Dying for Sex
Drama | USA 2025 | 258 Minuten (8 Folgen)
Regie: Shannon Murphy
Filmdaten
- Originaltitel
- DYING FOR SEX
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2025
- Produktionsfirma
- 20th Television/Dying for Media/Elizabeth Meriwether Pic./FX Prod./Owl & Co./Shoot to Midnight/Wondery
- Regie
- Shannon Murphy · Chris Teague
- Buch
- Elizabeth Meriwether · Kim Rosenstock · Sheila Callaghan · Harris Danow · Madeleine George
- Musik
- Ariel Marx
- Schnitt
- Jon Higgins
- Darsteller
- Michelle Williams (Molly) · Jenny Slate (Nikki) · Jay Duplass (Steve) · David Rasche (Dr. Pankowitz) · Esco Jouléy (Sonya)
- Länge
- 258 Minuten (8 Folgen)
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Drama | Serie
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Dramedy-Serie um eine Frau, die tödlich an Krebs erkrankt und realisiert, was sie bisher versäumt hat - beim Sex mit einer anderen Person einen Orgasmus zu erleben. Also trennt sie sich von ihrem Ehemann, um ihre sexuellen Wünsche zu erkunden.
Molly (Michelle Williams) weiß, dass sie in absehbarer Zeit sterben wird. Aber noch ist sie am Leben. Und sie will etwas von diesem Leben. Vor allem das, bei dem sie in den letzten Jahren zu kurz gekommen ist: Sex. Dabei hat die Heldin der von Kim Rosenstock und Elizabeth Meriwether auf Basis eines Podcasts entwickelte Serie „Dying for Sex“ allerdings ein Problem: Mollys Mann Steve (Jay Duplass) stand ihr fürsorglich zur Seite, als sie an Brustkrebs erkrankte, hat sie durch die Chemo, die Brust-OP und die Genesung begleitet – aber unterwegs ist ihm das Begehren für seine Frau völlig abhandengekommen.
Auf der Suche nach dem kleinen Tod vor dem großen Tod
Molly hat umso mehr davon, und daran ändert sich auch nichts, als sie nach zwei krebsfreien Jahren die Diagnose bekommt, dass der Krebs zurückgekehrt ist und nun ihre Knochen befallen hat. Heilungschancen gibt es laut ihrem Onkologen (David Rasche) nicht, nur noch die Möglichkeit, ihr durch eine Behandlung ein bisschen mehr Lebenszeit zu verschaffen. Und Molly beschließt, diese Zeit nicht an der Seite eines Mannes zu verbringen, der sie nur noch als Patientin und ihren Körper als Krisengebiet sieht und der zu weinen fängt, wenn er ihren operierten Busen anfasst, weil ihn der an den Tod denken lässt.
Also verlässt sie Steve, um auf etwas zu gehen, was der Serie über acht Episoden tragikomischen Stoff liefern und was Mollys Mutter (Sissy Spacek) einigermaßen irritiert als „Sex-Quest“ bezeichnen wird. Mit ihrer besten, chaotischen Freundin Nikki (Jenny Slate) als Rückendeckung, beginnt die Ritterin von der traurigen „Krebs-im-Stadium-4“-Gestalt, sich auf erotische Abenteuer einzulassen. Der heilige Gral, den sie sucht: einen Orgasmus erleben, und zwar mit einer anderen Person, nicht beim Solo-Sex. Dass ihr das bisher weder mit Steve noch mit einem anderen Partner gelungen ist, liegt wohl weniger an den Männern als daran, dass sie selbst trotz ihres gestandenen Mittvierziger-Alters nicht so recht weiß, was sie eigentlich anspricht und guten Sex für sie ausmacht. Höchste Zeit, es endlich herauszufinden.
Eine Ehrenrettung des Körperlichen
Filme um Liebe, die umso heftiger brennt, wenn wegen einer Krankheit der Schatten des Todes auf ihr liegt, sind seit „Love Story“ altbewährtes, immer wieder gerngesehenes Melodramen-Material. Oft schwingt dabei das romantische Ideal mit, dass die Kraft der Liebe die Gebrechlichkeit der Körper transzendiert. Die körperliche Liebe, der Sex, spielt dabei meist keine große Rolle. „Dying for Sex“ ist sozusagen die Antithese dazu; hier wird nichts transzendiert, stattdessen gesteht die Serie ihrer Heldin zu, auch mit Krebs noch ein sexuelles Wesen zu sein, und versucht sich an einer Apotheose des Körperlichen.
