Serie | USA 2025 | 299 (6 Folgen) Minuten

Regie: Peter Berg

1857 reisen eine Mutter und ihr Sohn durch das Utah-Territorium Richtung Kalifornien. Eine von Brigham Young angeführte Mormonen-Miliz führt hier Krieg gegen die US-Army, die wiederum in ständigen Konflikt mit den indigenen Völkern verwickelt ist. Zwischen Schlamm und Eingeweiden entwirft die Serie in Farben und Freuden verneinenden Bildern ein brutales Abbild der Frontier, das dem entstehenden und zugleich expandierenden US-Amerika mit einem guten Gespür für Western-Genre-Archetypen, aber auch mit einer allzu großen Portion Männlichkeits-Kitsch jegliche religiöse, moralische und ideologische Harmonie aberkennt. - Ab 18.
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Filmdaten

Originaltitel
AMERICAN PRIMEVAL
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2025
Produktionsfirma
Film 44/Grand Electric
Regie
Peter Berg
Buch
Mark L. Smith
Kamera
Jacques Jouffret
Schnitt
Hugo Diaz · Jon Otazua · Art Jones · Jeffrey M. Werner
Darsteller
Saura Lightfoot-Leon (Abish Pratt) · Taylor Kitsch (Isaac) · Jai Courtney (Virgil Cutter) · Shea Whigham (Jim Bridger) · Betty Gilpin (Sara Rowell)
Länge
299 (6 Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 18.
Genre
Serie | Western
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Eine düstere Western-Serie: 1857 toben im Utah-Territorium gnadenlose Konflikte. Eine Siedlerin auf dem Weg nach Kalifornien gerät in die brutalen Auseinandersetzungen von US-Armee, indigener Bevölkerung, Mormonen und Emigranten auf der Suche nach Heimat.

Diskussion

Die amerikanische Urzeit, auf die der Titel der Serie verweist, ist eigentlich ein Ort. Obschon „American Primeval“ sich geschichtlich ziemlich exakt im Herbst 1857 verortet, ist es doch das Utah-Territorium, das hier die Vorzeit definiert. Utah ist der Ort, an dem sich Schlamm, Eingeweide und Blut zu der amerikanischen Ursuppe mischen, die die Western-Serie präsentiert.

Eine E-Gitarre kratzt im Hintergrund, als Sara Rowell (Betty Gilpin) und ihr Sohn Devon (Preston Mota) den Bahnhof und die letzten Momente des zivilisierten Miteinanders hinter sich lassen. Schon in Fort Bridger ist die Zivilisation nur noch eine im blutigen Matsch ertrinkende Idee. Wohin man blickt, werden Tiere geschlachtet und ausgeweidet, ihre Eingeweide gekocht, Haut und Fell abgezogen. Eine Vorschau auf das, was jenen blüht, die hier ihr Glück suchen, seien es die Mormonen, die dem Ruf ihres Präsidenten und Propheten Brigham Young (Kim Coates) folgen, den Trappern und Jägern oder den indigenen Völkern der Schoschonen und der Paiute, die hier zu überleben versuchen. Erschossen, skalpiert, niedergemetzelt, vergewaltigt und schließlich tot, sind die Völker, Volks- und Religionsgruppen gewissermaßen alle gleichrangige Datensätze des ziemlich konsequent rechnenden Todes-Algorithmus, den die Serie in Gang setzt.

Das Gesetz der Gewalt

Für Sara und ihren Sohn Devon, die im Zentrum der Geschichte stehen, kommt das alles nicht unerwartet, aber diese Etappe der Frontier ist, das macht „American Primeval“ schnell klar, eine besonders grausige. Der erste Mann, den Sara als Geleitschutz angeheuert hat, taucht gar nicht erst auf. Der zweite kriegt unprovoziert die Kugel eines Verrückten ins Herz, kaum dass Sara und ihr Sohn das Zwischenziel, Fort Bridger, erreicht haben. Besagter Täter hängt bald am Tor des Forts und damit auch als Erinnerung an das Gesetz der Gewalt, das hier gilt, mit im Bild.

Jim Bridger (Shea Whigham), das gutherzige Rauhbein, das den in Blut und Schlacke versinkenden Vorposten der Zivilisation leitet, empfiehlt, die Reise abzubrechen. Als Sara hartnäckig bleibt – die Reise zum Vater ihres Sohns scheint allen Maßstäben nach die letzte Chance beider zu sein –, schlägt Bridger den Einsiedler Isaac (Taylor Kitsch) als letzte Option vor: der sei immerhin weder ein Mörder noch ein Vergewaltiger. Der von Trauma und Krieg gezeichnete Isaac hat wenig Interesse, die allzu gefährliche Mission zu übernehmen, kann aber, als Sara und Devon drohen, Opfer eines Massakers zu werden, nicht umhin, seine empathische Seite wiederzuentdecken und beide doch zu retten.

