Tracing Light - Die Magie des Lichts
Dokumentarfilm | Deutschland/Großbritannien 2024 | 104 Minuten
Regie: Thomas Riedelsheimer
Filmdaten
- Originaltitel
- TRACING LIGHT
- Produktionsland
- Deutschland/Großbritannien
- Produktionsjahr
- 2024
- Produktionsfirma
- Filmpunkt/Sonja Henrici Creates
- Regie
- Thomas Riedelsheimer
- Buch
- Thomas Riedelsheimer
- Kamera
- Thomas Riedelsheimer
- Musik
- Gabby Fluke-Mogul · Fred Frith
- Schnitt
- Thomas Riedelsheimer
- Länge
- 104 Minuten
- Kinostart
- 16.01.2025
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Zwischen Poesie und Wissenschaft versucht ein bildmächtiger Dokumentarfilm den Geheimnissen des Lichts auf die Spur zu kommen.
Um eine tiefere Durchdringung von Welt ist es dem Filmemacher Thomas Riedelsheimer immer schon gegangen. „Rivers and Tides“ und „Leaning into the Wind“ beschäftigten sich mit dem Land-Art-Künstler Andy Goldsworthy und drehten sich um Natur und Vergänglichkeit. In „Touch of Sound“ stand das Hören im Zentrum. „Breathing Earth: Susumu Shingu’s Dream“ war eine meditative Erkundung von Raum und Zeit. Der Dokumentarfilmer versteht es dabei, seine anspruchsvollen Erkundungen emotional zugänglich zu gestalten.
Das Licht und die Dunkelheit
In „Tracing Light“ streift Riedelsheimer eine kurze Szene eher beiläufig. Die Gesprächspassage mit dem freundlich-nervösen Physiker Pascal Del’Haye droht beinahe unterzugehen, doch das Gesagte und das filmisch in Szene Gesetzte verbinden sich so miteinander, dass ihr Nachhall weit über das Filmende hinaus fortwirkt. „Richtige Dunkelheit gibt es eigentlich gar nicht“, sagt der Wissenschaftler da auf die Frage, was eigentlich mit dem Licht passiert, wenn es auf ein Schwarzes Loch trifft. Mit den Schwarzen Löchern beschäftigt sich die theoretische Physik schon seit Jahrzehnten; einen wichtigen Beitrag zur Popularisierung des Phänomens stammte von dem Physiker Stephen Hawking.
In „Tracing Light“ räsoniert Del’Haye nun, dass bei bestimmten virtuellen Teilchenpaarungen, deren Anziehungskraft extrem weit reiche, Informationen aus dem Schwarzen Loch durchaus wieder hinausgelangen könnten. Ein Befund, der, träfe er zu, von äußerst großer philosophischer Tragweite wäre, da er Grundsatzfragen nach Determinismus, den Grenzen der Erkenntnis und dem Verständnis der Wirklichkeit aufwirft. Aus der Frage nach dem Licht im Schwarzen Loch wird so eine für manchen durchaus tröstliche Aussage nach dem Verhältnis von Leben und Tod, Sein und Nichtsein.
Sonnenstrahlen fluten das Treppenhaus
Doch auch jenseits solcher großen Fragen findet „Tracing Light“ zunächst ganz direkte, geerdete Bilder, die der Filmemacher in seiner Wohnung aufnimmt. Das eigene Treppenhaus wird an einem sonnigen Aprilmorgen zu einer regelrechten (Licht-)Bühne. Entlang harter Schatten flirren Regenbogenfarben über die Wand. Auch am Rande des Badezimmerspiegels bricht sich das Licht in fantastischen Farben und offenbart einen enormen visuellen Zauber, den Riedelsheimer mit seiner Kamera einfängt, wobei außerhalb des Fokusbereiches Unschärfescheibchen tanzen. „In einem schwarzen Kasten mit kleinem Loch spielen alle unsere Geschichten“, heißt es wenig später. Das ist auch als Metapher auf das Kino zu verstehen, der Lichtkunst schlechthin, mit ihrem Wechselspiel aus Licht und Schatten.
