An ihrer Stelle (2024)

Drama | Chile 2024 | 89 Minuten

Regie: Maite Alberdi

Eine Romanautorin hat vor den Augen der Öffentlichkeit ihren Geliebten erschossen, weshalb sie in einem medienwirksamen Prozess wegen Mordes vor Gericht steht. Als eine zurückhaltende Gerichtssekretärin, die mit dem Fall zu tun bekommt, Zugang zu der Wohnung der Mörderin erhält, taucht sie immer mehr in das fremde Leben ein – mit Konsequenzen für ihr Selbstbild als Ehefrau und Mutter. Das im Chile der 1950er-Jahre angesiedelte „Women’s Picture“ beruht lose auf einem realen Fall, was man der konstruiert wirkenden Geschichte aber nicht ansieht. Für den inneren Entwicklungsprozess der Hauptfigur findet die Inszenierung keine rechte visuelle Sprache, sodass der Film papieren und leblos bleibt. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
EL LUGAR DE LA OTRA
Produktionsland
Chile
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Fabula
Regie
Maite Alberdi
Buch
Inés Bortagaray · Paloma Salas
Kamera
Sergio Armstrong
Musik
José Miguel Miranda · José Miguel Tobar
Schnitt
Alejandro Carrillo Penovi · Javier Estévez · Geraldina Rodriguez
Darsteller
Elisa Zulueta (Mercedes) · Francisca Lewin (María Carolina Geel) · Gabriel Urzúa (Domingo) · Marcial Tagle (Veloso) · Pablo Macaya (Efraín)
Länge
89 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Historienfilm | Krimi | Literaturverfilmung
Externe Links
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Drama um eine Gerichtssekretärin, die es im Chile der 1950er-Jahre mit dem Fall einer Romanautorin zu tun bekommt, die ihren Geliebten erschossen hat, und ihr eigenes Leben zu hinterfragen beginnt.

Diskussion

Das elegante Hotelrestaurant, in dem die Romanautorin María Carolina Geel am helllichten Tag ihren Geliebten erschoss, hinterlässt bei Mercedes sichtlich Eindruck. Die unscheinbare Gerichtssekretärin, die ihrer Familie gerade noch vom Lärm der Nachbarwohnung begleitet das Frühstück zubereitete, atmet den Duft einer fremden Welt ein. Umso mehr, als sie in die Wohnung der Mörderin geschickt wird, um ein paar frische Kleidungsstücke für die Haft zusammenzupacken. Das Ensemble aus Bücherregalen, Schreibmaschine, vollgeschriebenen Manuskriptseiten, Parfumflakons und allerhand Krimskrams wirkt anziehend und setzt unmittelbar innere Bilder in Gang: So oder so ähnlich könnte sich die Angeklagte, mit der sie vor dem Gericht noch einen kurzen, vielsagenden Blick austauschte – Mercedes im reizlosen kastanienbraunen Mantel, María Carolina im strahlenden Lila mit Blutflecken – durch die Räume bewegt haben.

Der Fall wird unter Medienecho zur Verhandlung gebracht, Mercedes protokolliert die Zeugenbefragungen. Darin wird die sich offen zur Tat bekennende Mörderin mit allerhand widersprüchlichen Attributen beschrieben. Einmal ist sie die unabhängige Frau, die den Heiratsantrag des jetzt Toten ablehnte, ein anderes Mal die eifersüchtige und leicht pathologische Geliebte. „An ihrer Stelle“ interessiert sich jedoch weder für Motiv und Umstände der Tat noch für die Mörderin. Regisseurin Maite Alberti geht es eher um die Selbstbefragung des eigenen Lebens im Spiegel eines anderen. Ein im Chile der 1950er-Jahre angesiedeltes „Women’s Picture“ behauptet der Film zu sein. Dabei soll es aber auch ein wenig komisch zugehen, weshalb die befragten Zeug:innen alle ein wenig an der Grenze zur Karikatur angelegt sind.

Ein geborgtes Leben

„An ihrer Stelle“ erzählt – der Titel ist wörtlich zu verstehen –, wie die Gerichtssekretärin in das fremde Leben gleitet. Immer wieder verbringt sie Zeit in dem Apartment, probiert Kleider aus, badet, macht sich schön, liest oder kocht sich Spaghetti. Bald beginnt sie sich immer selbstverständlicher in der Zweitwohnung zu bewegen. Ihr Blick hat sich an den schönen Dingen sattgesehen und wendet sich nun dem eigenen Selbst zu. Mercedes genießt die Ruhe. Und sie beginnt mit ihrem Fotoapparat Selbstporträts zu machen. Das geborgte Leben bedeutet ihr bald so viel, dass sie natürlich wenig Interesse an einer Begnadigung der Verurteilten hat.

Maite Alberti, die mit „Die unendliche Erinnerung“ einen berührenden Dokumentarfilm über das Leben eines Paars mit Demenz gedreht hat, findet für den inneren Entwicklungsprozess der Figur jedoch keine Sprache. Weder entwickelt sich etwas zwischen Mercedes und dem Interieur, noch zwischen ihr und María Carolina, der sie im Gericht und Gefängnis einige Male wiederbegegnet und die auch in kitschig-verschwommenen Fantasiesequenzen in Erscheinung tritt. Auf plumpe Art werden die beiden Welten gegenübergestellt: Hier die intellektuelles Flair ausstrahlende Schriftstellerwohnung, dort das trübe Heim, in dem der Ehemann und Betreiber eines häuslichen Fotostudios laut schnarchend neben Mercedes liegt, der die Aufgaben als Ehefrau, Mutter und Hausfrau keine Luft zum Atmen lassen.

Dass der Film auf einem realen Fall beruht, sieht man ihm nicht an

Eine Bohnermaschine wird schließlich zum Inbegriff weiblicher Unterdrückung. Wie sich bald herausstellt, hat der Ermordete der Romanautorin einmal ein solch nützliches Gerät überreicht, wohl wollte er sie damit auf den Geschmack des häuslichen Daseins bringen. Worauf die Beschenkte das Ding wütend durch die halbe Stadt zog, um es in das nächstgelegene Gewässer zu werfen. Als Mercedes’ Ehemann ebenfalls eine Bohnermaschine zu Hause anschleppt, stellt sich die Frage, welcher Knast der Schlimmere ist. María Carolina immerhin hat ein schönes Zimmer in einem von Nonnen betriebenen Frauengefängnis und haut auch schon bald eine – autobiografische – Neuveröffentlichung heraus.

„An ihrer Stelle“ wirkt papieren und unlebendig, die Wendungen sind haarsträubend, einen True-Crime-Hintergrund würde man nicht im Entferntesten vermuten. Tatsächlich aber basiert der Film auf einem realen Fall. 1941 unternahm die chilenische Schriftstellerin María Luisa Bombal, die unter anderen eine enge Freundschaft mit Pablo Neruda und Jorge Luis Borges verband, einen Mordversuch an ihrem Geliebten. Diese Geschichte kommt im Film auch vor, verbindet sie sogar mit einer gewagten Theorie: der Mord als Zitat und Hommage. Aber auch diese Idee zündet nicht.

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