Drama | Dänemark/Frankreich/Schweden/Tschechien/Belgien/Norwegen/Deutschland 2024 | 345 Minuten (sieben Folgen)

Regie: Thomas Vinterberg

Da Dänemark schon in wenigen Wochen vom Meer überflutet wird, versucht eine Patchwork-Familie, mit den damit verbundenen extremen Herausforderungen umzugehen. Die Serie beschreibt sehr anschaulich, wie unterschiedlich die Menschen auf eine solche Krise reagieren. Dabei geht es weniger um ein apokalyptisches Spektakel, sondern um eine komplexe Familiengeschichte in hochdramatischen Zeiten. Das ist trotz mancher Schwächen emotional packend erzählt und durch seine Reflexionen über die zersplitternde Einigkeit in Europa durchaus politisch und schmerzlich aktuell. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
FAMILIER SOM VORES
Produktionsland
Dänemark/Frankreich/Schweden/Tschechien/Belgien/Norwegen/Deutschland
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Zentropa Entertainments
Regie
Thomas Vinterberg
Buch
Thomas Vinterberg · Bo Hr. Hansen
Kamera
Sturla Brandth Grøvlen
Musik
Valentin Hadjadj
Schnitt
Janus Billeskov Jansen · My Thordal · Anne Østerud
Darsteller
Amaryllis April August · Albert Rudbeck Lindhardt · Nikolaj Lie Kaas · Paprika Steen · Helene Reingaard Neumann
Länge
345 Minuten (sieben Folgen)
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Serie
Externe Links
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Serie um eine Patchwork-Familie, die angesichts des drohenden Klimakollapses, bei dem ganz Dänemark vom Wasser überflutet wird, den damit verbundenen extremen Belastungen zu trotzen versucht.

Aktualisiert am
21.02.2025 - 16:39:56
Diskussion

Ein ganzes Land muss evakuiert werden. Weil der Wasserspiegel dramatisch angestiegen ist, wird Dänemark in kurzer Zeit fast völlig überflutet sein. Die Regierung hat einen dreistufigen Plan beschlossen, mit dem alle Menschen aus dem Land gebracht werden sollen. Auf dem überfluteten Land soll dann ein Windpark entstehen, der immerhin Energie produziert. Die ambitionierte Familienserie von Thomas Vinterberg spielt in einer sehr nahen Zukunft, in der die Menschen von einem noch radikaleren Krisenszenario als die Covid-Pandemie überrollt werden.

Im Mittelpunkt steht eine Patchwork-Familie um die Abiturientin Laura (Amaryllis August). Sie pendelt zwischen ihrer Mutter Fanny (Paprika Steen), einer ehemaligen Journalistin, und ihrem Vater Jacob (Nikolaj Lie Kaas), der mit seiner zweiten Frau Amalie (Helene Raingaard Neumann) und dem gemeinsamen kleinen Sohn in einem schicken Haus lebt. Laura verliebt sich gerade das erste Mal in den gleichaltrigen Elias, der eigentlich eine Freundin hat. Doch Teenager-Probleme treten angesichts der nahenden Katastrophe bald in den Hintergrund.

Zwischen Trauer und trotzigem Überlebenswillen

Laura avanciert auch wegen des natürlichen Charmes von Amaryllis August schnell zum emotionalen Zentrum. Wenn sie mit ihren Freunden kurz vor dem Abitur erfährt, dass ihr Land verschwinden wird, gelingen Vinterberg eindringliche Szenen zwischen Trauer und trotzigem Überlebenswillen. Die Inszenierung kommt dem Lebensgefühl der Jugendlichen sehr nahe, die bis dahin so optimistisch und lebensfroh in die Zukunft blickten und nun so plötzlich erwachsen werden müssen. Lauras Vater und die Familie seiner zweiten Frau wirken dagegen egoistisch und nur bedingt solidarisch. Vor allem der Bruder von Amalie, ein Politiker, der mit einem Mann verheiratet ist und vorab vom Exodus informiert war, macht sein Anwesen schnell noch zu Geld und schafft es illegal außer Landes.

