The Village Next to Paradise
Drama | Frankreich/Österreich/Deutschland/Somalia 2024 | 134 Minuten
Regie: Mo Harawe
Filmdaten
- Originaltitel
- THE VILLAGE NEXT TO PARADISE
- Produktionsland
- Frankreich/Österreich/Deutschland/Somalia
- Produktionsjahr
- 2024
- Produktionsfirma
- FreibeuterFilm/Kazak Prod./Maanmaal Acc/NiKo Film
- Regie
- Mo Harawe
- Buch
- Mo Harawe
- Kamera
- Mostafa El Kashef
- Schnitt
- Joana Scrinzi
- Darsteller
- Ahmed Ali Farah (Mamargade) · Ahmed Mohamud Saleban (Cigaal) · Anab Ahmed Ibrahim (Araweelo) · Axmed Cabdillahi Ducaale · Maxamed Xaaji Cabdi Faarax
- Länge
- 134 Minuten
- Kinostart
- 30.01.2025
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Drama um einen somalischen Gelegenheitsarbeiter, der mit Schwester und Sohn in einer behelfsmäßigen Siedlung zusammenlebt und die Probleme des Alltags zu meistern versucht.
Der stoische Mamargade lebt davon, Tote zu beerdigen. Mit den eigenen Händen hebt er den harten Boden aus, um Verstorbene zu begraben. Darunter sind auch Menschen, die in der kargen Gegend rund um Mogadischu bei Drohnenangriffen getötet worden sind. Ein stetes Einkommen für sich und seinen aufgeweckten Sohn Cigaal kann er damit aber nicht erzielen, zumal Cigaal so begabt ist, dass man empfiehlt, ihn auf ein Internat zu schicken. Das kostet aber zusätzlich. Neben seinen schlecht bezahlten Jobs als Gelegenheitsarbeiter führt Mamargade deswegen immer mal wieder Schmugglerdienste für Bekannte durch.
Ungeschriebene Gesetze
Der Titel des somalischen Spielfilms „The Village Next to Paradise“ spielt auf den Ort an, in dem Mamargade mit Cigaal und seiner Schwester Araweelo in einer Patchworkfamilie ganz eigener Art lebt. Es ist eine behelfsmäßige Siedlung, die nicht mal einen eigenen Namen hat. Der Alltag der Menschen scheint von ungeschriebenen, dem Zuschauer unzugänglichen Gesetzen beherrscht zu werden. Vieles hängt davon ab, welchem Clan man angehört. Dies erfährt Araweelo, als sie sich von ihrem Mann scheiden lassen möchte. Sie möchte unbedingt eine eigene Schneiderei aufmachen. Zum wichtigen Bezugspunkt wird sie für Cigaal, dem in seiner neuen Umgebung plötzlich die Träume ausgehen. Araweelo ist verlässlicher als sein Vater Mamargade, auch wenn dieser alles für seinen Sohn tut. Über die Hintergründe der ungewöhnlichen Familienkonstellation erfährt man im Laufe des Filmes mehr.
Das ostafrikanische Land Somalia gilt in der öffentlichen Wahrnehmung als „hoffnungsloser Fall“. Seit den 1990er-Jahren bezeichnet man das Land in der Berichterstattung als „Failed State“. Auch auf der Kinolandkarte ist es eine Terra incognita. 2001 gab es einen Hollywood-Film von Ridley Scott, „Black Hawk Down“, über den misslungenen US-Einsatz in Mogadischu 1993. Die Somalier sind darin vor allem gefährlich, potenzielle Feinde, das Land ansonsten kaum mehr als Kulisse. Ähnlich ethnozentrisch widmete sich „Captain Phillips“ (2013) mit Tom Hanks somalischen Piraten. 2024 kam mit „Samia“ ein Film über eine Sportlerin aus Somalia in die deutschen Kinos. Er beschäftigte sich mit einer Läuferin, die 2012 an den Olympischen Spielen teilnehmen wollte und bei der Überfahrt mit einem Schlauchboot im Mittelmeer ertrank. Auch „Samia“ war eine europäische Produktion.
Die Welt hinter der Nachricht
Die politische Ebene spielt in „The Village Next to Paradise“ keine direkte Rolle, rauscht aber im Hintergrund mit, wenn in den Nachrichten mal wieder von einem Drohnenangriff die Rede ist. Dieser Film widmet sich also gleichsam der Welt hinter den Nachrichten. Staatliche Strukturen scheinen weitgehend zu fehlen; es gibt allerdings Milizen, die gelegentlich die von Mamargade transportierten Waren kontrollieren.
Keine Filmmusik unterlegt den Film, aber zwischendurch sorgen populäre Songs aus Somalia und Mali für etwas Leichtigkeit. Regisseur Mo Harawe und seinem Team gelingt es, der Falle der „Elendspornografie“ zu entkommen: pathetische Filme, die sich aus scheinbar empathischer, westlicher Perspektive an der Darstellung von Elend laben.
„The Village Next to Paradise“ ist der erste somalische Film, der in Cannes in der Reihe „Un Certain Regard“ gezeigt wurde. Harawe, der auch das Drehbuch geschrieben hat, lebt zwar seit vielen Jahren in Österreich, stammt aber selbst aus Somalia und hat dort bereits zwei Kurzfilme gedreht. Die meisten Schauspieler standen das erste Mal vor der von Mostafa El Kashef geführten Kamera. Harawe begleitet sie in langen Einstellungen durch ihr mühsames Leben, das sie mit großer Nüchternheit und ohne Hang zum Drama meistern – dabei ist ihre Heimat ein Land, in dem mit Bomben bestückte Drohnen niedergehen.
Überaus konzentriert
Für den behutsam erzählten Film mit seinen wortkargen Dialogen muss man ein bisschen Geduld mitbringen. Doch Mo Harawe ist mit seinem Langfilmdebüt ein überaus konzentriertes Werk gelungen, das bisweilen so spröde wirkt wie die staubige Landschaft, in der es spielt.