Das größte Drama der Welt, erklärte unlängst der norwegische UN-Nothilfekoordinator Jan Engeland, spiele sich derzeit weder im Irak noch in Palästina ab, sondern in Afrika. Das ist nichts Neues. Wer hinsehen mag, weiß schon seit Jahrzehnten, dass auf dem von der Weltgemeinschaft weitgehend im Stich gelassenen Kontinent Hungersnöte und Epidemien grausamer Alltag sind. In unschöner Regelmäßigkeit berichten Medien von den schlimmsten humanitären Katastrophen und appellieren an die Spendenbereitschaft der reichen Bewohner der Nordhalbkugel. Viele spenden, weil sie ahnen, dass sie indirekt vom Elend dieser Armen profitieren. Bestsellerautor John Le Carré hat dieses größte irdische Drama zum Gegenstand eines Romans gemacht, der von Drehbuchautor Jeffrey Caine adaptiert wurde und den der brasilianische Regisseur Fernando Meirelles („City of God“, fd 36 938) nun als packenden romantischen Politthriller inszenierte. „Der ewige Gärtner“ handelt von denen, die wegschauen, jenen, die ganz bewusst ihre skrupellosen Geschäfte mit der Armut machen, und der Handvoll, die gegen dieses Unrecht ankämpfen. Le Carré hat sein Buch der französischen Menschenrechtsaktivistin Yvette Pierpaoli gewidmet, die 1999 im Alter von 60 Jahren während eines Einsatzes für die Internationale Flüchtlingshilfe in Albanien bei einem Autounfall ums Leben kam.
Deutlich jünger, etwa Anfang 30, ist die fiktive Heldin Tessa Quayle, die zu Beginn in einer entlegenen Gegend im Norden Kenias ermordet aufgefunden wird. Nach offizieller Lesart der Behörden wurde sie Opfer einer Beziehungstat. Vom vermeintlichen Mörder, dem Geliebten Tessas, einem kenianischen Arzt, mit dem sie die Armenviertel des Landes bereiste, fehlt jede Spur. Tessas hinterbliebener Ehemann, der UN-Mitarbeiter Justin Quayle, leidet gleich doppelt: zum einen unter dem Tod seiner geliebten Frau, zum anderen unter der Vorstellung, dass sie ihn betrogen hat. Bald findet er jedoch heraus, dass es sich bei dem, was Tessa ihm verschwieg, nicht um eine Affäre handelte, sondern um ein skandalöses Verbrechen, dem sie auf der Spur war. Kurz nachdem Justin erfährt, dass der mutmaßliche Liebhaber Tessas schwul ist, wird auch dessen entsetzlich zugerichtete Leiche gefunden. Justin, der im Gegensatz zu seiner Frau bislang immer zu denen gehörte, die wegsahen und im Zweifel den bequemeren Weg wählten, fängt nun an, auf eigene Faust nachzuforschen. Statt sich in sein Hobby, die Gärtnerei, zu flüchten, fliegt er kreuz und quer durch die Welt, nach Deutschland, England und zurück nach Afrika, um das aufzudecken, was ein global agierendes Pharma-Unternehmen mit aller Macht und Gewalt vertuschen möchte: Offensichtlich wurde ein unausgereiftes, überteuertes AIDS-Medikament an der afrikanischen Bevölkerung getestet – ohne deren Wissen und mit verheerenden Folgen. Während Justin einer multinationalen Verschwörung auf die Schliche kommt, beginnt er nicht nur die Welt mit schärferen Augen zu sehen, sondern in zahlreichen Rückblenden auch sein bisheriges Leben und seine leidenschaftliche Beziehung mit Tessa in Frage zu stellen.
Raffiniert verflechten Caine und Meirelles über die Zeitebenen unterschiedliche dramaturgische Koloraturen. Romantische Love Story, fesselnder Thriller und aufwühlendes Politdrama finden wie selbstverständlich zueinander. Auf allen drei Feldern vermag „Der ewige Gärtner“ zu überzeugen. Die ungewöhnliche Anziehungskraft, die die widersprüchlichen, aber in sich stimmigen Hauptfiguren aufeinander ausüben, nimmt man dem Schauspielergespann Ralph Fiennes und Rachel Weisz ohne Weiteres ab. Der Thriller ist rasant, abwechslungsreich und klug erzählt, mit der nötigen Prise Action, allenfalls ein wenig verwirrend; doch welcher Thriller wäre das nicht? Vor allem aber geht das politische wie das menschliche Drama so sehr unter die Haut, dass es sich immer wieder in den Vordergrund drängt und nicht wie in manchem pseudopolitischen Krimi zur Staffage degradiert wird. Schnell, beweglich fotografiert und hart, bisweilen in reportageartigem Stakkato geschnitten, entwickelt der hochkarätige Stab einen griffigen Stil, der das Handlungstempo aufnimmt und dem fiktionalen Geschehen Authentizität verleiht. Unterm Strich zählt „Der ewige Gärtner“ zu den gelungensten und nachhaltigsten Politthrillern der letzten Jahre; gerade auch, weil er sich mit Afrika einem Schauplatz aus aktueller Perspektive annimmt, der im kommerziellen westlichen Kino von „Jenseits von Afrika“
(fd 25 508) über „Der englische Patient“
(fd 32 406) bis zu „Nirgendwo in Afrika“
(fd 35 201) nostalgisch verklärt oder ignoriert wird. Es scheint nicht einmal zu hoch gegriffen, „Der ewige Gärtner“ in die Tradition von Carol Reeds „Der dritte Mann“ (fd 479) zu stellen. Ralph Fiennes ist zwar kein Orson Welles, und auch im künstlerischen Vergleich zieht Meirelles’ Film den Kürzeren. Dennoch haben „Der dritte Mann“ und „Der ewige Gärtner“ neben ihrer thematischen Nähe (in beiden Filmen bereichern sich verbrecherische Organisationen an der Gesundheit der Armen) vor allem eins gemeinsam: sie bieten engagiertes und anspruchsvolles Unterhaltungskino.