Action | USA 2023 | 127 Minuten

Regie: J.C. Chandor

Als ein Junge bei einem Jagdausflug von einem Löwen attackiert wird, rettet ihm ein Zaubertrank das Leben und stattet ihn überdies mit Superkräften aus. Als Erwachsener geht er unter dem Namen Kraven auf Verbrecherjagd, muss sich jedoch auch immer wieder seinem dominanten Vater stellen, einem erbarmungslosen russischen Gangsterboss. Die Ursprungsgeschichte des Comic-Bösewichts Kraven wird als eine Mischung aus Familiendrama über gewaltgeprägte Männlichkeit, düsterem Gangsterfilm und Superheldendrama erzählt. Es gelingt aber weder, den Konflikten die nötige Tiefe zu geben, noch die fantastischen Momente dynamisch umzusetzen. Auch vermag der blasse Hauptdarsteller den zerfahrenen Film nicht zu retten. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
KRAVEN THE HUNTER
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Arad Productions/Matt Tolmach Productions/Sony Pictures Entertainment
Regie
J.C. Chandor
Buch
Matt Holloway · Art Marcum · Richard Wenk
Kamera
Ben Davis
Musik
Evgueni Galperine · Sacha Galperine · Benjamin Wallfisch
Schnitt
Craig Wood
Darsteller
Aaron Taylor-Johnson (Sergei Kravinoff/Kraven) · Russell Crowe (Nikolai Kravinoff) · Ariana DeBose (Calypso) · Christopher Abbott (The Foreigner) · Alessandro Nivola (Aleksei Systevich/Rhino)
Länge
127 Minuten
Kinostart
12.12.2024
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Action | Comicverfilmung | Science-Fiction
Externe Links
IMDb | TMDB

Ursprungsgeschichte um den Marvel-Bösewicht, der als Junge zu Superkräften kommt und sich im Kampf gegen seinen patriarchalen Vater zum Verbrecher-Jäger entwickelt.

Diskussion

Mann oder Memme? Das entscheidet sich für Patriarch Nikolai bei der Jagd. Seinen Sohn Sergei und dessen sensiblen Bruder Dimitri holt er aus dem Elite-Internat, um ihnen in der tansanischen Steppe eine Lektion in Härte zu erteilen. Hier sollen die Jungs lernen, furchtlos, stark und dominant zu werden. Russell Crowe verkörpert den mitleidslosen russischen Vater und Gangsterboss mit einer Spielfreude, die jedes Klischee genießerisch auskostet. Mit kaltem Blick, brummendem Bass und hartem Akzent legt er in knackigen Einzeilern sein erbarmungsloses Regiment offen.

Die Ursprungsgeschichte „Kraven the Hunter“ über den gleichnamigen Marvel-Bösewicht ist vor allem die eines Vaterkomplexes. Nachdem Sergei von einem Löwen angegriffen wird, rettet ihm ein mysteriöser Zaubertrank das Leben. Von nun an sind seine Sinne geschärft und seine Kraft wächst ins Übermenschliche. Diese Fähigkeiten geben ihm auch den Mut, sich aus den Klauen des tyrannischen Nikolai zu retten.

Das Dunkle, das in ihm schlummert

Bevor Sergei als Erwachsener (Aaron Taylor-Johnson) begreift, dass er früher oder später unweigerlich selbst zu seinem gehassten Vater wird, kämpft er gegen diese Entwicklung an. Wie Nikolai wird auch er zum Jäger, jedoch im Namen des Guten. Als Kraven knöpft er sich Wilddiebe und Verbrecher jeglicher Couleur vor. Und das mit einer Brutalität, die schon auf das Dunkle verweist, das in ihm schlummert. Mit der Anwältin Calypso (Ariana DeBose), die ihm einst den Zaubertrank verabreicht hat, vereint ihn dabei der Kampf um Gerechtigkeit.

Der Film über den späteren Erzfeind von Spider-Man lässt schon früh durchschimmern, dass er sich mehr für den moralischen Zwiespalt, das Familiendrama sowie das Gangster-Setting interessiert als für seine Superhelden-Geschichte. Regisseur J.C. Chandor, der bislang überwiegend kleinformatigere Genrestoffe inszeniert hat, begreift gewaltgeprägte Männlichkeit als unausweichlichen Fluch. Ganz von seinem Vater kann sich Sergei nicht trennen, weil er auch seinen schüchterner Bruder Dimitri (Fred Hechinger) beschützen muss. Je vehementer er Nikolai bei jeder unfreiwilligen Begegnung zurückweist, desto ähnlicher wird er ihm.

Ohne spielerischen Zugang

Die fantastischen Elemente lassen in „Kraven the Hunter“ zwar nicht lange auf sich warten, aber schon Sergeis Superkräfte werden recht lieblos abgehandelt. Man erfährt zwar, dass er mit einem ausgeprägten Seh- und Geruchssinn ausgestattet ist, doch der Film findet keinen spielerischen Zugang zu diesen Fähigkeiten. Das Fantastische versteht Chandor nur theoretisch als Verstärkung des Emotionalen. Etwa bei Kravens späterem Gegner, dem Nashornmenschen Rhino (Alessandro Nivola), der wegen einer Demütigung zum Bösen gefunden hat. So liegt die Bedrohung zwar in einem männlichen Minderwertigkeitskomplex, aber sobald sich die Menschen verwandeln, fühlt man sich angesichts des düster-realistischen Looks wie in einem anderen Film. Die für eine 130-Millionen-Dollar-Produktion ausgesprochen hässlichen CGI-Effekte wirken wie unnötiger Ballast.

Vielleicht wäre „Kraven the Hunter“ besser beraten gewesen, seine Origin-Story im Stile von Todd Phillips’ „Joker“ als Psychodrama um einen zerrissenen Helden anzulegen. Doch es fehlt nicht nur der Action an Virtuosität, sondern den Konflikten auch an Tiefe. Offensichtlicher Schwachpunkt des Dramas ist der frappierend uncharismatische Hauptdarsteller Aaron Taylor-Johnson. Vielleicht wollte man Sergei nicht zu sympathisch zeichnen, um seinen späteren Wandel vorwegzunehmen. Aber Taylor-Johnson verkörpert weder den Spaß am Bösen, wie es Russell Crowe tut, noch vermittelt er die Spannung eines Grenzgängers zwischen Gut und Böse. Sein Ausdrucksrepertoire besteht lediglich aus einem selbstgefällig überlegenen Grinsen und einer versteinerten Mine, wenn es mal ernst wird.

Fortsetzungen sind möglich

Der Rest ist ein großes, uninspiriertes Durcheinander ohne dramaturgisches Gespür. Viel zu viele Figuren kämpfen sich durch lahme Actionszenen, während Hintertürchen für mögliche Fortsetzungen offengelassen werden. Die Entscheidung wird zwar an der Kinokasse getroffen, aber es ist nur schwer vorstellbar, dass aus diesem missglückten Auftakt ein neues Franchise wird.

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