Im Haus meiner Eltern
Drama | Deutschland 2025 | 95 Minuten
Regie: Tim Ellrich
Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2025
- Produktionsfirma
- Elemag Pic./Port au Prince Films/ZDF - Das kleine Fernsehspiel
- Regie
- Tim Ellrich
- Buch
- Tim Ellrich
- Kamera
- Konstantin Pape · Camilla Topuntoli
- Schnitt
- Tobias Wilhelmer
- Darsteller
- Jenny Schily (Holle) · Johannes Zeiler (Dieter) · Jens Brock (Sven) · Ursula Werner (Mutter) · Manfred Zapatka (Vater)
- Länge
- 95 Minuten
- Kinostart
- 10.04.2025
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Ein in streng komponierten Schwarz-weiß-Bildern entfaltetes Drama über den Umgang mit alternden Eltern und einem pflegebedürftigen Bruder.
Für sein Spielfilmdebüt „Im Haus meiner Eltern“ hat der Autor und Regisseur Tim Ellrich einen Teil seiner eigenen Familiengeschichte fiktionalisiert. Auch entstanden die meisten Szenen im Haus seiner Großeltern. Ein uriges Fotoalbum mit knisternder Trennfolie, das einmal durchgeblättert wird, steht gewissermaßen für diesen persönlichen Ansatz einer filmischen Familienaufstellung.
Thematisch umkreist das Drama die Frage, was passiert, wenn die eigenen Eltern allmählich pflegebedürftig werden. Während die Geschwister Frauke (Kirsten Block) und Niels (Peter Schneider) den Dingen eher passiv ihren Lauf lassen, sieht sich Holle (Jenny Schily) in der Verantwortung. Sie besucht die Eltern Elisabeth (Ursula Werner) und Thomas (Manfred Zapatka) regelmäßig, hilft bei Einkäufen oder dem Abwasch und macht sich Gedanken über die nahe Zukunft.
Nur Zaungäste der Misere
Verkompliziert wird die Lage durch Holles schizophrenen Bruder Sven (Jens Brock), der noch bei den Eltern wohnt, vollständig in sich selbst verkapselt ist und besonders den Vater immer öfter in Rage versetzt. „Lasst mich nicht allein damit,“ bittet Holle ihre Geschwister um Unterstützung; doch die bleiben ebenso Zaungäste der Misere wie Holles Ehemann Dieter (Johannes Zeiler).
Einen Ausgleich findet Holle in ihrer Tätigkeit als spirituelle Heilerin. Wenn sie in Seminaren davon spricht, „dass es mehr gibt“, oder unter Kopfhörern verschanzt zu sphärischen Klängen meditiert, scheint sie ganz bei sich. Doch auch dieser Lebensbereich ist mit Erwartungen verknüpft. „Sie müssen mir helfen!“, fleht eine junge Krebspatientin sie an, für die es kaum mehr Hoffnung gibt.
Die markante formale Gestaltung von „Das Haus meiner Eltern“ schiebt der allzu direkten Deutung als autobiografische Nabelschau einen Riegel vor. Mit Schwarz-weiß-Bildern und einem schmalen Bildformat verleiht Ellrich der Geschichte einen universellen Charakter. Die regelmäßigen Abblenden in Schwarz passen nicht nur zur schwermütigen Stimmung des Films, sondern geben durchaus Anstöße zur Reflexion.
Piep, piep, piep
Tim Ellrich sucht die Spuren der familiären Irritationen in Alltagsbeobachtungen, die ohne Musik und oft ohne Dialoge auskommen. Das Spektrum der vielen häuslichen Szenen reicht vom Bügeln bis hin zum Zähneputzen. Besonders häufig sind Tischszenen. Mal werden beim Essen Grundsatzdiskussionen ausgetragen – bei der Pflege der eigenen Eltern könne „echt was heilen“, meint eine Bekannte – mal lotet Ellrich das fragile Beziehungsgeflecht in Nahaufnahmen aus. Entlarvend und im Kontext durchaus ironisch wirkt dabei eine Familientradition. Zum Auftakt des Essens fassen sich die Verwandten an den Händen und sprechen den Kinderreim „Piep piep piep, wir haben uns alle lieb“.
Das eindrucksvollste Element des stillen Dramas ist die Darstellung des psychisch erkrankten Sven, den der Laiendarsteller Jens Brock verkörpert und der auf dem echten Onkel des Regisseurs basiert. Holles größte Sorge gilt ihm, doch was in Sven vorgeht, bleibt ein Rätsel. Nur ein einziges Mal spricht er. Ansonsten ist er stumm und stur, geistert schnaufend durchs Haus, blickt ins Nichts, hustet, isst. „Er existiert einfach nur“, bringt Holle die Isolation des Bruders auf den Punkt.
Fernab klischeehafter Darstellungen von Schizophrenie zeigt Ellrich die Erkrankung als Rückzug ins Innere, womit eine Auflösung für die anderen verbunden ist. Dafür findet er ein adäquates und genuin filmisches Mittel, wenn die Kamera Sven wiederholt nur ausschnittsweise zeigt, sodass man sich kaum ein Bild von ihm machen kann; er ist da und gleichzeitig nicht da.