Jugendfilm | Großbritannien 2004 | 86 Minuten

Regie: Pawel Pawlikowski

Ein 16-jähriges Mädchen aus der englischen Unterschicht lernt eine Gleichaltrige aus besseren Kreisen kennen, die den Sommer allein in einem riesigen Landhaus verbringt. Sie loten ihre Komplizenschaft aus und verlieben sich ineinander. Die Romanze endet bitter, als die Besitzer eintreffen und ihre Tochter ihr Verhalten abrupt ändert. Brillant fotografiertes, hervorragend gespieltes Jugenddrama, das die Protagonistinnen auf der Suche nach Wahrheit, Orientierung und Halt zeigt. Eine wehmütige Ode an den Schmerz der ersten Liebe. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
MY SUMMER OF LOVE
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Apocalypso Pic./Baker Street/Film Consortium/Take Partnership/BBC Films/UK Film Council
Regie
Pawel Pawlikowski
Buch
Pawel Pawlikowski
Kamera
Ryszard Lenczewski
Musik
Alison Goldfrapp · Will Gregory
Schnitt
David Charap
Darsteller
Natalie Press (Mona) · Emily Blunt (Tamsin) · Paddy Considine (Phil) · Dean Andrews (Ricky) · Paul Antony-Barber (Tamsins Vater)
Länge
86 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Jugendfilm | Liebesfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
EuroVideo (1:1.85/16:9/Dolby Digital 5.1)
Verleih Blu-ray
Capelight
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Eine flirrend-wehmütige Sommer-Romanze zwischen einem 16-jährigen Mädchen aus der englischen Unterschicht und einer Gleichaltrigen aus "besseren" Kreisen.

Diskussion
Ein namenloses Dorf, versteckt im englischen West-Yorkshire, liefert die Kulisse für ein weiteres Coming-of-Age-Drama, ein Genre, an dessen Vorgaben sich vor allem der deutsche Nachwuchsfilm von „Sommersturm“ (fd 36 662) bis „Nichts bereuen“ (fd 35 143) zu Genüge abgearbeitet hat. Auf den ersten Blick hält sich „My Summer of Love“ an das Versprechen seines Titels, indem er mit den üblichen Versatzstücke den Ausnahmezustand jugendlicher Gefühlswelten bedient. Dass er in dem eng gesteckten Rahmen einer sommerlichen Jugendromanze dennoch zu überraschen vermag, spricht für seine Qualität und war wohl auch der Grund dafür, dass ihn die British Film Academy zum „Besten Britischen Film 2005“ kürte. Die Begegnung zweier ungleicher Mädchen inmitten einer vor trockener Hitze und stickiger Luft nervös vibrierenden Landschaft inszeniert Regisseur Pawel Pawlikowski mit einer solchen Intensität und Präzision, dass man sogleich von der somnambul subjektiven Welt der heranwachsenden Heldinnen gefangen ist. Die 16-jährige Mona lebt mit ihrem älteren Bruder Phil, einem Ex-Kriminellen, über dem heruntergewirtschafteten Pub, den ihre Mutter bis zum frühen Krebstod führte. Den Vater hat Mona nie gekannt, die rein sexuelle Beziehung zu einem verheirateten Mann aus der Gegend ödet sie an, und auch der Bruder wird ihr zunehmend suspekt, seitdem er als frommer Christ „wiedergeboren“ wurde, dem Alkohol abschwor und die Kneipe in ein Gebetshaus verwandelte. Mona fühlt sich fremd in ihrer Umgebung und flüchtet auf dem Mofa in die Weite der sonnendurchfluteten Felder und Hügel. Dort begegnet sie der gleichaltrigen Tamsin, die den Sommer unbeaufsichtigt im riesigen Landhaus ihrer Eltern verbringt. Vom teuren Internat ist sie gerade wegen schlechten Einflusses auf ihre Mitschülerinnen verwiesen worden und lässt es sich nicht nehmen, die ahnungslose Mona intellektuell auf den rechten Weg zu bringen: Sie weist sie in die Theorien von Nietzsche und Freud ein, spielt ihr Platten von Edith Piaf vor, gibt sich verführerisch dekadent und genießt im Gegenzug Monas Neugier und Unverstelltheit. Trotz oder gerade wegen der unterschiedlichen Milieus, die die Weltbilder der Mädchen prägen, kommen sie sich bei täglichen Ausflügen seelisch und körperlich näher, konsumieren Alkohol und Drogen, verstricken sich in Lügengeschichten und loten in Psychospielen die Grenzen ihrer Komplizenschaft aus. Als Phil Wind von der „amour fou“ zwischen seiner Schwester und der provozierend auftretenden Tamsin bekommt, sperrt er seine Schwester in der festen Überzeugung ein, sie vor der Macht des Bösen schützen zu müssen. Mona lässt sich von ihrer Liebe nicht abbringen, simuliert einen Selbstmord und reißt zu Tamsin aus, die sich ihr jedoch in Anwesenheit der Eltern als eine gänzlich verwandelte Fremde präsentiert: unnahbar, kalt und ohne den Hang zur gefährlichen Romantik-Pose, die sie so sehr an ihrer Freundin schätzte. Der Pole Pawlikowski (Jhrg. 1957) kam Ende der 1970er-Jahre nach England. Er drehte Dokumentarfilme für die BBC und fiel bereits mit seinem zweiten Spielfilm „Last Resort“ (2000) auf, einem von der Kritik viel beachteten Immigranten-Drama. In „My Summer of Love“, einer freien Adaption des gleichnamigen Romans von Helen Cross, entwirft er im Gegensatz zur Vorlage, die zeitlich klar in den frühen 1980er-Jahren verortet ist, eine Jugendwelt fern popkultureller Zuordnungen und eines identifizierbaren Zeitgeistes. Man muss den Film ansehen, wie man ein Gedicht liest – ohne jene einengende Konzentration auf das sonst übliche Dekor des Genres –, um seine Aura zu genießen. Die über weite Strecken brillante Kamera von Ryszard Lenczewski registriert jede Lichtabweichung in den ausdrucksstarken Gesichtern des hervorragend besetzten Teenager-Duos, in denen sich wie von selbst die flüchtige Wahrheit des Augenblicks verfängt – einer Wahrheit, in der sich Faszination und Ekel, Obsession und Gewalt in der Schwebe halten. Dabei liegt der Schwerpunkt nicht auf der Darstellung einer lesbischen Erotik, sondern auf der schlichten Anziehung jugendlicher Körper, der Sehnsucht nach einer Freundschaft fern geschlechtlicher Zuordnungen, die Orientierung und Halt bietet, auch wenn diese nur von kurzer Dauer sind. Demonstrativ zeitlos erzählt Pawlikowski seine magisch aufgeladene Geschichte, eingetaucht in satte, überreife Farben einer sinnlichen Natur, die das Seelenleben der Figuren widerspiegelt. Nicht zuletzt die atmosphärisch dichte Musik der britischen TripHop-Formation Goldfrapp trägt zu einem traumähnlich entrückten Tonfall bei, der die riskante Suche nach Intensität und Grenzüberschreitung beklemmend erfahrbar macht. Pawlikowski beherrscht das Spiel mit den Erwartungen des Zuschauers virtuos, huldigt niemals dem Voyeurismus und bedient sich gelegentlich sogar komischer Elemente – bis zum überraschenden, ganz und gar realistischen Ende. „My Summer of Love“ ist vor allem eine wehmütige Ode an den Schmerz der ersten Liebe, dieses Gemisch aus Wahnsinn, Lüge und Verrat, wie es sie nur die Pubertät hervorbringen kann.
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