Der Lehrer, der uns das Meer versprach
Biopic | Spanien 2023 | 106 Minuten
Regie: Patricia Font
Filmdaten
- Originaltitel
- EL MESTRE QUE VA PROMETRE EL MAR
- Produktionsland
- Spanien
- Produktionsjahr
- 2023
- Produktionsfirma
- Minoria Absoluta/Lastor Media/Filmax/ICEC/Mestres Films/TVE
- Regie
- Patricia Font
- Buch
- Albert Val
- Kamera
- David Valldepérez
- Musik
- Natasha Arizu del Valle
- Schnitt
- Dani Arregui
- Darsteller
- Enric Auquer (Antoni Benaiges) · Laia Costa (Ariadna) · Luisa Gavasa (Charo) · Ramón Agirre (Emilio) · Gael Aparicio (Carlos)
- Länge
- 106 Minuten
- Kinostart
- 06.02.2025
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Biopic | Drama | Literaturverfilmung
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Biografisches Drama über den katalanischen Reformpädagogen Antoni Benaiges, der wenige Jahre vor dem Spanischen Bürgerkrieg seine Schüler zu selbstständigem Denken anleitete.
In der sandigen Erde liegen Knochen, dazwischen ein Kamm, eine Halskette, ein Schlüssel. Mechanisch fährt die Kamera über die menschlichen Überreste und über die behandschuhten Hände, die sie mit Pinseln freilegen und mit Maßbändern vermessen; auch über auf der Erde liegende Schilder mit Nummern. Es sind viele. Im nordspanischen Burgos wird ein Massengrab freigelegt. Unter den Angehörigen, die darauf hoffen, endlich die Gebeine ihrer im Bürgerkrieg verschwundenen Vorfahren zu finden, ist auch Ariadna. Die Suche nach den Überresten ihres Urgroßvaters ist in „Der Lehrer, der uns das Meer versprach“ Rahmen und Anlass für eine Erzählung, in der dann aber eine ganz andere Figur im Zentrum steht: der Reformpädagoge Antoni Benaiges.
Die autoritäre Erziehung aufgemischt
Der gebürtige Katalane kam 1934 als Dorflehrer an die Grundschule von Bañuelos de Bureba in Burgos, wo er die autoritäre Erziehung aufmischte. Zu seinen ungewöhnlichen Unterrichtsmethoden zählten etwa die Druckerpresse und andere Techniken des französischen Pädagogen Célestin Freinet. Neben seiner reformpädagogischen Arbeit war Antoni Benaiges einer der prominentesten Autoren der linken Wochenzeitung „La Voz de la Bureba“, was unter Franco das Todesurteil bedeutete.
Nur wenige Tage nach dem Staatsstreich wurde er verhaftet; seine Hinrichtung durch Falangisten-Milizen am 25. Juli 1936 ist dokumentiert. Bis heute konnten seine sterblichen Überreste nicht identifiziert werden. Der Nachwelt sind einzig ein paar Exemplare seiner gemeinsam mit den Schüler:innen angefertigten Zeitungen geblieben, darunter auch ein Heft mit dem Titel „El mar“ („Das Meer. Wie es sich Kinder vorstellen, die es noch nie gesehen haben“).
Wie Fremdkörper liegen die beiden Zeitschienen im Film nebeneinander. In der Rahmenhandlung forscht die Enkelin, deren Großvater ein Schüler von Benaiges war, nach Zeugnissen. Pflichtschuldig und mit den üblichen Versatzstücken der Bebilderung – Gänge in die Bibliothek, auf dem Boden ausgebreitete Papiere – handelt Regisseurin Patricia Font den Gegenwartsstrang ab. Die Kraftlosigkeit der Inszenierung spiegelt sich dabei auch im bekümmerten Gesicht Ariadnas: eine Figur, über die man abseits ihrer Mutterschaft wenig mehr erfährt als eine wiederholt erwähnte, aber nicht näher ausgeführte „Krankschreibung“.
Ein eigenes Denken entwickeln
Mehr Energie investiert die Regisseurin in die Rückblende. Zwar gibt es auch hier einen Hang zum Formelhaften, und das Schulgeschehen hat wenig Raum, sich über das Vermitteln der Lehrinhalte hinaus zu entfalten. Benaiges’ so insistente wie liebevolle Aufforderung, bestehende Regeln zu hinterfragen und ein eigenes Denken zu entwickeln, seine sich wie eine riesige Wundertüte präsentierende Lehre, die Neugier und Staunen in die Kindergesichter hineinzauberte, sorgen jedoch für eine gewisse Lebendigkeit.
So einfühlsam wie idealisierend zeichnet der Film das Porträt eines grundgütigen, aber doch bestimmt auftretenden Mannes, der als erste Amtshandlung das Kruzifix im Klassenzimmer abhängt, womit er den Gemeindepfarrer gegen sich aufbringt. Der hetzt ihm die Schulaufsicht auf den Hals. Die Visite wird für den Lehrer jedoch zum stillen Triumph. Seine Schüler können nicht nur lesen, schreiben und rechnen, sie sind auch kleine Redakteure, Chronistinnen, Poeten. Der Schulbeauftragte staunt nicht schlecht, als er die von den Kindern geschriebenen und mit Holzschnitten illustrierten Hefte in die Hände bekommt. Darunter ist auch das Journal über das Meer, jenes große, tiefe Gewässer, das keines der Kinder je gesehen hat und zu Benaiges’ engagierter Initiative führt, eine Klassenfahrt an die Küste zu organisieren.
Gerade als es ihm gelungen ist, die Widerstände der Eltern zu zerstreuen, kommen Francos Faschisten an die Macht. Die geschockten Kinder müssen nun zusehen, wie ihr halbtot geschlagener Lehrer von Uniformierten auf einem Karren verschleppt wird.
Gedenken an die Verschwundenen
Der Film will ein Appell an Humanismus, Entdeckungsfreude und kritisches Denken sein. Auch ein Gedenken an jene zahllosen im Bürgerkrieg verschwundenen Menschen, denen ein würdiges Begräbnis verwehrt wurde und nach deren Knochen noch immer gesucht wird. Verwunderlich ist nur, dass Benaiges’ unkonventionelle Lehrmethoden in der Form des Films so gar keine Spuren hinterlassen haben.