisterhaft in der Ausführung, ist Mia Hansen-Løves Schilderung des Lebens als Ganzem, ihr Blick auf die Welt und ihr Vermögen, dem mit eigener Handschrift filmischen Ausdruck zu geben. Erstaunlich perfekt, dabei aber immer beiläufig verschränkt sie die Story und die Alltäglichkeit des Lebens miteinander. „Der Vater meiner Kinder“ trägt sein Zentrum schon im Titel: Es ist die Perspektive der Frau auf ihre Kinder und die Distanz zu dem Mann, den sie liebt und der sich das Leben nimmt. Das geschieht genau in der Mitte des Films, als man ihn schon kennen gelernt und verstanden hat, dass sein Leben trotzdem glücklich war. Das Hauptaugenmerk gilt den Überlebenden und damit dem Leben, nicht dem Tod, der Familie, nicht dem Kino. Hansen-Løve zeigt immer wieder die Koinzidenz der Gegensätze: wie etwas Abwesendes anwesend ist; wie man sich von dem entfernt, das man liebt; wie Kinder ihre Eltern verraten und ihnen dadurch nachfolgen. Ein großer „kleiner“ Film: „Der Vater meiner Kinder“ ist ein Film über Trauerarbeit. Und über den Tod. Und auch darüber, was über Tod und Trauer hinausreicht: das Leben, das einfach weitergeht. Keineswegs unverändert, aber eben doch: weiter. „What will be, will be“ singt Doris Day am Ende. Mit Fatalismus sollte man das nicht verwechseln.
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