Blut, Eingeweide und Heroismus

Das (historisch verbriefte) Mountain-Meadows-Massaker, bei dem 120 Emigranten auf dem Weg nach Kalifornien von einer einheimischen Mormonen-Miliz und ihren Paiute-Helfern ermordet wurden, steht im Mittelpunkt des Uramerikas, das Showrunner Mark L. Smith und Regisseur Peter Berg entwerfen. Achtlos metzelt die Miliz Männer, Frauen und Kinder nieder, alle, die Teil des Wagenzugs sind. Neben Sara und Devon überleben auch der Mormone Jacob Pratt (Dane DeHaan) und seine Frau Abish (Saura Lightfoot-Leon). Er mit halb skalpiertem Schädel, sie als Gefangene des Paiute-Kriegers Red Feather (Derek Hinkey). In den dazugehörigen entsättigten Winterpanoramen, in den Bildern, die alle Farben und Freuden verneinen, gelingt „American Primeval“ durchaus die eine oder andere packende Konfrontation. Die gegerbten, furchigen und entstellten Gesichter des Westens und die zu ihnen gehörigen harten und unerbittlichen Menschen, die hier zu überleben versuchen, sind auch ohne tiefgehende Reflexion von Gewalt faszinierend.

Berg und Smith können Schneid und Schmerz, Blut und Eingeweide und den Heroismus, der in den unwahrscheinlichsten Momenten triumphiert (und auch hier sind alle Beteiligten, ob Mann, Frau, Mormonin, Trapper oder Paiute-Krieger gleichrangig). Was die Western-Serie nicht kann und nicht will, ist ein größeres Narrativ. Der Captain der US-Army-Kompanie, der zumindest um eine Form der Ordnung bemüht scheint, ist der Einzige, der hier Buch führt. Zumindest im historischen Sinne, den die Serie regelmäßig, aber eben doch vage in Erinnerung ruft. Die Prosa, die er in sein Notizbuch kritzelt und im Voice-Over über die Bilder der Gewalt legt, sucht die Schönheit des Westens, die Liebe, die sich allzu gut hinter dem Schlachten und dem Metzeln zu verbergen vermag.

Das Gewehr schreibt die Geschichte

Tatsächlich ist die zentrale Szene der Serie um einen Tagebucheintrag konstruiert, der von einem Angriff auf das Army Camp unterbrochen wird. Genauer, symbolischer und eben auch plumper gesprochen: der Captain versucht zu schreiben, bis eine Kugel ihm den Finger von der Hand fetzt. Nicht die Feder schreibt hier Geschichte, sondern das Gewehr. Und diese Geschichte hat keinen Platz für Sentimentalität. Die, die töten können, unterwerfen die, die es nicht können. „American Primeval“ verweigert seiner uramerikanischen Soziosphäre nahezu jede Form einer religiösen, moralischen oder zwischenmenschlichen Übereinkunft.

Das geht so weit, dass der MacGuffin der Serie ein erfolgreicher Siedler ist, von dem wir bis zum Ende nicht wissen, ob er überhaupt existiert oder am Leben ist. Nach Westen ziehen, die Freiheit und den Erfolg finden ist in Mark L. Smiths Amerika, und damit knüpft er vielleicht irgendwie tatsächlich an eine Idee der Gegenwart an, alles andere als eine Gewissheit. Die Poesie, die Smith und Berg ihrem Dog-Eat-Dog-Fatalismus unterzujubeln versuchen, kommt aber dem Gesamtgestus entsprechend eher als affektierter Harter-Mann-Kitsch denn als affektives Crescendo daher. Der Krieger, der, seinen toten Sohn im Arm haltend, stirbt, und der Ehemann, der die Ehefrau im Versehen und sich selbst mit Absicht erschießt, sind bitter-pathetische Gleichnisse, die weniger kathartische Gerechtigkeit oder tragische Endgültigkeit formulieren, als schlicht der thematische Notausstieg einer Serie sind, der der Schlamm der Frontier-Geschichte am Stiefel klebt, die sich aber nie ganz sicher ist, was das mit Amerika zu tun hat.

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