Komödie | Deutschland 2025 | 138 Minuten

Regie: Karoline Herfurth

Fünf lose miteinander verbundene Frauen wollen ihr Leben und ihr Selbstverständnis nicht länger an den gesellschaftlichen Vorstellungen der Geschlechterverhältnisse ausrichten. Obwohl jede sich emotional, beruflich und biografisch an einem anderen Punkt befindet, verläuft ihr Umdenken in ähnlichen Bahnen. In einer Mischung aus dramatischen und humoristischen Szenen entfaltet die Ensemble-Komödie ein episodisches Mosaik über die Herausforderungen des Beziehungsdschungels, in denen aber die Sehnsucht nach einem besseren Leben dominiert, obwohl es auch Momente chaotischer Albernheit gibt - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2025
Produktionsfirma
Hellinger/Doll Filmproduktion
Regie
Karoline Herfurth
Buch
Monika Fäßler · Karoline Herfurth
Kamera
Daniel Gottschalk
Musik
Annette Focks
Schnitt
Linda Bosch
Darsteller
Karoline Herfurth (Sonja) · Anneke Kim Sarnau (Nadine) · Emilia Schüle (Julie Abeck) · Emilia Packard (Lilly) · Nora Tschirner (Vicky)
Länge
138 Minuten
Kinostart
13.02.2025
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Komödie
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Ensemble-Komödie um fünf Frauen, die sich mit den Herausforderungen des Beziehungsdschungels herumschlagen.

Veröffentlicht am
13.12.2025 - 11:19:59
Diskussion

Wird die Frau es schaffen, ein Tablett voller Getränke von der Freiluftbar zu ihren Freundinnen zu balancieren? Es sind nur ein paar Meter, aber ein wenig abseits lauert ein Schwan. Und vor Schwänen fürchtet sie sich. Fast geht es gut. Doch als sie bereits sicher am Tisch angekommen zu sein scheint, kippen einige der Gläser um. Allseitiges Gelächter; macht ja nichts. Das Lächeln der Frau wirkt allerdings keineswegs befreit. Sie weiß, dass sie soeben an einer der vielen Anforderungen gescheitert ist, die die Gesellschaft an sie stellt. Und zwar nicht nur, aber immer auch: als Frau an sie stellt.

Inventur bürgerlicher Ängste und Sorgen

Die Episode mit dem bedrohlichen Schwan – ein weiteres Tier hat später im Film, gewissermaßen als Ausgleich, einen poetisch-schönen nächtlichen Auftritt – ist eine der harmlosesten in dem Film „Wunderschöner“. Doch selbst in eine solche vermeintlich beiläufigen Alltagsbeobachtung ist jene Angststruktur eingeschrieben, die den Film von Karoline Herfurth durch und durch prägt. „Wunderschöner“ – den Titel sollte man eher als Überforderung denn als Ausdruck enthusiastischer Lebensfreude lesen – lässt sich als eine regelrechte Inventur bürgerlicher Ängste, Sorgen und Neurosen beschreiben. Da gibt es zum Beispiel Sonja (Karoline Herfurth), die von ihrem Mann Milan (Friedrich Mücke) getrennt lebt, aber nicht mit dem Gedanken klarkommt, dass er sich womöglich eine neue Freundin sucht. Oder Nadine (Anneke Kim Sarnau), eine Frau mittleren Alters, die erfährt, dass ihr Mann, ein hohes Tier in der Politik, Sex mit einer Prostituierten hat. Oder Julie (Emilia Schüle), deren Traumjob beim Fernsehen zum Spießruten-Dauerlauf wird, nachdem sie die Avancen eines aufdringlichen Kollegen zurückgewiesen hat.

