Animation | Lettland/Frankreich/Belgien 2024 | 89 Minuten

Regie: Gints Zilbalodis

Eine schwarze Katze kann sich mit einigen anderen Tieren auf einem Segelboot vor einer alles überschwemmenden Flut in Sicherheit bringen. Sie sehen sich enormen Herausforderungen gegenüber, die sie nur durch Kompromisse und Teamwork gemeistert werden können. Die Geschichte weckt viele Assoziationen von der Klimakrise über Flüchtlingsboote bis zur biblischen Geschichte der Arche Noah. Der atemberaubende Film verzichtet auf Sprache, umgeht eine Vermenschlichung der Tiere und handelt parabelhaft vom Miteinander und einer gelingenden Gemeinschaft. Seine eindrückliche Botschaft wird in betörenden Bildern voller geheimnisvoller Landschaften transportiert. Nur bei der Animation der Tiere, die teils allzu grob gestaltet sind, spürt man die beschränkten Produktionsbedingungen. In inhaltlicher und dramaturgischer Hinsicht weist der Film weit in die Zukunft. - Sehenswert ab 8.
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Filmdaten

Originaltitel
STRAUME
Produktionsland
Lettland/Frankreich/Belgien
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Dream Well Studio/Sacrebleu Prod./Take Five
Regie
Gints Zilbalodis
Buch
Matiss Kaza · Gints Zilbalodis
Kamera
Gints Zilbalodis
Musik
Rihards Zalupe · Gints Zilbalodis
Schnitt
Gints Zilbalodis
Länge
89 Minuten
Kinostart
06.03.2025
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 8.
Genre
Animation | Familienfilm | Fantasy
Externe Links
IMDb | TMDB

Grandioser Animationsfilm über eine schwarze Katze, die sich mit anderen Tieren vor einer Sintflut auf ein Segelboot retten kann.

Veröffentlicht am
18.11.2025 - 15:10:39
Diskussion

Der lettische Animationsfilmer Gints Zilbalodis hat einen Nerv getroffen: Sein zweiter abendfüllender Film „Flow“ wird schon jetzt gefeiert und geliebt wie wenige andere aktuelle Filme. Dafür, dass er eine Katze als Hauptfigur hat. Und Menschen ausschließlich in den von ihnen hinterlassenen Spuren zeigt, währen er eine Tier- und Natur-Geschichte ohne jedes menschliche Wort erzählt. Aber auch für seine philosophisch-poetische Dimension, die auf Zusammenarbeit, Rücksichtnahme und soziales Miteinander abzielt.

Mit viel Talent, einer großen Fantasie, aber einem recht überschaubaren Budget hat Zilbalodis in Weiterentwicklung seines Kurzfilms „Aqua“ eine eher handlungsarme, dafür aber anspielungsreiche Story entworfen. Die dreht sich um eine kleine schwarze Katze, die zusammen mit anderen Tieren auf einem Segelboot vor einer gewaltigen Flut flieht. Die nicht näher erläuterte Naturkatastrophe, welche die Tiere des Waldes und auch die Katze, die im verlassenen Haus eines Bildhauers wohnte, überrascht und auf dem rettenden Boot zusammenführt, weckt aktuelle Assoziationen: an die Klimakrise, aber auch die Flüchtlingsboote auf dem Mittelmeer.

Eine Arche ohne Menschen

Zudem schwingen Gedanken an die Odyssee und die biblische Geschichte von der Arche Noah mit, wenn sich eine Handvoll Tiere – neben der Katze und einem Hund handelt es sich dabei um ein Wasserschwein, ein Äffchen und einen Sekretärvogel – gemeinsam vor den Wassermassen retten. Dies gelingt durch das Aushandeln von Konflikten, durch Anpassung, Kompromisse und Solidarität, kurz: durch Teamwork. Erzählt wird all das nur über die Körpersprache und Geräusche, Miauen, Bellen und Grunzen; ganz ohne eine dezente Vermenschlichung der Protagonisten kommt auch „Flow“ nicht aus. Es geht, wenn man so will, um die Grundlage jeglicher Zivilisation in einer verwüsteten Welt. Diese Aufgabe müssen die Tiere übernehmen, da sich die Menschheit offensichtlich selbst ausgelöscht hat. Insofern lässt sich „Flow“ als eine Parabel aufs Miteinander und die Gemeinschaft lesen.

Das ist eine gewichtige Botschaft, die aber so einfallsreich wie eindrücklich erzählt wird; dafür gab es den Europäischen Filmpreis und den Golden Globe. Auch bei den bildnerischen Einfällen und dem szenischen Gespür für mystische Welten ist der unabhängig produzierte Film überragend. Die Bildsprache resultiert vor allem aus dem Gegen-, Neben- und Ineinander von menschengemachten Skulpturen, Städten und Palästen, (kunst-)handwerklichen Gegenständen und einer idyllisch-rauen Natur. So hat sich etwas ein Holzboot in einer Baumkrone verfangen; riesige Steinfiguren ragen aus den Fluten, düstere, aus dem Felsen gehauene Kegelberge dräuen am Horizont. Potenziert wird die Wirkung der Bilder durch die Abwesenheit jener Wesen, die diese Kunst und Kultur einst hervorgebracht haben. Die Natur hat sich das Werk der Menschen zurückgeholt. Sie überwächst und überwuchert alles und schleift es mit Hilfe von Wind und Wasser.

Der Kreislauf des Lebens

Es sind betörende, atemraubende Aufnahmen geheimnisvoller Landschaften, die die bescheidenen Produktionsbedingungen fast vergessen machen. Weniger gut gelingt dies bei der Animation der Tiere, vor allem bei den Nahaufnahmen. Das Spiel von Schatten und Licht auf Fell und Federkleid fällt mitunter recht hart aus, die Textur der Tiere ist grob gerendert, der Ausdruck der Augen wenig detailliert. Der mit der frei zugänglichen Grafiksoftware Blender erstellte „Flow“ erinnert in seiner Ästhetik mitunter an ältere Computerspiele, etwa an „Ico“, „Shadow of the Colossus“ oder „The last Guardian“, die zwischen 2001 und 2016 erschienen sind und allesamt von Fumito Ueda entworfen wurden. Weitere Parallelen, auch inhaltlicher Art, finden sich auch zum Playstation-Spiel „Stray“.

Ungewöhnlich und zukunftsweisend, gerade für den Bereich der Animation, ist „Flow“ aber vor allem in inhaltlicher und dramaturgischer Hinsicht: in seinem Verzicht auf anthropomorphe Tierfiguren wie auch die menschliche Sprache, mit seinen vielfältigen Interpretationsebenen, der fantasievollen Bildsprache sowie der radikalen humanistischen Botschaft und der gemächlichen Dramaturgie eines Kreislaufs des Lebens, auf die schon der Filmtitel verweist.

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