A Very Royal Scandal
Drama | Großbritannien 2024 | 188 (3 Folgen) Minuten
Regie: Julian Jarrold
Filmdaten
- Originaltitel
- A VERY ROYAL SCANDAL
- Produktionsland
- Großbritannien
- Produktionsjahr
- 2024
- Produktionsfirma
- Blueprint Pictures
- Regie
- Julian Jarrold
- Buch
- Jeremy Brock
- Kamera
- Felix Wiedemann
- Musik
- Adrian Johnston
- Schnitt
- Mark Davis
- Darsteller
- Michael Sheen (Prinz Andrew) · Ruth Wilson (Emily Maitlis) · Joanna Scanlan (Amanda Thirsk) · Alex Jennings (Sir Edward Young) · Éanna Hardwicke (Stewart MacLean)
- Länge
- 188 (3 Folgen) Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Drama | Serie
- Externe Links
- IMDb | JustWatch
Miniserie um das selbstentlarvende BBC-Interview des britischen Prinzen Andrew, das seinem Ansehen erheblichen Schaden zufügte.
Die Mitglieder der britischen königlichen Familie führen ein reibungsloses Leben. Sie verpassen nie ihren Zug – denn der Zug wartet auf sie. Sie müssen ihre eigenen Koffer nicht packen, ihre Rechnungen nicht bezahlen. Sie brauchen sich um nichts zu kümmern, denn alles wird für sie organisiert. Das, betont der PR-Chef des Buckingham Palace in einer wichtigen Unterredung, mache sie manchmal realitätsfern, naiv oder sogar arrogant. Kein Wunder also, dass der Lieblingssohn von Königin Elisabeth II., Prinz Andrew, der mit dem Sexualstraftäter Jeffrey Epstein befreundet war, offenbar meinte, über dem Gesetz zu stehen. Er hielt sich für unantastbar und dachte, dass ihm schon nichts passieren werde, wenn er im Staatsfernsehen abstritt, mit einer Minderjährigen Sex gehabt zu haben, die Epstein ihm mutmaßlich zugespielt hatte. Der Royal hatte zugestimmt, dem von der BBC produzierten TV-Politmagazin „Newsnight“ ein Interview über die Epstein-Affäre zu geben. Und das, obwohl die PR-Strategen der Queen und andere ihm ausdrücklich davon abgeraten hatten.
Bürgerliche Journalistin vs. Prinz
In der dreiteiligen Miniserie „A Very Royal Scandal“, die als Aufarbeitung eines realen (Medien-)Skandals an „A Very English Scandal“ und „A Very British Scandal“ anschließt, werden die Vorbereitungen des geschichtsträchtigen Interviews mit Prinz Andrew im November 2019 sowie das Gespräch selbst aufgerollt. Doch auch das Nachspiel wird detailreich geschildert: Prinz Andrew fiel in Ungnade und wurde seiner Titel und Pflichten enthoben. Viele der dargestellten Begebenheiten sind nachprüfbar, andere wiederum aus Gründen der dramatischen Zuspitzung erfunden. Doch beide Erzählstrategien dienen der Charakterisierung der beiden sehr unterschiedlichen Kontrahenten, die in diesem die Ereignisse fiktionalisierenden Mehrteiler im Mittelpunkt stehen: die bürgerliche TV-Journalistin Emily Maitlis (Ruth Wilson) und der blaublütige Prinz (Michael Sheen).
Die öffentliche Unterredung selbst offenbarte einen selbstgefälligen Prinzen mit echten oder behaupteten Gedächtnislücken, dem die Tragweite seiner Verstrickung in Epsteins kriminelle Machenschaften – auch jenseits der ihn selbst betreffenden Missbrauchsvorwürfe – und seine eigenen moralischen Verfehlungen offenbar nicht klar waren. Auf konkrete Vorwürfe vonseiten der mutmaßlich Geschädigten Virginia Giuffre konterte der Duke of York mit Ausreden und (Pseudo-)Alibis, die mittlerweile in die britische Folklore übergegangen sind, etwa, dass er aufgrund eines Traumas vom Falkland-Krieg nicht schwitzen könne. Zur vom mutmaßlichen Opfer angegebenen Tatzeit wiederum habe der an Edelrestaurants Gewöhnte bodenständig in einem Pizza-Express mit seinen Töchtern gespeist.
Ohne jede kritische Selbstreflexion
Diese Zitate von Prinz Andrew sind verbürgt, das echte Interview jederzeit auf YouTube abrufbar. Auch dort sieht man, wie der Royal sich physisch und verbal windet, wie ihm eine wahre Selbstreflexion jedoch abgeht. Die Miniserie arbeitet die Selbstzufriedenheit eines Menschen heraus, der nie Verantwortung übernehmen musste und sich mal zum Helden, mal zum Opfer stilisiert.
Michael Sheen spielt ihn mit einer Mischung aus Selbstgefälligkeit und Jovialität, stattet ihn aber auch mit gröberen Zügen aus. Seine ihm treu ergebene PR-Beraterin Amanda Thirsk (Joanna Scanlan) sowie andere Angestellte behandelt er mitunter wie menschliche Fußabtreter, kanzelt einen Berater sogar mit „Verpiss dich“ ab, nachdem dieser ihn auf das kompromittierende Foto mit Virginia Giuffre aufmerksam gemacht hat. Sein herrschaftliches Anwesen Royal Lodge in Windsor mit seinen ausladenden, plüschig-prunkig eingerichteten Räumen und dem dazugehörigen prächtigen Grundstück wird als dekadente Blase gezeigt; wenn der Prinz sich langweilt oder etwas verdrängen will, geht er Golf spielen oder jagen – letzteres auch an dem Sonntag, als das Interview ausgestrahlt wird.
