Drama | Südkorea 2024 | 90 Minuten

Regie: Hong Sang-soo

Eine geheimnisvolle Französin, die in Südkorea gestrandet ist, hat sich eine unorthodoxe Methode ausgedacht, um die Sprache ihres Heimatlandes zu unterrichten. Bei gemeinsamen Spaziergängen und Gesprächen über Gefühle hinterlässt sie persönliche Notizen auf Karteikarten, die ihre Schüler zuhause möglichst oft wiederholen sollen; ein Lehrbuch ist dafür nicht nötig. Erst nach und nach enthüllt sich durch die Doppelungen, Wiederholungen und Rekonfigurationen die tiefe Einsamkeit der Sprachlehrerin. Leichtigkeit, Komik und unterschwellige Verzweiflung gehen in dieser minimalistischen Komödie des südkoreanischen Autorenfilmers Hong Sang-soo Hand in Hand. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
YEOHAENGJAUI PILYO
Produktionsland
Südkorea
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Jeonwonsa Film
Regie
Hong Sang-soo
Buch
Hong Sang-soo
Darsteller
Isabelle Huppert · Lee Hye-Young · Kwon Hae-hyo · Cho Yun-hee · Ha Seong-guk
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
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IMDb | TMDB

Minimalistische Komödie um eine Französin, die in Südkorea gestrandet ist und sich mit einem eigenwilligen Sprachunterricht über Wasser zu halten versucht.

Aktualisiert am
10.02.2025 - 16:20:27
Diskussion

Glücklich – stolz – genervt. Man muss nur hartnäckig nachfragen, und schon kann sich das Empfinden einer soeben erlebten Situation von einem auf den anderen Moment tiefgreifend ändern. Und das nicht unbedingt zum eigenen Vorteil. „What did you feel?“, will „Airis“ oder vielmehr Iris, in „A Traveler’s Needs“ von drei verschiedenen Personen wissen, die ihr soeben ein Musikstück auf einem jeweils anderen Instrument (Klavier, Gitarre, Keyboard) vorgespielt haben. Die harmlos daherkommende Frage bohrt sich durch die Gefühlsoberfläche hindurch, um in den Tiefen nach unschönen emotionalen Wahrheiten zu stochern. „But what did you really feel?“

Ein paar Sätze aus dem Alltag

Iris (Isabelle Huppert) ist die Frau, die fragt. Eine Französin mit Sonnenhut, Stift und Notizblock in Südkorea, über die so gut wie nichts bekannt ist, außer dass sie gerne barfuß läuft und Makgeolli liebt, ein traditionelles alkoholisches Getränk, das für sie den Stellenwert einer vollwertigen Mahlzeit hat. Außerdem hat sie sich, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, eine „persönliche“ Methode des Sprachunterrichts ausgedacht. Kein Lehrbuch, sondern ein paar dem Leben entnommene und recht frei übersetzte oder vielmehr interpretierte Sätze, die sie während des gemeinsamen Zeitvertreibs auf eine Karteikarte kritzelt und zur nächsten Unterrichtsstunde auf Audiokassette gesprochen wiederverlangt.

Eine junge Frau und ein Paar hat sie bereits als Schülerinnen oder, wie die Ehefrau es nennt, „Versuchskaninchen“ gewonnen. Ob die Methode funktioniert, weiß sie selbst nicht so genau – „I hope it works“. Aber immerhin, so kann Iris versichern, werden dabei keine Organe entnommen.

Mit „A Traveler’s Needs“ kehrt der Regisseur Hong Sang-soo zu einer Struktur der Doppelungen, Wiederholungen und Neukonfigurationen zurück, die sich in seinen jüngsten Filmen immer mehr verflüchtigt hat. Bei einem Spaziergang kommen Iris und ihre Schülerinnen an einem Grabstein vorbei. Beim Sprechen über die Inschrift wird erneut die Gefühlsfrage gestellt; von „Happiness“ ist dabei längst nicht mehr die Rede, dafür von Verlegenheit und Mitleid.

Von Schicht zu Schicht

Gäbe man die Frage zurück, würde sich wohl ein Abgrund auftun. Denn Iris ist vermutlich die einsamste und verlorenste Figur, die je in einem Film von Hong Sang-soo zu sehen war. Was vor allem mit den etwas forcierten Spiel von Isabelle Huppert zu tun hat; in ihrer inzwischen dritten Zusammenarbeit mit Hong Sang-soo fällt es ihr sichtbar schwer, sich zurückzunehmen.

Nach dem eher leichten, komischen ersten Teil nimmt „A Traveler’s Needs“ eine Wendung ins unterschwellig Verzweifelte. Plötzliche Gefühlsausbrüche sind in den Filmen des südkoreanischen Regisseurs ein zentrales Element und fehlen auch hier nicht, wenn die Mutter des jungen Mannes, der Iris bei sich aufgenommen hat – als Freundin, Untermieterin, Geliebte, Lebensgefährtin, es bleibt bei der Andeutung –, ihren Sohn zur Rede stellt und ein chaotisches Gemisch aus Affekten aus ihr hervorbricht. Der junge Mann, so stellt sich heraus, hat Iris auf einer Parkbank aufgelesen. Sie spielte dort sehr schlecht auf einer Kinderblockflöte. Zu ihren Gefühlen hat sie niemand befragt.

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