Die syrische Braut
Tragikomödie | Israel/Deutschland/Frankreich 2004 | 97 Minuten
Regie: Eran Riklis
Filmdaten
- Originaltitel
- THE SYRIAN BRIDE | HA-KALA HA-SURIT
- Produktionsland
- Israel/Deutschland/Frankreich
- Produktionsjahr
- 2004
- Produktionsfirma
- Neue Impuls Film/Eran Riklis Prod./Macht Prod./WDR-ARTE/ARTE France Cinéma
- Regie
- Eran Riklis
- Buch
- Eran Riklis · Suha Arraf
- Kamera
- Michael Wiesweg
- Musik
- Cyril Morin
- Schnitt
- Tova Ascher
- Darsteller
- Marlene Bajjali (die Mutter) · Uri Gabriel (Simon) · Alon Dahan (Arik) · Derar Sliman (Tallel) · Ranin Boulos (Mai)
- Länge
- 97 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Tragikomödie
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Über eine glückliche Eheschließung ist in der Regel nichts Besonderes zu sagen, während eine unglückliche die Neugier weckt und man den Ursachen auf den Grund gehen möchte. Die junge Mona kennt ihren Bräutigam nur aus Fernsehshows. Sie kommt aus einem drusischen Dorf aus den von Israel besetzten Golan-Höhen, er aus Damaskus. Dazwischen liegt die syrisch-israelische Grenze – wer sie überschreitet, dem ist der Rückweg für immer abgeschnitten. Weil es die Tradition verlangt, liegt es an Mona, ihre Familie hinter sich zu lassen. Für sie ist die Hochzeit ein doppelter Verlust: Sie liefert sich nicht nur einem fremden Mann aus, sondern verliert auch ihre Heimat, die zufällig in Israel liegt. Kein Wunder, dass ihr Hochzeitstag für sie kein Anlass zur Freude ist. Wie die Mitglieder der drusischen Mittelstandsfamilie mit der Grenze im Kopf und vor der Haustür umgehen, das thematisiert diese leise Tragikomödie. „Die syrische Braut“ konzentriert sich auf die Ängste und Sehnsüchte der Personen, vor allem der Frauen, und nähert sich ihnen dabei so diskret, dass selbst Ereignisse wie eine pro-syrische Demonstration unspektakulär auf die Leinwand gebracht werden. Ganz allmählich entfaltet das Familienporträt seine absurde Welt und steckt sie ab, erzählt ein individuelles und zugleich kollektives Drama. Es gibt keine Szene, der man nicht ansieht, dass sie mit großer Liebe zu den Figuren inszeniert wurde, auf welcher Seite des Stacheldrahts sie auch immer stehen mögen. Der jüngste Sohn ist Soldat der syrischen Armee und gar nicht so fern von Zuhause stationiert. Immer wieder unterhalten sich die durch die Grenze getrennten Familienmitglieder über Lautsprecher, beobachten sich mit Ferngläsern, tauschen aufmunternde Grüße aus, winken sich zu. Mit großer erzählerischer Ökonomie und fast überempfindlich für alle Zwischentöne von Fürsorglichkeit bis Aggression innerhalb der religiösen Gemeinde der Drusen konfrontiert Regisseur Eran Riklis den Zuschauer mit dem emotionalen Elend der Familie zwischen den Fronten, die weiß, dass nichts mehr so bleiben wird, wie es einmal war. Rund um das Fest, zu dem die in alle Teile der Welt verstreute Verwandtschaft anreist, reißt der Film – nicht ohne ironischen Unterton und mit Anleihen bei Soap-Opera-Plots – soziale und politische Konflikte an, die allein schon ausreichen würden, um den Zusammenhalt der Familie zu schädigen: Der pro-syrische Vater tut sich schwer, seinem nach acht Jahren zurückgekehrten Sohn, der eine russische Ärztin heiratete und sich von der Sippe emanzipiert hat, dessen Ungehorsam zu verzeihen. Zusätzlich unter Druck gesetzt wird er von den Dorfältesten, die um ihre Autorität bangen. Der zweitälteste Sohn verschweigt, dass er in Italien mit krummen Geschäften zu Geld gekommen ist, und gibt sich als erfolgreicher Geschäftsmann aus. Eine der Schwestern übt sich nach Jahren der Unterwerfung in Rebellion, als sie ihrem autoritären Mann mit Stolz verkündet, dass sie in Tel Aviv einen Studienplatz ergattert hat. Im Niemandsland zwischen Israel und Syrien eskalieren schließlich die politischen Konflikte: Die syrischen Grenzsoldaten akzeptieren Monas Papiere nicht, die ein israelischer Stempel ziert. Sie interpretieren dies als Beweis für Israels Landansprüche und schicken eine französische UN-Mitarbeiterin, die verzweifelt zwischen den Parteien zu vermitteln versucht, auf dem menschenleeren Grenzstreifen hin und her, bis sich Mona ohne offizielle Erlaubnis auf den Weg über die Grenze macht, um keine Schande über ihre Familie zu bringen. Das Private siegt über das Politische, auch wenn man einräumen muss, dass das individuelle Glück dem Wohl der Gemeinschaft geopfert wird. Die Idee, eine Hochzeit zum Katalysator familiärer und gesellschaftlicher Befindlichkeiten zu wählen, ist nicht neu: „My Big Fat Greek Wedding“ (fd 35 784) oder „Monsoon Wedding“ (fd 35 355) sind Filme, die dieses Konfliktpotenzial längst ausgeschöpft haben. „Die syrische Braut“ nimmt vor diesem Hintergrund allerdings einen ungewöhnlichen Standpunkt ein, denn die Hochzeit versöhnt nicht, sondern vertieft die Gräben zwischen den Menschen. Erst durch diesen Kunstgriff kommen äußere und innere Zerwürfnisse, die karge Landschaft und die zerbröckelnde Tradition in jenes dramaturgische Gleichgewicht, auf das es der Regisseur abgesehen hat. Die Moderne ist auch an diesem Ort nicht aufzuhalten, und der sentimentale Schluss lässt sich, vielleicht zu naiv und vereinfachend, als Anklage gegen staatliche Restriktionspolitik und Grenzen jeder Art interpretieren. Ein kleiner Film, der die bescheidene Vision bietet, sich mit den erstarrten Verhältnissen nicht abzufinden.