Es war eine von jenen wahren Geschichten, bei denen man sofort ahnte, dass sie eher früher als später verfilmt werden würden. Im April 1999 veröffentlichte der Ortsverband Rylstone des britischen Women’s Institute (WI) seinen Jahreskalender 2000. Ein Umstand, der für sich genommen allenfalls regionale Beachtung gefunden hätte. Entsprechend der Ausrichtung des WI als Interessensvertretung und Forum zum Erfahrungsaustausch britischer Hausfrauen orientierten sich die Kalenderblätter motivisch am traditionellen häuslichen Bereich. Sie präsentierten Angehörige des WI beim Kuchenbacken, Blumenarrangieren oder Stricken. Das Besondere daran aber war, dass die Frauen – allesamt im etwas reiferen Alter von Mitte 50 – dabei keine Kleidung trugen. Diese ungewöhnliche, fast übermütig wirkende Idee hatte einen ernsten Hintergrund: Der Ehemann eines der „Calendar Girls“ war vor kurzem an Leukämie gestorben. Der Erlös aus dem Verkauf des weltweit ersten WI-Akt-Kalenders sollte dem örtlichen Krankenhaus zukommen, in dem er betreut worden war. Gleichzeitig demonstrierten die WI-Frauen mit der Umsetzung der Idee einen spielerischen Umgang mit dem Klischee des braven Hausmütterchens. Und sie setzten dem einseitig an Jugendlichkeit orientierten Schönheitsideal der Medien einen individuellen und kunstvollen Akzent entgegen. Gut drei Jahre später waren mehr als 300.000 dieser Kalender verkauft, über 600.000 Pfund konnten gespendet werden, und die „Calendar Girls“ hatten kurzen Weltruhm erlangt. Die New York Times war mit ihrer Geschichte auf der Frontpage erschienen, und sie hatten eine Einladung in Jay Lenos „Today Show“ erhalten. Eine Geschichte wie ein Märchen – der Stoff, aus dem Hollywoodträume sind.
„Calendar Girls“ aber ist eine britische Produktion, was man dem Film auch anmerkt. Zwar wird der Themenkanon aus Sterben und Trauern, Alter, Anstand, Sexualität und Emanzipation, Familie, Freundschaft und Ruhm, den die wahre Begebenheit liefert, von den Filmemachern dramaturgisch aufpoliert; auch wurden Figuren und Schauplätze verändert oder erfunden und Konflikte hinzugeschrieben, wo es für einen kurzweiligen Spannungsverlauf notwendig erschien; ein authentischer Grundduktus bleibt aber in all der Fiktionalisierung gewahrt. Nigel Coles Film knüpft damit an die Tradition des britischen Arbeiterkinos und, dank seiner liebenswert humorvollen Erzählweise, im besonderen an Lower-Class-Komödien wie „Brassed Off“ (fd 32 785) oder „Ganz oder gar nicht“ (fd 32 818). Anders aber als in diesen Männerfilmen will „Calendar Girls“, ähnlich wie bereits Coles Erstlingswerk „Grasgeflüster“ (fd 34 402) eine Geschichte von gewöhnlichen, aber außergewöhnlich mutigen Frauen erzählen. Und obwohl die beiden Hauptrollen mit Helen Mirren und Julie Walters mit internationalen Stars besetzt wurden, gerät die Inszenierung dank deren uneitler Darstellung und aufgrund der über weite Strecken lebensnahen Dialoge nur selten in Widerspruch zu diesem Vorhaben. Den Drehbuchautoren Juliette Towhidi und Tim Firth gelingt es gemeinsam mit Cole, das diffizile Gemisch aus Trauer, Humor, Pikanterie, Tabubrüchen und medialer Verführung in eine glaubwürdige Form zu gießen, meist ohne dabei allzu sehr ins Schlingern zu geraten und ins Melodram, zweideutigen Ulk oder ins Glamoureske abzugleiten. Doch auch wenn „Calendar Girls“ bei der Dramatisierung und Konfliktvergrößerung einen im Vergleich zu Hollywood deutlich kleineren Maßstab wählt und die Pathetisierung des Stoffes nicht bis ins Mythische treibt, ist der künstlich-künstlerische Einfluss der Traumfabrik dennoch nicht ganz zu übersehen. Anders als in der Wirklichkeit stoßen Annie und Chris, die beiden Initiatorinnen, bei der Verwirklichung ihrer Idee zunächst auf erheblichen Widerstand der WI-Bürokratie. Erst nach einer tränenschwangeren und – wie es sich für den dramaturgischen Effekt gehört – unvorbereiteten Schlüsselrede Chris’ auf der Nationalversammlung des WI ist der Weg offen. Auch dass der plötzliche Ruhm die Freundschaft der beiden Heldinnen gefährdet und der eigentliche Anlass ihrer wohltätigen Aktion darüber in Vergessenheit zu geraten droht, ist ohne weiteres Hollywoodkompatibel. Die Kritik an der Oberflächlichkeit und Schnelllebigkeit des Showbusiness’, in die der Film mit der USA-Reise der „Calendar Girls“ mündet, erscheint angesichts dessen etwas halbherzig. Nicht zuletzt die Beteiligung von Buena Vista International macht deutlicht, dass „Calendar Girls“ alles andere als eine Independent- Produktion ist. Gänzlich vereinnahmen lassen sich die Filmemacher von den Gesetzmäßigkeiten der Branche allerdings nicht. Der emanzipatorische Grundgedanke geht bei ihnen nicht verloren. Das wahre Leben wird zwar verstellt vom Abzug des Banalen und der Zugabe sentimental Filmrhetorik, bleibt aber dennoch fast immer erkennbar.