Aus Mangel an Beweisen (2024)
Gerichtsfilm | USA 2024 | (8 Folgen) Minuten
Regie: Anne Sewitsky
Filmdaten
- Originaltitel
- PRESUMED INNOCENT
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2024
- Produktionsfirma
- Bad Robot/David E. Kelley Prod./Apple Studios
- Regie
- Anne Sewitsky · Greg Yaitanes
- Buch
- David E. Kelley · Miki Johnson · Sharr White
- Kamera
- Doug Emmett · Daniel Voldheim
- Musik
- Danny Bensi · Saunder Jurriaans
- Schnitt
- Eleanor Infante · Philip Carr Neel · Trevor Baker · Rafa Garcia
- Darsteller
- Jake Gyllenhaal (Rusty Sabich) · Ruth Negga (Barbara Sabich) · Kingston Rumi Southwick (Kyle Sabich) · Peter Sarsgaard (Tommy Molto) · Bill Camp (Raymond Horgan)
- Länge
- (8 Folgen) Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Gerichtsfilm | Krimi | Serie
- Externe Links
- IMDb | JustWatch
Justizthriller-Serie über einen Staatsanwalt, der im Mord an seiner Geliebten erst zum Ermittler und dann zum Angeklagten wird.
Rusty (Jake Gyllenhaal) erhält von seiner Ehefrau Barbara (Ruth Negga) früh die Warnung: „Du wirst in diesem Fall verschwinden.“ Doch zu dem Zeitpunkt ist die Situation für den Juristen bereits zu verfahren, um sich noch einfach daraus zurückziehen zu können. Der Mordfall an einer jungen Staatsanwältin in Chicago wird für ihren Kollegen Rusty zum Verhängnis. Denn mit Carolyn (Renate Reinsve) verband ihn mehr als nur ein Arbeitsverhältnis – die beiden hatten bis zum Zeitpunkt von Carolyns gewaltsamem Tod eine Affäre miteinander. Als Rustys Boss Raymond (Bill Camp) seinen Untergebenen auf den Fall ansetzt, ahnt er noch nichts von diesen Verstrickungen. Ein Wahlkampfscharmützel – in den USA werden die District Attorneys durch Wahlen ernannt – mit seinem Konkurrenten Nico Della Guardia (O-T Fagbenle) und dessen Handlanger Tommy (Peter Sarsgaard) bringt die delikate Angelegenheit jedoch ans Tageslicht. Die Leiche von Carolyn wird in einer Weise aufgefunden, die Ermittlerwissen in Bezug auf einen früheren Mordfall voraussetzt; so gerät Rusty überhaupt erst ins Fadenkreuz der in derselben Behörde ansässigen Strafermittler. Der Familienmann Rusty wird bald schon zum Paria, auch wenn sich der charismatische Anwalt nach Kräften gegen seine öffentliche Vorverurteilung stemmt.
Die Affäre lässt den Anwalt schlecht aussehen
Seine ans Licht gekommene Affäre mit Kollegin Carolyn – ihr intensives Verhältnis zeigt die achtteilige Serie in zahlreichen Rückblenden – lässt Rusty denkbar schlecht aussehen, zumal die Affäre nur zu einem Teil auf gegenseitiger Leidenschaft zu beruhen scheint. Rustys Passion für seine Kollegin hat im Laufe des Verhältnisses überhandgenommen, trägt deutlich obsessive Züge. Am Tag ihrer Ermordung erhielt Carolyn mehr als 30 Textnachrichten von ihrem hartnäckigen Liebhaber, die sie unbeantwortet ließ.
Die auf dem gleichnamigen Roman von Scott Turow aus dem Jahr 1987 beruhende Miniserie ist eigentlich ein Stoff, der wie gemacht ist für den TV-Produzenten und Showrunner David E. Kelley, der in den vergangenen Jahrzehnten Bekanntheit erlangte für seine smart geschriebenen und produzierten Anwalts-, Justiz- und Crime-Dramen wie u.a. „Ally McBeal“, „The Practice“, „Boston Legal“, „Big Little Lies“ und „The Undoing“. Scharfsinnige Dialoge, tiefgründige Charaktere, Esprit und humorvolle Spitzen bei düsterer Thematik zeichnen die Arbeiten des erfolgreichen Serienmachers aus. Zuletzt inszenierte Kelley im Mai 2024 bei Netflix die Tom-Wolfe-Verfilmung „Ein ganzer Kerl“ mit Jeff Daniels in der Hauptrolle. Der Sechsteiler erhielt zwar überwiegend mäßige Kritiken, erwies sich aber beim Publikum als äußerst erfolgreich.
