The Last Resort

Liebesfilm | Großbritannien 2000 | 75 Minuten

Regie: Pawel Pawlikowski

Eine junge Russin mit halbwüchsigem Sohn strandet auf der Suche nach ihrem Verlobten, der längst nichts mehr von ihr wissen will, in London. Der drohenden Rückführung will sie mit einem Asylbegehren entgehen, gerät dadurch aber vollends in die Mühlen der britischen Bürokratie. Nur mit Hilfe eines Freundes aus dem Lager kann sie die Situation überstehen und sich ihre Würde bewahren. Der polnische Regisseur beschreibt in seinem eindringlichen ersten Spielfilm den Traum einer Liebe, der sich in einen Albtraum verwandelt. Ohne der Hoffnungslosigkeit angesichts rigider Behördenmaßnahmen anheim zu fallen, schildert er den Reifeprozess einer Frau, die lernt, ihre Träume an der Wirklichkeit abzugleichen.
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Filmdaten

Originaltitel
LAST RESORT
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2000
Produktionsfirma
BBC Films
Regie
Pawel Pawlikowski
Buch
Pawel Pawlikowski · Rowan Joffe
Kamera
Ryszard Lenczewski
Musik
Max de Wardener
Schnitt
David Charap
Darsteller
Dina Korzun (Tanja) · Artiom Strelnikow (Artiom) · Paddy Considine (Alfie) · Lindsey Honey (Les) · Katie Drinkwater (Katie)
Länge
75 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Genre
Liebesfilm

Diskussion
Kaum noch überschaubar ist die Zahl der Filme, die vom Flüchtlingselend erzählen, von Migrationsproblemen, Entwurzelung und Orientierungsschwierigkeiten in einer möglichen neuen Heimat. Auslöser für diesen meist unfreiwilligen Neuanfang sind soziale Not, Vertreibung, „ethnische Säuberungen“ in den jeweiligen Heimatländern oder Bürgerkriege, die zu dem verzweifelten Schritt führen. Dies ist nicht so im Fall der russischen Kinderbuch-Illustratorin Tanja, die mit ihrem aufgeweckten Sohn Artiom endlich das Ziel ihrer Träume, England, erreicht hat. Sie wird zwar in der Heimat nicht an Leib und Leben bedroht, doch der Grund ihrer Odyssee ist ebenfalls essenziell: Die Liebe hat sie in die Hafenstadt Stonehaven verschlagen. Doch nicht Mark, ihr „Internet-Verlobter“, erwartet sie am Zoll, vielmehr erledigen freundliche Einreise-Bürokraten mit stoischer Gelassenheit jene Formalitäten, denen sich jeder England-Besucher unterziehen muss. Tanja gibt an, Besucherin auf Kurztrip zu sein, was mit nur 85 Pfund in der Tasche den Argwohn der Beamten erregt; dann bringt sie ihren Verlobten und ihre Heiratsabsichten ins Spiel. Als klar wird, dass Mark nichts mehr von ihr wissen will, beantragt sie in einem Anflug von Panik und ohne zwingende Not politisches Asyl. Nunmehr ist die schöne Russin ein Sandkorn im Getriebe der britischen Bürokratie, wird in ein wenig heimeliges Heim eingewiesen, erhält Essensbons und wird mit der strikten Auflage konfrontiert, die Stadt nicht verlassen zu dürfen. In dieser Situation wirken die mannigfaltigen Reklamen für den Vergnügungspark „Dreamland“, ein trostloses Pier, wie man es von England-Aufenthalten kennt, wie der blanke Hohn. Als Tanja die Ausweglosigkeit ihrer Situation einsieht und auch Artiom darauf drängt, will sie nach Russland zurück. Doch wer sich einmal in den Mühlen der Bürokratie verfangen hat, den lässt diese so schnell nicht mehr frei. Als Rettungsanker in der Not erweist sich Alfie, ein Ex-Boxer, den es vor sechs Jahren in das Küstenstädtchen verschlagen hat und der sich als Betreiber eines Kiosks und als Bingo-Ausrufer über Wasser hält. Er schließt die schöne Frau und ihren Sohn ins Herz, ist fürderhin die gute Seele und macht aus seinen ehrbaren (Zukunfts-)Absichten keinen Hehl; auch dann nicht, als Tanja den Verlockungen eines Cybersex-Anbieters zu erliegen droht. Doch bei aller Nähe findet man nicht wirklich zusammen, und schließlich überwiegt Tanjas Wunsch, in die Heimat zurückzukehren, um dort mit dem Träumen endlich aufzuhören. Der unspektakuläre Film des polnisch-stämmigen Regisseurs Pawel Pawlikowski bettet die kleine, triste Geschichte ins entsprechende Umfeld ein, in ein in ausgeblichenen Farben fotografiertes trostloses Küstenstädtchen, in dem die Zeit stehen geblieben und jeder Gefangener der jeweiligen Umstände zu sein scheint. Tristesse, wohin das Auge blickt; man glaubt förmlich, den Geruch von billigem Öl in der Nase zu haben, mit dem an jeder Straßenecke „fish & chips“ zubereitet werden. Pawlikowski, der durch das sensible Pubertätsdrama „My Summer of Love“ (fd 37 113) auffiel, einer Studie über Freundschaft und Klassenunterschiede, hellt die Geschichte mit der „guten Seele“ von Stonehaven auf, mit Alfie, der sich nach ein bisschen Zuneigung sehnt und dabei die eigenen Bedürfnisse hintanstellt. Dadurch verleiht Pawlikowski der durchaus realistisch gewendeten Geschichte einen leicht märchenhaften Touch, nimmt ihr aber auch die Möglichkeit, wirkliche Ecken und Kanten zu entfalten. Dass alles gut wird, ahnt man in der dramaturgisch geradlinig entwickelten Geschichte, in der keine fintenreiche Querpässe geschlagen werden, schon bald; wie das Gute aussieht, ist dann allerdings doch eine kleine Überraschung. Der bescheidene Film, der über bemerkenswerte Darsteller verfügt, überführt das große Erzählen in eine kleine dokumentarische Form. Dazu passt das Stilmittel der konsequent eingesetzten Schwarzblenden, die die Szenen klar voneinander trennen. Die Totalen verwaister Straßenzüge sprechen ebenso Bände wie die Halbtotalen, die die Protagonisten als Menschen ausweisen, die ihrer Situation hilflos ausgeliefert sind. Am eindrucksvollsten sind die betont inflationär eingesetzten Nahaufnahmen der Hauptdarstellerin Dina Korzun, die als junge Frau an sich und ihrem Schicksal (ver-)zweifelt, wobei das natürliche Mienenspiel jederzeit die Seele der Figur spiegelt: Ein Mensch, der sich anschickt, seine großen Träume zu begraben, um eine Überlebenschance zu haben. Diese Einsicht macht Pawlikowskis Film ein wenig traurig, aber auch ein wenig wahrer.
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