Riedelsheimer will in „Tracing Light“ leichtfertige Überzeugungen davon, was Licht sei, unterlaufen und scheinbar eindeutige Vorstellungen behutsam hinterfragen. Die Beschreibung, wie sich das Morgenlicht eines Sonnenaufgangs auf eine Landschaft legt, erscheint in „Tracing Light“ fast als Lebensaufgabe. So fertigt die Licht-Künstlerin Julie Brook in abgelegenen schottischen Landschaften großformatige skulpturale Arbeiten im Freien an, wobei sie Fotografie und Film als Teil ihres Arbeitsprozesses einsetzt. Bei Riedelsheimer ist die Technik und das Medium des Films ein Mittel, um das geheimnisvolle Faszinosum des Lichts aufzuschließen. Ob per Lochkamera, die in den Kunstdokumentationen von Julie Brook Anwendung findet, oder in Form eines Hochleistungsbildsystems, mit dem an der Universität Glasgow die Ausbreitung von Licht pikosekundengenau untersucht wird.
Der Sichtbarkeit auf der Spur
Die vermeintliche Vertrautheit mit Licht erweist sich als trügerisch. Je genauer man darüber nachdenkt und je näher man hinguckt, desto weniger versteht man das Phänomen. Um etwa den exakten Weg, den das Licht von einem Punkt A zu Punkt B im Raum nimmt, vorherzusagen, bedarf es exakter Messungen mit einer supersensiblen Kamera, die eine präzise Zeitauflösung von Lichtimpulsen ermöglicht. So erfährt man, dass das Licht bei seiner räumlichen Ausbreitung unvorhergesehene Pfade einschlägt. Auf unerwartete Weise erzählt das Licht richtiggehende Geschichten.
Riedelsheimer folgt diesen mysteriösen Pfaden über 100 Filmminuten hinweg, indem er sich etappenweise der Arbeit unterschiedlicher Forscher und Künstler widmet. Etwa dem Künstlerduo Semiconductor. Die beiden Briten Ruth Jarman und Joe Gerhardt beschäftigen sich an der Schnittstelle von Wissenschaft und Technologie mit der menschlichen Erfahrung. Der Akt des (Licht-)Messens wird bei ihnen zur Kunstform und offenbart nebenbei ein paradoxes Phänomen der Quantenphysik: „Licht merkt, dass es beobachtet wird, und verwandelt sich dabei.“
Oben am Kopf, unten an den Füßen
Diesen Beobachtungseffekt beschäftigt in „Tracing Light“ auch das deutsche Künstlerduo Johannes Brunner und Raimund Ritz. Der Bildhauer und der Komponist entwerfen für das Max-Planck-Institut in Erlangen eine hängende Skulptur, die aus einer pechschwarzen Kugel besteht, welche durch ihre besondere Beschichtung das Licht zu schlucken scheint, fast wie ein Schwarzes Loch. Beim Beobachten dieser „Black Hole Sun“ stellt sich ein Gefühl des Staunens, aber auch der Unruhe und tiefer Bedrückung ein.
Das Verschwinden jeglichen Lichts kontrastiert Riedelsheimer dann mit der delikaten Zartheit und der Klarheit reflektierten Sonnenlichts. „Tracing Light“ zeigt auf ebenso informative wie unterhaltsame Weise, dass ein Verständnis von der Ausbreitung des Lichts zu einem tieferen Verstehen von Raum und Zeit beiträgt. „Oben am Kopf läuft die Zeit ein kleines bisschen schneller als unten an den Füßen“, lautet ein weiterer Physiker-Satz, der über seine lapidare Feststellung hinaus die Zuschauer auch lange nach dem Film noch begleitet.