Auch die Rezeptur von „Aus Mangel an Beweisen“ wirkt auf den ersten Blick bewährt und vielversprechend. Eine Bestseller-Literaturvorlage, ein attraktiver Crime-Plot auf Basis eines verhängnisvoll erotischen Leidenschaftsdramas sowie ein formidables Ensemble um Jake Gyllenhaal. Doch beweist David E. Kelley bei seiner neuesten Produktion nur in mancherlei Hinsicht ein glückliches Händchen, in anderer weniger.
In den Fußstapfen von Harrison Ford
Erstmalig verfilmt wurde der Gerichtsthriller im Jahr 1990 von Alan J. Pakula. Harrison Ford spielte weiland in „Aus Mangel an Beweisen“ den vermeintlich integren Familienmann unter Anklage; dieses elegant inszenierte Kinodrama mag angesichts der um sich greifenden 1990er-Nostalgie und der Reinszenierungswelle von Stoffen aus jener Zeit dazu beigetragen haben, dass sich Apple des Stoffes nun noch einmal in Serienform angenommen hat. Projekte wie „Ripley“ bei Netflix zeigten zuletzt auf intelligente Weise, wie ein durch das Prisma der Gegenwart gebrochenes Update einen Originalstoff noch mal aus völlig ungewohntem Winkel beleuchten kann. Doch David E. Kelleys Neuinszenierung der Literaturvorlage und der Pakula-Verfilmung hat in dieser Hinsicht wenig aufschlussreiche Erkenntnisse zu bieten.
Allzu verstaubt wirkt mittlerweile die Thematik der „verhängnisvollen Affäre“ mit einer karriereorientierten Kollegin, die das traute Familienleben des eigentlich vorbildhaften männlichen Helden destabilisiert. Die Angst der Männerwelt, die in den 1990er-Jahren durch zunehmend weibliche Konkurrenz am Arbeitsplatz einen kollektiven Schub erfuhr, steckt der Apple-Produktion insofern noch in den Knochen, als sie hier keinerlei Reflexion anhand der Verhältnisse unserer Gegenwart erfährt. Dabei hätte dies durchaus vielversprechend gelingen können.
So erleben die Zuschauer über weite Strecken ein überaus begabtes, doch deutlich an Unterforderung leidendes Ensemble, zuvorderst Jake Gyllenhaal, der über acht Episoden hinweg den charmanten Familienmenschen gibt, der zu jähen, unkontrollierten Wutausbrüchen neigt, sowie Ruth Negga in der Rolle seiner Gattin, die unterwürfig den Familienfrieden zu wahren versucht. Brillieren darf bei Kelley einmal mehr eine Nebenfigur: Bill Camp füllt seine Rolle als Strafverteidiger Rustys auf einnehmende wie hochkomische Weise aus. Seinen aus der Situation resultierenden Bluthochdruck sieht man Camp in seiner Rolle als passionierter Anwalt förmlich an. In einer Albtraumszene explodiert dem Gerichtsmann vor herandrängender Beweislast gegen seinen Mandanten im Wortsinn der Kopf.
Bilder mit wenig Eindruck
Man hätte David E. Kelleys „Aus Mangel an Beweisen“ an mancher Stelle mehr Gestaltungswillen gewünscht – die blassen, farbreduzierten Bilder der Serie hinterlassen wenig Eindruck. Und mehr Lust, mit dem Originalstoff zu spielen und ihn um aktuelle Perspektiven zu erweitern. So bleibt am Ende ein dramaturgisch solider, aber nicht gerade origineller Justiz-Thriller, der zu wenig ästhetischen wie erzählerischen Wagemut aufweist. Wer die Serie – mit der 1990er-Verfilmung im Hinterkopf – bis zum Ende schaut, darf sich aber immerhin auf eine unerwartete Wendung freuen, die den Prozess schließlich auf den Kopf stellt.