Gebrechlich mag er sein, Mollys mittelalter Körper, und im Lauf der Serie immer mehr vom Krebs gebeutelt werden, aber es stecken trotzdem noch jede Menge Erfahrungsmöglichkeiten in ihm. Wobei von Anfang an mitschwingt, dass das Körperliche und das Seelische gar nicht voneinander zu trennen sind, sondern sich andauernd gegenseitig beeinflussen.
Mehr „Éducation sentimentale“ als Peinlichkeits-Parade
Die Serie macht sich einen Spaß daraus, Mollys „Sex-Quest“, von einer Dating-App befeuert, auf diverse komische, auch mal klamaukige Irrwege zu führen. Sie blickt auf ihre Protagonistin und ihre Gelüste aber so affirmativ-empathisch, dass daraus trotz Eskapaden mit Vibratoren, Cam-Boys, Peniskäfigen und Fesselspielen kein zotiger Sexfettnäpfchen-Parcours wird, sondern erdet das Ganze in einer ebenso lustvollen wie schmerzlichen „Éducation sentimentale“. Einer sinnlichen Suchbewegung, bei der Molly sich nicht nur mit ihrem Körper, sondern vermittelt durchs Körperliche auch mit einem vergangenen Trauma, mit ihren Beziehungen und immer wieder auch ihrem nahenden Ende auseinandersetzen muss.
Der Balanceakt zwischen Komik und Tragik gelingt dabei bewundernswert souverän. Was am pointierten Drehbuch liegt, nicht zuletzt aber auch an der versierten Hauptdarstellerin Michelle Williams, die Molly mit einer bestechenden Mischung aus Lakonie und Verletzlichkeit ausstattet.
Letztes Empowerment wider die Machtlosigkeit gegenüber dem Tod
Dass ihre Figur im Lauf ihrer Sex-Suche ihre dominante Seite entdeckt und auszuleben beginnt, kommt nicht von ungefähr. Ähnlich wie zuletzt Pedro Almodóvars preisgekröntes Sterbehilfe-Drama „The Room Next Door“ ist auch „Dying for Sex“ im Kern ein Stoff um eine Frau, die angesichts von Krankheit und nahendem Tod um Kontrolle ringt und die die Gestaltung ihrer letzten Lebenszeit selbst dirigieren möchte – ein letztes Empowerment als Widerspruch zur Machtlosigkeit gegenüber dem Sterbenmüssen.
Und wie „The Room Next Door“, in dem Tilda Swinton als Todkranke mit Sterbe-Wunsch Hilfe von einer Freundin (Julianne Moore) bekommt, stimmt auch „Dying for Sex“ dazu ein Hoch auf die weibliche Verbundenheit an. Mollys männliche Bezugspersonen wie anfangs Steve (den die Autorinnen nach der ersten Folge arg stiefmütterlich behandeln und etwas zu schnell aus dem Fokus verlieren) oder ein neuer Nachbar (großartig schräg: Rob Delaney), für den sie im Lauf der Serie unerwartete Gefühle entwickelt, sind wichtig für sie. Aber noch wichtiger sind Frauenfiguren wie ihre beste Freundin Nikki und ihre Palliativ-Therapeutin Sonya (Esco Jouley), die für sie zum emotionalen Anker werden und ihr handfeste Unterstützung geben, wo sie auf Hilfe angewiesen ist.
Der Körper weiß, was er tun muss
Wenn es schließlich nicht mehr darum geht, beim Sex zu kommen, sondern endgültig zu gehen, in der herzzerreißenden, aber immer noch mit komischen Spitzen gespickten achten Folge, verfolgt die Serie mit der gleichen offenherzigen Unverfrorenheit, mit der sie zuvor Mollys sexuelle Selbstfindung zeigte, den Sterbeprozess. Dabei ist es neben ihrer Mutter Gail einmal mehr Nikki, die sich, ihrer chaotischen Art zum Trotz, als bewundernswert standfeste Begleiterin entpuppt. Und die energische Hospizschwester (Paula Pell) fasst die liebevolle Haltung, die die Serie unserer physischen Existenz in all ihrer Fragilität, Begehrlichkeit und Komik entgegenbringt, final zusammen: Der Tod ist kein Geheimnis und keine medizinische Katastrophe. Er ist ein körperlicher Vorgang, wie das Gebären, wie auf die Toilette zu gehen, wie Husten – oder wie ein Orgasmus. Der Körper weiß, was er tun muss. Er weiß, wie Sterben geht.