Supacell
Fantasy | Großbritannien 2024 | 308 (6 Folgen) Staffel 1 Minuten
Regie: Rapman
Filmdaten
- Originaltitel
- SUPACELL
- Produktionsland
- Großbritannien
- Produktionsjahr
- 2024
- Produktionsfirma
- New Wave Energy
- Regie
- Rapman · Sebastian Thiel
- Buch
- Rapman
- Kamera
- Aaron Reid · Sam Heasman
- Musik
- Sillkey
- Schnitt
- Fiona Colbeck · Jo Smyth · Dan Robinson · James Barham · Jean-Daniel Fernandez Qundez
- Darsteller
- Tosin Cole (Michael Lasaki) · Adelayo Adedayo (Dionne) · Josh Tedeku (Tazer) · Nadine Mills (Sabrina) · Eric Kofi-Abrefa (Andre)
- Länge
- 308 (6 Folgen) Staffel 1 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Fantasy | Serie
- Externe Links
- IMDb | JustWatch
Britische Superhelden-Serie um schwarze Menschen aus dem Süden von London, die seltsame Kräfte an sich entdecken und ins Visier undurchsichtiger Gegner geraten.
Die Viertel im Süden Londons, wo viele „People of color“ leben, stehen unter Beobachtung: Kameraaugen überwachen das Treiben auf den Straßen. Aber es ist nicht die Metropolitan Police, an die die Bilder übertragen werden. Die offiziellen Behörden scheinen nichts davon mitzubekommen, dass hier in letzter Zeit öfters Menschen spurlos verschwinden. Und auch nicht davon, dass einige Bewohner plötzlich seltsame, übermenschliche Fähigkeiten an den Tag legen. Big Brother aber sieht alles, so als wäre die Stadtlandschaft ein Freiluftlabor und die Menschen Testobjekte in einem großangelegten Experiment.
Etwas ist faul im Süden Londons
In der Serie des Musikers und Filmemachers Andrew Onwubolu alias Rapman bleibt lange ungewiss, wer genau dieser Big Brother eigentlich ist. Und welche Agenda er verfolgt, lässt Staffel 1 sogar ganz offen. Aber dass er da ist, wissen die Zuschauer von Anfang an, da schon ein Prolog in die Räumlichkeiten der dubiosen Institution führt, die hier die Fäden zieht. Die Protagonisten der Serie ahnen davon nichts. Nur die zentrale Figur, ein schwarzer Lieferfahrer namens Michael (Tosin Cole), erhält recht früh eine Prophezeiung drohender Gefahr.
Michael gehört zu jenen schwarzen Menschen im Süden von London, bei denen sich spontan Superkräfte manifestieren. In einer akuten Notsituation entdeckt er die Fähigkeit, durch Zeit und Raum teleportieren zu können. Als es ihn wenig später für Momente unfreiwillig in die nähere Zukunft verschlägt, eröffnet ihm sein zukünftige Ich, dass mysteriöse Kapuzengestalten hinter ihm und anderen Menschen mit ähnlich übermenschlichen Kräften her sind – und dass die Sozialarbeiterin Dionne (Adelayo Adedayo), mit der er sich gerade verlobt hat, in drei Monaten tot sein wird. Michaels einzige Chance, das abzuwenden und gegen die Kapuzengestalten Widerstand zu leisten, besteht darin, so schnell wie möglich vier Schicksalsgenoss:innen um sich zu scharen, von denen er aber nur einen flüchtigen ersten Eindruck erhaschen kann und ihre Vornamen erfährt: Tazer, Sabrina, André und Rodney.
Von wegen Superhelden-Teamgeist
Wenn die Briten Fantasy-Stoffe angehen, fallen Spezialeffekte oft unspektakulärer aus als in US-amerikanischen Genrebeiträgen; dafür aber punktet das Land, das „Doctor Who“ hervorgebracht hat und mit Schriftstellern wie Neil Geiman, Ben Aaronovich und Benedict Jacka in Sachen Urban Fantasy die Nase vorn hat, oft mit guten Erzähleinfällen. Das hat sich auch bei Superhelden-Stoffen bewährt. Die absurd-schwarzhumorige Comedy-Serie „Misfits“ und die lakonische Coming-of-Age-Fantasy-Serie „Extraordinary“ sind Glanzlichter des Genres.
