Tatort - Zerrissen
Krimi | Deutschland 2023 | 89 Minuten
Regie: Martin Eigler
Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2023
- Produktionsfirma
- SWR
- Regie
- Martin Eigler
- Buch
- Sönke Lars Neuwöhner · Martin Eigler
- Kamera
- Andreas Schäfauer
- Musik
- Richard Ruzicka
- Schnitt
- Saskia Metten
- Darsteller
- Richy Müller (Thorsten Lannert) · Felix Klare (Sebastian Bootz) · Caroline Cousin (Annarosa Neuffer) · Louis Guillaume (David Ellinger) · Levin Rashid Stein (Theo Ellinger)
- Länge
- 89 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Krimi
Krimi um einen 13-jährigen Jungen, der nicht weiß, ob er seiner kriminellen Familie oder einer Sozialarbeiterin vertrauen soll, in die er sich verliebt hat.
„Trauen darf man nur Familienmitgliedern!“, warnt der im Gefängnis sitzende Vater. „Du kannst mir vertrauen!“, sagt hingegen die Sozialarbeiterin Aro (Caroline Cousin), die in der Jugendeinrichtung tätig ist, in der David (Louis Guillaume) wohnt. Der 13-Jährige ist unsicher, verwirrt, auf der Suche. Wem soll er Glauben schenken? Die unabhängige Aro findet er toll, und er ist auch ein wenig verliebt in die junge Frau. Doch Blut ist bekanntlich dicker als Wasser.
Oder in manchen Familien noch ein wenig zähflüssiger als in anderen. Zum Beispiel bei den Maslovs und den Ellingers, zwei miteinander verschwägerten kriminellen Familienverbänden. „Zerrissen“ erzählt von einem Jungen, an dem mehrere Seiten zerren. Und von seinen Cousins, die mit Einschüchterung und notfalls auch Gewalt für sein Schweigen sorgen. Denn der (strafunmündige) Junge stand bei einem Überfall auf einen Juwelier Schmiere, bei dem eine Kundin getötet wurde. Doch auch die Ermittler Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) verfolgen Interessen; sie sehen in David den Schlüssel zur Aufklärung des Verbrechens.
Jeder will etwas von David
Lannert versucht es mit Kumpelei. Er fängt David – hart an der Grenze zum Illegalen – nach der Schule ab und lässt ihn mit seinem Porsche fahren. Aber auch die idealistische Sozialarbeiterin lässt David nicht einfach sein, sondern projiziert ihre eigenen Sehnsüchte und Vorstellungen von Widerstand und Systemkritik auf den Jugendlichen. Dabei geht es ihr als Einziger wirklich um Davids Wohl. Sie versucht, ihn in seiner Persönlichkeit und Autonomie zu stärken, was auch der Junge spürt, der die coole, kampfsporterprobte Frau vergöttert. Doch kann er ihr vertrauen und ihr seine Mitwirkung bei dem Überfall gestehen?
Die Drehbuchautoren Sönke Lars Neuwöhner und Martin Eigler, der auch die Regie führte, haben ein intensives, feinfühliges Krimidrama geschrieben, das angenehm schlank und nicht überladen ist. „Zerrissen“ erzählt von Familienbanden, Vertrauen und am Rande auch von den Mängeln staatlicher Institutionen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger: Selten genug, dass ein Fernsehkrimi sich auf lediglich zwei oder drei Themen konzentriert.
Dieser Fokus tut der Story gut, die stimmig aus den Figuren, Bildern und Dialogen entwickelt wird und nur hie und da kleine dramaturgische Ungereimtheiten aufweist, welche aber nicht weiter ins Gewicht fallen. Auch inszenatorisch und optisch ist der Film gelungen, der auf eher leise Töne und düster-innerliche, braun-blau-grün gehaltene Bildwelten setzt. Er bleibt nahe an der zentralen Figur, behält aber auch das zwischenmenschliche Netzwerk, das diese umgibt, stets im Blick. Die Charaktere überzeugen und schillern nuancenreich, ausgenommen vielleicht der Bösewicht Mikel (Oleg Tikhomirov), der vor allem aggressiv ist.
Ein letztes Refugium
Stimmig und vielschichtig sind neben Aro auch die weiteren Frauenfiguren gezeichnet, Davids drogensüchtige Schwester Julia (Caroline Hellwig) sowie seine Oma (Maria Mägdefrau). Die bietet mit ihrem Häuschen gewissermaßen das letzte Refugium der noch in Freiheit verbliebenen Familienmitglieder. Ihre Enkelkinder verteidigt sie kompromisslos, auch wenn sie womöglich ahnt, dass sie von ihnen über deren illegale Aktivitäten belogen wird.
Getragen werden die Figuren von durchweg präzisen Schauspielleistungen; allen voran der erst 16-jährige Louis Guillaume – eine Idealbesetzung für die Figur des sensiblen, nach seinem Weg suchenden David. Doch auch die Kommissare, insbesondere Bootz, sind hier nachdenklich und selbstreflexiv unterwegs: sie sind gleichfalls auf der Suche. Nach einem verantwortungsvollen Umgang mit dem jungen Zeugen David. Und ein bisschen auch nach der Bestätigung, dass die Polizei letztlich eben doch zu den Guten gehört.