Die Serie inszeniert Emily Maitlis als geerdete Kontrastfigur dazu. Die gewissenhafte Journalistin wohnt mit Ehemann, zwei Söhnen und einem Hund in ihrem Haus in London. Manchmal recherchiert sie bis spät in die Nacht, und darunter leidet auch ihr Ehe- und Familienleben. Die wie immer großartige Ruth Wilson gibt Maitlis als ehrgeizige Macherin – eine stets erreichbare Multitaskerin, die wenig isst, regelmäßig joggt und etwas bewegen will. Dafür arbeitet sie eng mit ihren Kollegen zusammen. Im Unterschied zum Prinzen kann Maitlis’ kleines BBC-Team die Brisanz des Interviews einschätzen. Die Reporter wollen aufklären und müssen sich doch gewissen Vorgaben des Buckingham-Palasts beugen. Dort benehmen sie sich in der Vorbesprechung des Interviews wie brave Untertanen, die den Royal ehrfürchtig mit seinem offiziellen Titel ansprechen und von den prachtvollen Tassen schwärmen, aus denen sie ihren Tee schlürfen.
Etwas zu weit Richtung Karikatur
So pendelt „A Very Royal Scandal“ zwischen den Privatpersonen Maitlis und Prinz Andrew sowie verschiedenen Zeitebenen hin und her. In Rückblenden wird Andrews Beziehung zu Epstein geschildert, den der Prinz auch nach dessen Verurteilung als Sexualstraftäter aufsuchte, um sich bei ihm Geld für seine in Schwierigkeiten geratene Ex-Ehefrau Fergie zu besorgen. Auch die Vorbereitungen des Interviews auf beiden Seiten zeigen die Serienmacher (Regie führte Julian Jarrold). Bei der BBC sind sie Teamarbeit. Dabei wird auch gestritten, doch letztendlich geht es um die Sache und ziehen die Journalisten an einem Strang. Die Entourage von Prinz Andrew besteht dagegen fast nur aus Claqueuren. Andrews Mädchen für alles, Amanda Thirsk, hält den Laden zusammen, während der Prinz einen kritischen Berater feuert. Wenn Andrew ihr oder anderen Untergebenen Fragen stellt, möchte er nur, dass sie ihn als Person bestätigen und seine Ängste oder Zweifel zerstreuen.
Manchmal führt die Zeichnung von Andrew, den Michael Sheen mit Wonne als eitlen „Mummy’s Boy“ gibt, allerdings auch allzu weit in die Karikatur. Die Serie lässt kein gutes Haar an ihm, zeigt ihn als mit einem goldenen Löffel im Mund geborenes Upper-Class-Abziehbild ohne Hemmungen, soziales Bewusstsein oder Bezug zur Realität. Eine klassenkämpferische Simplifizierung, die bewirkt, dass der Figur die Tiefe fehlt. Zwar erlebt man Andrew auch als liebevollen Vater, doch allmählich entfremden sich die Töchter von ihm. Und auch in der Charakterzeichnung seiner Kontrahentin wird die Serie bisweilen überdeutlich: Im dritten Teil geraten einige Monologe oder laut angestellte Überlegungen Emilys, nicht zuletzt über eigene Fehler, zu augenfällig; ihre Vergangenheit als von einem Stalker traumatisierte Frau rückt immer mehr in den Fokus, was ihre Motivation, es mit Prinz Andrew investigativ aufzunehmen, sehr eindimensional ausbuchstabiert.
Einblicke in die königliche Familie
Punkten kann der Mehrteiler dagegen mit Einblicken in die königliche Familie und in die Konkurrenz zwischen dem zweitgeborenen Sohn Andrew und seinem ungeliebten Bruder, dem Erstgeborenen Charles. Ersterer wird nie etwas zu sagen haben, und zweiterem wird nie die mütterliche Gunst von Elisabeth II. zuteil. In einem geschickten erzählerischen Schachzug erlebt man die Queen und den Thronfolger allerdings nur über das Telefon, erstere sogar ohne Stimme – dann kann man die Worte der Monarchin nur an den Reaktionen Andrews erraten. Ein Running Gag besteht darin, dass Andrew sich wiederholt auf seinen Status als Kriegsveteran beruft. Einmal spielt er dies bei einer Beschimpfung seines Bruders in dessen Abwesenheit aus: „Ich habe im Falkland-Krieg gekämpft, während Charles seine Mätresse gevögelt hat!“
Interessant ist auch, dass „A Very Royal Scandal“ sich in manchem inhaltlichen Detail von dem Vorgängerfilm über dasselbe Thema, „Scoop – Ein royales Interview“, unterscheidet. Welches Autorenteam die wahren Insider-Informationen ergattert hat, sei dahingestellt. Zwar gerät dieses kurzweilige und gut gespielte Stück Fernsehen weniger in Seifenoper-Fahrwasser als der Branchenprimus über die Royals, „The Crown“, kann aber nicht ganz mit der Spannung von „Scoop“ mithalten. Jenes TV-Drama hatte das Zusammentreffen von Maitlis und Prinz Andrew um einiges kompakter als eine Art modernes Duell inszeniert.