Wind - Die Vermessung des großen Luftozeans
Dokumentarfilm | Deutschland 2024 | 91 Minuten
Regie: Alexander Riedel
Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2024
- Produktionsfirma
- Pelle Film
- Regie
- Alexander Riedel
- Buch
- Alexander Riedel
- Kamera
- Alexander Riedel · Marcus Winterbauer · Sebastian Bolenius
- Schnitt
- Ursula Ambach
- Länge
- 91 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
Sachlicher Dokumentarfilm über das Wetterphänomen Wind und wissenschaftliche Einschätzungen seiner Bedeutung in Zeiten des Klimawandels.
Wind gibt es genug auf Spitzbergen. Wenn der Klimaforscher aus Deutschland aus seinem Geländewagen vor verschneiter Kulisse aussteigt, muss er den Böen seinen Körper entgegensetzen. Es sind Bilder großer Schönheit, die dem Zuschauer präsentiert werden: beim Flug über den namensstiftenden spitzen Bergen. Doch der Wissenschaftler ist nicht zum Vergnügen vor Ort: Von hier aus erforscht er die in der Arktis überdurchschnittlich rasch voranschreitende Klimaerwärmung.
Wie der Dokumentarfilm „Wind – Die Vermessung des großen Luftozeans“ von Regisseur Alexander Riedel nicht nur auf Spitzbergen herausarbeitet, gehört Wind seit jeher zu unserer Welt. Doch wie entsteht Wind, was beeinflusst ihn? Ohne Wind kann sich das Wetter nicht ändern. Natürlich geht es auch um den von Menschen beschleunigten Klimawandel und seine politischen Implikationen. Dieses ständig präsente Thema, das immer drängender wird, von dem viele aber nichts mehr wissen wollen.
Ausgewählte Standorte haben ihre Berechtigung
Es ist keiner dieser Filme, für den der Regisseur ohne erkennbaren Grund durch die Weltgeschichte reist. Die ausgewählten Standorte haben alle ihre Berechtigung: Neben Spitzbergen geht es nach Sri Lanka, wo sich Anbau und Ernte von Pflanzen nicht mehr planen lassen. Laut eines örtlichen Experten wird heftiger Wind zum Aussterben der Teeplantagen führen. In Namibia erläutert ein dort bekannter Meteorologe aus wissenschaftlicher Sicht die zunehmende Wasserknappheit des Landes.
Riedel, der seine Bilder mit einem sacht eingesprochenen Kommentar einordnet, begleitet auch das Forschungsschiff „Polarstern“ des Alfred-Wegener-Instituts nach Südafrika. Dort begegnen die Zuschauer einer Figur, die man sich auch in einem Spielfilm vorstellen könnte: ein chinesischer Wissenschaftler, der an Deck mit stoischer Akribie Luftproben nimmt, um sie auf gefährliche Schadstoffe zu untersuchen. In langen Einstellungen zeigt Riedel ihn bei seinen Verrichtungen, beim Essen in der Bordkantine, beim Training im kleinen Fitnessbereich – in dieser langsamen Schilderung vermittelt sich der Eindruck einer konzentrierten Einöde, eines wissenschaftlichen Ideals. Das Forschungsschiff wirkt hier wie ein mobiler Elfenbeinturm. Dabei hat das hier Erforschte sehr praktische Implikationen.
Die chemischen Prozesse hinter dem Wind
Regisseur Riedel lässt Wissenschaftler die chemischen Prozesse hinter dem Phänomen Wind erklären. Von ihnen ist ZDF-Meteorologe Özden Terli wohl der bekannteste. Er forschte für seine Diplomarbeit einst selbst auf der „Polarstern“. Terli weist in sozialen Netzwerken unermüdlich auf den klimapolitischen Handlungsbedarf hin. Dort erntet er neben viel Zuspruch auch viel Unkenntnis, oftmals auch bloßen Hass. Als Gesicht der öffentlich-rechtlichen Medien werden seine Schlussfolgerungen als politisch gewollt herabgewürdigt. Scheinbare Argumente, die vor Jahren schon entkräftet wurden, werden wieder und wieder reproduziert – auch der Begriff „Nebelkerzenwürfe“ fällt einmal.
Auch nach vielen Jahren Erfahrung ändert das aber nichts an Terlis Begeisterungsfähigkeit. Einmal schaut er gen Himmel und beschwört die Macht der Sonne. Für ihn kaum zu glauben, dass man stattdessen fossile Brennstoffe zutage fördert. Terli hat sich schon immer für Solarzellen interessiert.
„Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“ Dieser Spruch kommt im Film vor, und man könnte ihn leicht missverstehen. Etwa derart, dem Klimawandel sei nur noch mit Anpassung zu begegnen – höhere Deiche, CO2 verklappen, was einem dazu alles so einfällt. Aber das ginge an der Intention vorbei. Es geht weiterhin darum, den Ausstoß von Treibhausgasen wie Kohlendioxid und Methan zu reduzieren, besser noch: völlig zu stoppen.
Eine Schnecke zieht ihre schleimige Bahn
Obwohl der Film mit Bildmetaphern sonst zurückhaltend verfährt, darf eines nicht fehlen. Eine Schnecke zieht ihre schleimige Bahn; das Tempo des voranschreitenden Klimawandels kann damit kaum gemeint sein. Wohl eher verweist sie auf die beunruhigende Langsamkeit des Kampfes gegen die Steigerung der Treibhausemissionen.
Auf die dauerregte Bild- und Tonsprache tagesaktuellerer Dokumentationen, ihrer überbordenden Symbolik mit auf fünf vor zwölf stehenden Zifferblättern, rauchenden Industrieschloten und tickenden Stoppuhren verzichtet Riedel völlig. Die bisweilen meditative Art seines Werkes steht in einer interessanten Spannung zur Eilbedürftigkeit in der Klimaschutzfrage.