Enthüllung einer Staatsaffäre
Politthriller | Frankreich 2021 | 115 Minuten
Regie: Thierry de Peretti
Filmdaten
- Originaltitel
- ENQUÊTE SUR UN SCANDALE D'ÉTAT
- Produktionsland
- Frankreich
- Produktionsjahr
- 2021
- Produktionsfirma
- Les Films Velvet/Arte France Cinéma/Les Productions du Ch'timi/Rectangle Prod./Srab Films
- Regie
- Thierry de Peretti
- Buch
- Thierry de Peretti · Jeanne Aptekman
- Kamera
- Claire Mathon
- Schnitt
- Marion Monnier
- Darsteller
- Roschdy Zem (Hubert Antoine) · Pio Marmaï (Stéphane Vilner) · Vincent Lindon (Jacques Billard) · Julie Moulier (Julie Mondoloni) · Alexis Manenti (Alexis Novinard)
- Länge
- 115 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Politthriller
- Externe Links
- IMDb
Politthriller um einen früheren Undercover-Mitarbeiter der französischen Drogenfahndung, der schwere Vorwürfe gegen seine damaligen Vorgesetzten erhebt.
Marbella 2012, eine schöne Villa am Strand. Ein großer Mann streift ziellos umher, offenbar nervös, weil etwas nicht stimmt, wie er im Telefongespräch mit seiner Freundin gesteht. Plötzlich rasen drei Schnellboote heran, Lieferwagen fahren vor, Männer verstauen blaue Pakete, bis die Ladung im Hinterhof eines Anwesens verschwindet, immer beobachtet von dem Mann. Offenbar geht es um Drogenschmuggel, von Marokko über Spanien nach Frankreich.
Drei Jahre später in Marseille. Jacques Billiard (Vincent Lindon), Chef der zentralen Drogenfahndung in Frankreich, referiert über den Kampf gegen den Drogenhandel, und zwar auf allen Ebenen. „Wir kartografieren und dokumentieren. Wir folgen der Droge.“ Dazu gehört auch, dass die französische Polizei sogenannte „kontrollierte Lieferungen“ durchführt, also selbst als Drogenhändler auftritt, um die Hintermänner aufzuspüren. Es gibt allerdings ein Problem: Bei Beschlagnahmungen wird nicht jede Tonne Marihuana wiedergefunden; das Gros der Ware bleibt im Umlauf. Die Oberstaatsanwältin ist deshalb über Billiards Methoden entsetzt.
Der Stein kommt ins Rollen
Doch der Stein kommt erst ins Rollen, als Hubert Antoine (Roschdy Zem), der Mann vom Anfang des Films, den Redakteur Stéphane Vilner (Pio Marmaï) kontaktiert, der bei der Zeitung „Libération“ arbeitet. Er sei ein ehemaliger Undercover-Agent der Drogenfahndung und habe Beweise für die Machenschaften von Billiard. Vilner beginnt zu recherchieren. Zwischen den beiden Männern entwickelt sich sogar eine Art Freundschaft. Doch mehr und mehr zeigt sich, dass sie unterschiedliche Ziele verfolgen.
„Muss man in Frankreich einen Pablo Escobar erschaffen, um 40 Drogenhändler zu schnappen?“, wird einmal gefragt, und das macht das moralische Dilemma deutlich: der Staat als Drogenhändler. Während Billiard stets behauptet, eine großangelegte Strategie zu verfolgen, klagt ihn Vilner der persönlichen Bereicherung an. Wer hat recht? Und wird Billiards Vorgehen vielleicht sogar von den zuständigen Politikern gedeckt? Klar ist, dass sich Vilner durch seine Enthüllungen in Gefahr bringt, während Billiard um seine Reputation kämpft.
Mit einem Mal ist der Film, der auf dem Buch „L’Infiltré“ von Hubert Avoine und Emmanuel Fansten beruht, das wiederum auf den Fall „François Thierry“ zurückgeht, mittendrin in einer Mischung aus journalistischer Recherche und verschwörerischem Politthriller; das Drehbuch wurde bei den „Césars“ 2023 als beste Adaption nominiert.
Den Weg durch das Dunkel finden
Regisseur Thierry de Peretti wählt dabei einen halbdokumentarischen Stil, der den Akteuren sachlich, fast unbeteiligt zusieht, häufig aus der Distanz, oder sie in hitzigen Dialogen ihre Standpunkte ausfechten lässt. Der Zuschauer muss dabei, ähnlich wie der recherchierende Journalist, die Informationen verstehen und einordnen, die Wahrheit herausfiltern und irgendwie einen Weg durch das Dunkel finden. Doch ähnlich wie im Paranoia-Klassiker „Zeuge einer Verschwörung“ (1974) von Alan J. Pakula verlaufen auch hier die Recherchen im Sand. Das Buch, das Vilner und Antoine über den Fall schreiben, erregt kein Aufsehen und bleibt ohne Folgen.
Spannend ist auch die Beziehung zwischen Informant und Journalist. Roschdy Zem und Pio Marmaï verkörpern vielschichtige, widersprüchliche Figuren, deren Freundschaft überaus fragil ist. Die Zeichnung der Charaktere, die Vagheit der Spuren, die Ambiguität der Informationen, das Für und Wider der Diskussionen, aber auch die spärlich akzentuierten Actionszenen tragen so zu einer bedrohlichen Atmosphäre bei, die durch das fast quadratische, beengende 4:3-Format noch verdichtet wird. Hier kann man niemanden trauen, schon gar nicht dem Staat. Schlimmer aber noch ist, dass sich am eigentlichen Problem, dem Drogenhandel, nichts ändert.