Vinterberg hat mit seiner ersten Serie keinen Katastrophenfilm gedreht, keine politische Reflexion über Flüchtlingsströme, über Abschottungen und den Zusammenbruch der solidarischen europäischen Idee. Es ist in erster Linie das intime Porträt einer bürgerlichen Familie, die sich bequem eingerichtet hat. In Krisenzeiten brechen dann aber ältere Konflikte auf. Die Erwachsenen kommen dabei nicht schmeichelhaft davon. Laura wiederum schwankt unentschlossen zwischen ihrer alleinstehenden Mutter, die nach Bukarest auswandern muss, und dem Vater, der in Paris Aussicht auf eine lukrative Stelle als Architekt hat. Dennoch ist Jacob überfordert und trifft panisch eine falsche Entscheidung nach der anderen. Er möchte es allen recht machen, sich um seine Tochter, seine Ex-Frau und seine neue Familie kümmern. Nicolaj Lie Kaas glänzt in dieser großen, teils tragischen, teils tragikomischen Rolle als entschlussschwacher Mann, der sich trotz seiner Fehler seine Humanität bewahrt.

Eine umgedrehte Fluchtbewegung

Vor allem die ersten vier Teile der Serie sind packend und emotionsgeladen. Wenn Dänemark dann entvölkert ist, Kopenhagen unter Wasser steht und das Schicksal der Protagonisten auf ihren unterschiedlichen Stationen in Paris, Bukarest oder Polen in Parallelmontagen verfolgt wird, stellen sich auch dramaturgische Hänger und Vereinfachungen ein. Laura, Elias oder Jakob treffen viele fatale Entscheidungen, die den Spannungsbogen hochhalten, aber auch hart am Rand der Plausibilität entlangschrammen. Dabei greifen Thomas Vinterberg und sein Co-Autor Bo Hr. Hansen tief in die osteuropäische Klischeekiste. Den Drehorten in Rumänien und Polen können sie nicht viel abgewinnen, und sie dringen auch nicht in die Mentalität der beiden durchaus unterschiedlichen osteuropäischen Länder ein.

Die umgedrehte Fluchtbewegung von West nach Ost ist allerdings eine originelle Idee. Westliche Wohlstandsbürger müssen plötzlich kellnern oder putzen und leben in prekären Verhältnissen. Gerade bei diesem Aspekt hätten die Serienmacher ambivalenter und komplexer erzählen müssen. Es wird nie klar, warum Polen und Rumänien Massen von dänischen Flüchtlingen aufnehmen, vor Ort aber keinerlei Infrastruktur aufgebaut wurde. So entstehen zunehmend dramaturgische Luftlöcher.

Die Hoffnung bleibt

Das Ende von „Families Like Ours“, das unter der jungen Generation in Finnland spielt, ist dann wieder stimmiger. Als Zuschauer fiebert man mit den Figuren und sieht wohlwollend über ihre Schwächen hinweg, weil der Serie ein guter Abschluss gelingt, der durchaus Hoffnung macht. Auch die Religion und die Kirche als Ort des Zusammenhalts spielen im Lauf der sieben Episoden zunehmend eine Rolle. In Interviews hat Vinterberg betont, dass seine Frau, die Schauspielerin Helene Raingaard Neumann, die die Amalie spielt, auch Pfarrerin ist und ihn dazu ermutigt hat, eine hoffnungsvolle Serie zu drehen.

Dennoch muss man „Families Like Ours“ primär als Warnung verstehen. Dabei geht es nicht nur um den Klimawandel und den Umgang mit der Natur und den Ressourcen der Erde. Im Subtext spielt der Untergang Dänemarks auch auf den Zusammenbruch des vereinten Europas an. Die Serie führt eindrücklich vor Augen, wie schnell die westliche Welt implodieren kann, wie wenig sie auf Katastrophen vorbereitet ist und dass im Krisenfall jedes Land wie schon zu Corona-Zeiten sich zunächst abschottet und die Grenzen schließt. Angesichts der aktuellen geopolitischen Ereignisse und vor allem angesichts der neuen US-Politik unter Donald Trump bekommt „Families Like Ours“ geradezu etwas Prophetisches.

 

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