„Supacell“ reicht in der ersten Staffel zwar noch nicht an diese beiden Vorgänger heran, schlägt sich als eigenwilliger Genrevertreter aber recht gut und lässt auf mehr hoffen. Was in Folge 1 zunächst auf ein typisches „Teambuilding“-Szenario zuzulaufen scheint, in dem Michael seine Mitstreiter in spe Tazer (Josh Tedeku), Sabrina (Nadine Mills), André (Eric Kofi-Abrefa) und Rodney (Calvon Dembar) aufspüren und zu einem schwarzen Underdog-Pendant der „Avengers“ formen muss, weigert sich zunächst hartnäckig, auf den bekannten Plot-Fußspuren zügig voranzuschreiten. Denn die Charaktere wollen einfach nicht mitspielen. Südlondoner wie der Kleinkriminelle Rodney, der mit Gras dealt und sich eines Tages in der Lage sieht, sich mit „The Flash“-mäßiger Geschwindigkeit zubewegen, mögen zwar die Comic-Vorbilder kennen, haben aber andere Prioritäten, als „Justice League“ zu spielen. Heldenhaftigkeit muss man sich erstmal leisten können! „Aus großer Kraft erwächst große Verantwortung“? Mit dieser Spider-Man-Moral braucht man hier, wo Perspektiven, Geld und Gesetzestreue knapp sind, niemandem zu kommen.
Der Horizont reicht nicht übers Ghetto hinaus
Dabei sind von Tazer mal abgesehen, der als Chef einer brutalen Jugendgang tatsächlich ein ziemliches Aas ist, die Menschen, die Michael um sich scharen muss, eigentlich ganz sympathische Zeitgenossen. Doch für Solidarität haben sie schlicht nicht die Kapazitäten.
Sabrina, die seit Kurzem Telekinese beherrscht, hat als Krankenhaus-Pflegefachkraft und besorgte Schwester eines Partygirls, dessen Gangsterfreund soeben aus dem Knast entlassen wurde, so schon alle Hände voll zu tun. André, der jetzt superstark ist, fällt es wegen seiner Vorstrafen schwer, einen Job zu bekommen und zu behalten, und so kämpft er darum, die Miete zu zahlen und seinen Teenager-Sohn finanziell unterstützen zu können. Rodney nutzt seine Schnelligkeit, um seine Kleindealerei dank des jetzt möglichen Expressservice endlich lukrativer zu machen; ansonsten scheint er sich im Leben nicht viel zuzutrauen. Und Tazers Horizont reicht keinen Deut über die Bandenkonflikte in seinem Ghetto hinaus. Dass er sich seit Neuestem unsichtbar machen kann, ist für ihn nur als Waffe im Kampf gegen andere schwarze Jungs interessant. Aus diesen Leuten soll ein Team entstehen? Das scheint lange Zeit unmöglich.
Ähnlich wie in der Serie „I’m a Virgo“ von Boots Riley werden auch in „Supacell“ Muster des Superhelden-Genres genutzt, um über die Erfahrungen von „People of color“ in westlichen Gesellschaften zu reflektieren, wo aller Wokeness zum Trotz strukturelle Diskriminierungen in den Lebensbedingungen und in den Köpfen tiefe Spuren hinterlassen haben. Es ist ein bitteres Bild, das Rapman von der afrobritischen und karibisch-britischen Community entwirft. Dabei ist die Zeichnung der Charaktere, nicht nur im Blick auf ihre Superkräfte, nicht überragend originell und pointiert, sondern greift durchaus auf Klischees zurück; aber dennoch wird deutlich, was hier erzählt werden soll: „Empowerment“ ist, wenn man zu einer Minderheit gehört, eine komplizierte Angelegenheit. Im Dschungel prekärer sozialer Verhältnisse helfen Superkräfte nur bedingt weiter; Gegner sind eher systemisch denn konkret greifbar und sitzen mitunter auch im eigenen Kopf, in Form verkorkster Selbstbilder und mangelnder Ein- und Weitsicht. Zwar läuft die erste Staffel von „Supacell“ letztlich doch auf einen actionreichen Showdown hinaus und serviert einen (weißen) „Evil Mastermind“; doch mit der Formierung der geballten „Black Power“ bleibt es bis zum Ende eine wacklige Angelegenheit. Aber immerhin: Für Staffel 2 besteht Hoffnung.