Jede leidet für sich allein, und doch haben die Leiden miteinander zu tun. Dass die Figuren, deren Geschichten im episodischen Nebeneinander verbleiben, untereinander durch verwandtschaftliche, freundschaftliche oder Arbeitsbeziehungen verbunden sind, verrät der Film erst nach und nach. Wer freilich Herfurths „Wunderschön“ gesehen hat, ist mit einigen der Protagonistinnen, unter anderem mit Sonja und Julie, bereits vertraut. Auch die Mischung aus dramatischen und humoristischen Tonlagen kennt man aus dem älteren Film. Wobei die komischen Szenen diesmal nur bedingt zur Auflockerung taugen; wenn Sonja sich beim Pole-Dance-Kurs blamiert, dann sind dem Film zwar dank Herfurths Talent für Körperkomik die Lacher sicher, aber gleichzeitig haben die Versagensängste der Figur lediglich ein neues Ausdrucksmedium entdeckt. Ein mit vielen schönen Einfällen garnierter Erzählstrang an einer Schule, in der Jungen und Mädchen getrennt voneinander zu Projekten über männliche beziehungsweise weibliche Sozialisation verdonnert werden, bringt zwar eine schöne Ladung anarchischer Energie in den Film, aber auch jede Menge Teenie-Weltschmerz der heftigeren Sorte.

Die Last sexueller Ansprüche

Der düstere Tonfall hat mit der Themenwahl zu tun. Anders als in „Wunderschön“ geht es diesmal höchstens am Rande um Körperbilder; die können zwar belastend sein, lassen sich aber vergleichsweise leicht in individuelle Erfolgsgeschichten einbauen. In „Wunderschöner“ arbeitet sich Herfurth hingegen, beharrlich und ernsthaft, durch problematische Geschlechterverhältnisse insbesondere im Hinblick auf sexuelle Anspruchshaltungen. Zu zeitgeistig-sexpositiven Attitüden hält sie dabei auffallend Distanz, ganz besonders im Blick auf Prostitution; recht unzweideutig lässt sich der Film als Plädoyer für das nordische Modell verstehen, das auf einer Kriminalisierung von Freiern beruht.

Was keineswegs heißen soll, dass hier am laufenden Band moralisiert oder Staatsbürgerkunde gepaukt wird. Wie alle Filme von Karoline Herfurth ist auch „Wunderschöner“ in erster Linie von den Figuren her gedacht. Und deren innerer Antrieb ist nicht selbstgerechte Empörung über die Ungerechtigkeit der Welt, sondern die Sehnsucht nach einem besseren Leben. Ganz bei sich selbst ist der Film in Momenten chaotischer Albernheit, die dem belastenden Alltag abgerungen sind: etwa wenn Sonja auf der Kirmes, zwei kandierte Äpfel in der Hand, hektisch überlegt, ob sie mit ihrem Internetdate ins Bett gehen soll oder nicht; oder auch in überraschenden Inseln des Trostes, die sich im Meer der Überforderung auftun, wenn sich zwei Figuren in der vielleicht schönsten Szene des Films durch eine Badezimmertür hinweg heilende Textnachrichten senden.

Manche Kämpfe sind nicht zu gewinnen

Gleichwohl: die Härten dominieren. Manche Kämpfe sind, das müssen gleich mehrere Figuren im Laufe des Films erfahren, vielleicht schlichtweg nicht zu gewinnen; selbst dann nicht, wenn alle Beteiligten, was selten genug der Fall ist, besten Willens sind. Auch wenn Thesen dieser Art mit Vorsicht zu genießen sind, liegt der Gedanke nahe, dass „Wunderschöner“ auch ein Film über die gerade heftiger werdenden Widerstände gegen das emanzipativ-liberale Projekt an sich ist. Eine gesellschaftliche Vision, der sich „Wunderschöner“ zweifellos verpflichtet fühlt, über deren Erfolgschancen er sich jedoch erstaunlich wenig Illusionen macht.

Erst kurz vor Schluss versucht der Film, hie und da gegenzusteuern. Auf Tröstungen wie „Wenn du am Boden liegst, steh wieder auf“ oder „Was zerbrochen ist, lässt sich zusammenkleben“ kann eine Gesellschaft nicht so ohne weiteres verzichten. Nachhaltig in Erinnerung bleiben jedoch andere, weniger kalenderspruchtaugliche Bilder. Zum Beispiel wenn gleich mehrmals Menschen zu sehen sind, die sich in Kloschüsseln erbrechen.

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