Dem Brockhaus ist Kafkas letzte Liebesbeziehung nur eine Zeile wert: „Ende Sept. 1923 Übersiedlung nach Berlin, wo er mit Dora Diamant zusammenlebte.“ Das steht im großen Gegensatz zur Überschwänglichkeit des Filmtitels „Die Herrlichkeit des Lebens“, aber auch zu Kafkas Selbsteinschätzung: „Ich befinde mich auf der Schwelle zum Glück“, schreibt er an seinen Freund Max Brod. In diesem Satz ist eine kleine Unsicherheit verborgen: Richtig glücklich konnte Kafka nicht sein, zumal er wusste, dass er bald sterben würde. Doch dem Glück nahe zu sein, ist manchmal nicht minder bedeutsam.
Die Fabel von Maus und Katze
Im Sommer 1923 erholt sich der an Tuberkulose leidende Franz Kafka im Haus seiner Schwester Elli, das in Graal-Müritz an der Ostsee liegt. Am Strand fällt er sogleich auf: Anzugjacke, Schlips, Hut und geputzte Halbschuhe. Nicht sehr praktisch bei der Hitze, zumal alle anderen nur Badekleidung tragen. Die Kinder hängen trotzdem an seinen Lippen, als er ihnen die Fabel von der Maus und der Katze erzählt. Eine Fabel, die für die Maus nicht gut ausgeht und so das Thema des Todes vorwegnimmt.
Dann lernt Kafka zufällig die Erzieherin Dora Diamant kennen, die aus Polen stammt. Eine schöne, natürliche Frau mit lockigen Haaren. Sie ist 15 Jahre jünger als Kafka, lebenstüchtig und pragmatisch. Tanzen kann sie auch, während er noch nicht einmal seiner größten Fähigkeit, dem Schreiben, vertraut. Zwei Menschen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Doch die Liebe macht alle Gegensätze vergessen. Gemeinsam ziehen sie nach Berlin. Doch mit dem Umzug ändert sich auch die Stimmung. Das Licht, die Wärme und die Luft der Ostsee weichen der Dunkelheit und Kälte in einem möblierten Zimmer, in dem ein altersschwacher Kohleofen gefährlich vor sich hinschmaucht. Kafkas Gesundheitszustand verschlechtert sich zusehends. Doch er will Berlin partout nicht verlassen.
Kafkas Wirkung auf Frauen
Das Regie-Duo Georg Maas und Judith Kaufmann erzählt nach dem Drehbuch von Michael Gutmann und der gleichnamigen literarischen Vorlage von Michael Kumpfmüller eine romantische Liebesgeschichte. „Boy meets Girl“, ist man fast versucht zu sagen, auch wenn diese Saloppheit den Kern der Geschichte nicht ganz trifft. Immerhin ist es Franz Kafka, einer der bedeutendsten Schriftsteller in deutscher Sprache, der sich hier verliebt. Ein introvertierter, zurückhaltender Mann, dem seine Krankheit nicht mehr viel Zeit lässt. Dass er trotzdem eine gewisse Wirkung auf Frauen ausübt, gehört zu den schönen Erkenntnissen dieses Films, der ganz von seinen beiden Hauptdarstellern Sabin Tambrea und Henriette Confurius geprägt wird.
Während Tambrea etwas seltsam Entrücktes hat, ungelenk dasteht und sich sehr gewählt ausdrückt, überzeugt Confurius durch ihr Temperament und ihre Schönheit. Sie lachen zusammen, diskutieren, baden im Meer, machen Ausflüge mit dem Motorrad. In Berlin bewältigen sie gemeinsam den Alltag. Beiden tut diese Liebe gut. Der Filmtitel macht das von Beginn an deutlich, auch wenn man um den tragischen Ausgang weiß – Kafka starb ein Jahr später in einem Sanatorium in der Nähe von Wien.
Ein tiefer Sinn fürs Paradoxe
Ganz nebenbei geht es auch um Kafkas schriftstellerisches Schaffen. Schon der erste Satz aus „Die Verwandlung“, im Off vorgelesen, beweist seinen Sinn für Paradoxie und Verrätselung. Kafkas schwieriges Verhältnis zu seinem Vater wird ebenso thematisiert wie seine Selbstzweifel. Einmal wirft Kafka zahlreiche Manuskripte ins Ofenfeuer, weil ihm das Geschriebene nicht gut genug erscheint. Kaum zu glauben, dass er sich so sehr irren konnte.