Paul Bowles - Halbmond

Drama | Deutschland 1994 | 91 Minuten

Regie: Irene von Alberti

Episodenfilm nach drei (teilweise autobiografischen) Erzählungen von Paul Bowles, der als lebender Zeuge der vergangenen Ära eines exotisch getönten Existentialismus gilt. Bowles selbst verbindet mit knappen, lakonischen Kommentaren die Geschichten, die um Männerfreundschaft und verführerische Frauen, Beziehungskälte, Sinnesglut und zivilisatorische Verlorenheit kreisen. So kühl und zurückhaltend der Film einerseits in Szene gesetzt ist, so eindrucksvoll vermittelt er andererseits vor farbintensiv-fotogener Kulisse ein Gespür für Atmosphären und Landschaften. Gelegentlich leidet er aber an seiner allzu spröden Statik und hinterläßt auch einen Beigeschmack synthetischer Folklore. (Titel der Episoden: "Am Strand von Merkala", "Zwischenhalt in Corazón", "Allal")
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1994
Produktionsfirma
Filmgalerie 451
Regie
Irene von Alberti · Frieder Schlaich
Buch
Irene von Alberti · Frieder Schlaich
Kamera
Volker Tittel
Musik
Roman Bunka
Schnitt
Magdolna Rokob · Margarete Rose
Darsteller
Paul Bowles (Der Erzähler) · Samir Guesmi (Lahcen) · Khaled Ksouri (Idir) · Veronica Quilligan (die Frau) · Sam Cox (der Mann)
Länge
91 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Genre
Drama | Literaturverfilmung
Externe Links
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Diskussion
Filme über ferne Gegenden kommen gemeinhin gut an. Folgen sie zudem der literarischen Vorlage einer namhaften Kultfigur wie Paul Bowles, können sie sich des Publikumsinteresses sicher sein - und auf Seiten der Kritik einer gehörigen Portion Skepsis. Letzteres (Vor-)Urteil wird im vorliegenden Episodenfilm, der beide Zutaten des Erfolgsrezeptes bereits im Titel signalisiert, voll bestätigt. "Besser als Bertolucci" (der 1990 Bowles' "The Sheltering Sky"/"Himmel über der Wüste", fd 28 604, verfilmte) soll das einstige Aussteiger-Idol über Frieder Schlaichs halbstündigen Film "Am Strand von Merkala" (1993) gerurteilt haben. Grund genug für den Stuttgarter Jungfilmer, sich neuerlich mit Produzentin Irene von Alberti zusammenzutun und eine um zwei weitere Bowles-Adaptionen erweiterte "kinofähige" 90-Minuten-Fassung vorzulegen. Die einleitende Episode "Am Strand von Merkala" (nach der Erzählung "The Story of Lahcen and Idir") zeigt zwei junge Marokkaner, deren Freundschaft durch eine verlockend freizügige Fremde auf die Probe gestellt wird. Lahcen raucht andauernd Kif, während Idir lieber literweise Alkohol trinkt. Beide verlieben sich in das schöne Mädchen aus Meknes und geraten darüber schließlich in heftigen Streit. Die zweite Film-Episode (nach "Call at Corazón") führt in den brasilianischen Dschungel und berichtet von einem Ehepaar auf Hochzeitsreise, das während einer strapaziösen Bootsfahrt auf dem Amazonas von Rachegefühlen überwältigt abrupt auseinandergeht. Die abschließende dritte Episode kehrt nochmals nach Nordafrika zurück und schildert das Schicksal des Titelhelden "Allal" (nach der gleichnamigen Vorlage), eines einsamen kleinen Jungen am Rande der Sahara, der im Rausch in eine Schlange verwandelt Revanche an seinen Verächtern nimmt. Geschichten also um (homoerotisch gefärbte) Männerfreundschaft und verführerische Frauen, Beziehungskälte und Sinnesglut, zivilisatorische Verlorenheit und vor allem Kif - denn geschildert werden die Exkursionen in mythisch entrückte Bewußtseinswelten durchweg aus halluzinatorischem Blickwinkel nomadisierender Weltenbummler, wie ihn die Beatniks der 50er und 60er Jahre kultivierten. Ein lebender Zeuge jener längst entschwundenen Ära exotisch getönten Existentialismus ist der seit langem im legendären Kiffer-Paradies Tanger ansässige Paul Bowles. Aus seinem Arbeitzimmer heraus verbindet der heute fast 85jährige Autor die drei (teilweise autobiografischen) Episoden mit knappen Statements und gelegentlichen lakonischen Kommentaren. Der Stil der Inszenierung ist zumeist kühl und distanziert vor farbintensiv-fotogener Kulisse und visualisiert insbesondere in der letzten Episode mit der Metamorphose des Helden zeitweilig psychedelische Visionen. Insgesamt dominiert dabei jedoch jene bemüht nüchterne Theatralik, die zwischen gezielter Ambition und steifem Understatement zu schwanken scheint, sofern sich hinter spröder Statik nicht kunstwillig verbrämte Unbedarftheit und Unbeholfenheit verbergen. Ein unangenehmer Beigeschmack synthetischer Folklore ohne Duft und Faszination, der unsägliche deutsche Synchronstimmen auch noch den letzten Rest an originärer Fremdheit nehmen.
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