Universal Language
Drama | Kanada 2024 | 89 Minuten
Regie: Matthew Rankin
Filmdaten
- Originaltitel
- UNE LANGUE UNIVERSELLE
- Produktionsland
- Kanada
- Produktionsjahr
- 2024
- Produktionsfirma
- Metafilms
- Regie
- Matthew Rankin
- Buch
- Ila Firouzabadi · Pirouz Nemati · Matthew Rankin
- Kamera
- Isabelle Stachtchenko
- Musik
- Amir Amiri · Christophe Lamarche-Ledoux
- Schnitt
- Xi Feng
- Darsteller
- Rojina Esmaeili (Negin) · Saba Vahedyousefi (Nazgol) · Matthew Rankin (Matthew) · Pirouz Nemati (Massoud) · Mani Soleymanlou (Iraj Bilodeau)
- Länge
- 89 Minuten
- Kinostart
- 23.01.2025
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Drama | Komödie
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Absurde Komödie um einen Mann, der in seine Heimatstadt Winnipeg zurückkehrt, wo alle Menschen plötzlich Farsi sprechen.
Ein Mann kommt nach Hause. Er lässt Quebec und den dort ausgeübten Verwaltungsjob hinter sich. Sein Zuhause ist Winnipeg. Das aber ist nicht die Hauptstadt von Alberta, wie sein ehemaliger Arbeitergeber mit cholerischer Beharrlichkeit behauptet. Winnipeg ist vielmehr die Hauptstadt von Manitoba. Doch das Winnipeg in „Universal Language“ ist nicht Winnipeg. Jedenfalls nicht nur. Winnipeg ist auch Teheran. Amtssprache ist weder Englisch noch Französisch, sondern Farsi. In der ersten Szene des Films hört man es aus einem Klassenraum, in dem Papierflieger und Fetzen fliegen, bis der sich verspätende Lehrer (Mani Soleymanlou) auftaucht und die Kinder zusammenstaucht, sie sollten ihren Quatsch gefälligst auf Französisch machen.
Winnipeg, Teheran & Matthew Rankin
Als mit Omid (Sobhan Javadi) eine Schülerin sogar noch später kommt als er, und das auch noch ohne Brille, reicht es ihm. Die Klasse wird in die Kammer verbannt und vom Unterricht ausgeschlossen, bis Omid eine neue Brille hat. Statt der alten Brille finden ihre Schulfreundinnen einen im Boden eingefrorenen 500-Riel-Schein; der iranische Rial wird hier zu Ehren des Winnipeg-Revolutionärs Louis Riel umbenannt. Der Fund ist nur einer von drei Handlungssträngen, die Teheran mit Winnipeg und den Film mit der Biografie des Regisseurs Matthew Rankin verbinden.
Bevor Rankins Alter Ego, dieser mal Matthew, mal Agha genannte und von ihm selbst gespielte Mann, Teil der Handlung wird, scheint er in der eigenen Heimat erst einmal verloren. Die Autobiografie, die der kanadische Filmemacher hier mit präzise geplanter Unordnung auf die Leinwand klatscht, ist keine linear gezeichnete Herkunftsgeschichte, die von Teheran nach Winnipeg oder von einer Lebensstation zur nächsten führt. In seinen bizarren Tableaus ist „Universal Language“ immer alles auf einmal. Teheran ist Winnipeg, Winnipeg ist Teheran, der beige Bezirk der einen Stadt ist der graue Bezirk der anderen und eigentlich auch gar nicht zu unterscheiden vom braunen Bezirk.
Wo auch immer sich die Menschen befinden, stapfen sie mit Mühe durch den kanadisch-iranischen Schnee. Man kommt schwer voran in der Welt von Matthew Rankin. Einer Welt, die trotz unendlicher Vorräte an Schnee nie genug Licht und einen nie allzu weit von der Farbpalette der fiktiven Bezirke abweichenden Anstrich hat.
Gags & Kalauer
Neben den Kindern, die in den eingeschneiten Brutalismus-Bauten ihrer Schule Modefotograf, Eselzüchter oder Groucho Marx spielen, bevor zwei von ihnen den Riel-Schein finden, ist es ein Touristenführer (Pirouz Nemati), der durch die berühmten Orte des Rankin’schen Winnipeg/Teheran-Amalgams führt. Die Stationen der Tour: eine Bushaltestelle, an der 1978 jemand einen Aktenkoffer vergaß, aus dem nun Moose und Gräser wachsen, sowie eine der ersten Wohnanlagen des beigen Bezirks, in dem nie berühmte Menschen gewohnt haben, dafür aber Unbekannte wie der Verwaltungsassistent Siavash Yazdanmehr oder die Faxgerätbedienerin Aidin Firouzabadi. Das Highlight ist das Grab von Louis Riel, das, eingeklemmt zwischen zwei Highway-Spuren, nach einer 30-minütigen Schweigeminute verlangt.
Die Filmkritik hat in Rankins Kompositionen längst eine Nähe zur verspielten Kontrollsucht von Wes Anderson und die vom Leben erschöpfte Bitterkeit eines Roy Andersson ausgemacht. Was die ästhetische Statik des iranischen Winnipegs beziehungsweise des kanadischen Teherans noch mehr prägt, ist die scheinbar unendliche, an die entschleunigte Version einer Zucker-Abrahams-Produktion erinnernde Dichte laborierter Gags und schlichter Kalauer. Erstaunlich daran ist weniger, wie viele der staubtrockenen Witze zünden, sondern wie viele Möglichkeiten Rankin mit seinem bizarren Humor auszuschöpfen und wie viele Identitätsentwürfe und Narrative er zu verbinden weiß.
Die andere Seite der Welt ist plötzlich nur noch einen imaginären Häuserblock entfernt und der eigene Werdegang nicht in eine Chronologie gezwungen, sondern – und da ist sie der Zukunft nicht ganz unähnlich – als verwaiste Mall manifestiert, in der eine Nulltoleranz-Politik gilt, die das Herumlungern untersagt.
Damit man sich nicht erkältet
Rankin sucht sich selbst in den melancholischen Abgründen der Bizarro-Welt seines eigenen Zuhauses. Doch das Selbst hat sich gut versteckt zwischen Kleenex-Wänden, Autobahnfriedhöfen und Rod-Peeler-Werbeplakaten. So sehr man sich auch in den Absurditäten dieses Winnipegs verlieren kann, so herzlich stehen einem seine Einwohner mit ihrer cholerischen Gutmütigkeit zur Seite, mit hemmungsloser Anteilnahme oder unfassbar komplizierten Wiedergutmachungsgesten. Sie reichen einem Tee zum Eis, damit man sich nicht erkältet, sie kümmern sich um die Mutter, die man viel zu selten anruft, oder stricken einfach ein Paar Socken. Sie sprechen eine universelle Sprache, die man so nur auf dem Planeten Rankin spricht. Und die bezaubernd klingt.