Der Kurzfilm im Kino ist tot, längst gestorben, jeder weiß es. Doch manchmal machen Tote nachhaltig auf sich aufmerksam, mahnen an, daß man sie zu Unrecht vergessen hat. "Wallace & Gromit", eine Zusammenstellung der englischen Produktionsfirma "Aardman Aminations", ist ein solcher Fall. Hier werden Witz, Ideenreichtum und eine Begeisterung am Kino vorgeführt, die Seltenheitswert in unserer Kinolandschaft haben. Ein kleines Politikum ist es, das ein Verleih den Mut hatte, entgegen allen Marktchancen, die Zusammenstellung ins Kino zu bringen. Minimiert wird das Risiko durch eine Fülle von Preisen, die diese Plastilinfilme inzwischen eingeheimst haben (Video Awards, "Oscar"-Nominierungen, zwei "Oscars"), doch der Kinobesuch mit sehr spärlichem Publikum läßt dann doch wieder Zweifel aufkeimen. Zu entdecken gibt es mehr als genug. Nicht nur in Peter Gabriels Musik-Video "Sledgehammer" (Regie: Stephen Johnson), das den Popstar konsequent den Künsten der Trickfilm- und Plastilinspezialisten unterordnet, sondern auch in den "zweidimensionalen" Hunde-Geschichten "Rex the Runt", die allerdings ein eigenwilliges, mitunter bizarres Humorverständnis voraussetzen. "Adam", eine sehr freie Interpretation der Schöpfungsgeschichte, läßt den Figurenbildner immer wieder - "an Gottes statt" - in die Geschichte eingreifen, und der macht seine Arbeit wahrlich nicht gut, bürdet dem kleinen, einsamen Kerl auf dieser Erde viel zu viel auf.Höhepunkt des Pakets sind die Arbeiten von Nick Park, er ist bei "Sledgehammer" für die tanzenden Gefrierhähnchen verantwortlich. "Creature Comforts" ist ein kleiner Geniestreich. Zu real geführten Interviews über Wohnsituationen und Lebensgewohnheiten sind Plastilin-Zootiere animiert worden, die sich nun über ihren beengten Lebensraum auslassen und von Steaks und der Freiheit träumen, die mitunter mit ihrer "Zoosituation" durchaus zufrieden sind, aber wissen, daß es irgendetwas Wichtigeres hinter dieser Zufriedenheit geben muß. So liegt die Raubkatze auf ihrem Baum und träumt von Brasilien, wo das Fleisch frischer und viel mehr Raum ist - wo das Leben sicher jedoch auch anstrengender wäre.Die beiden "Wallace & Gromit"-Filme sind sicherlich die Herzstücke der Zusammenstellung. "A Grand Day Out": Ein Feiertag verschlägt den etwas tumben "english man" und seinen treuen Hund Gromit auf den Mond, weil zu Hause der Käse ausgegangen ist, die Leibspeise der beiden, und der Mond bekanntlich ja aus Käse ist. Mit der selbstgebauten Rakete am Reiseziel angelangt, haben sie Schwierigkeiten, die einzelnen Mond-Käsemarken zu bestimmen, zusätzliche Probleme bereitet ein verrosteter Automat, der sich in den Traum vom Skifahren verloren hat. Parks Meisterstück ist "The Wrong Trousers" ("Oscar" 1994), eine Plastilin-Geschichte, die man kaum nacherzahlen kann. Hund Gromit bekommt zum Geburtstag "Nasa-Hosen" geschenkt, die ihn automatisch spazierenführen. Gleichzeitig taucht ein dubioser Pinguin auf, der als Untermieter Wallaces Vertrauen erschleicht und überaus böse Absichten hat. In der Verkleidung eines Huhns wird er das Herrchen und die elektronischen Hosen nutzen, um in dem Besitz eines kostbaren Diamanten zu gelangen. Zwischenzeitlich streift Gromit herrenlos durch die Stadt, doch er kommt hinter den Plan des Pinguins und kann das Schlimmste verhindern. Was folgt, ist die furioseste Verfolgungsjagd, die die Plastilin-Kinowelt je gesehen hat. Ein atemberaubendes Finish an dessen Ende Wallace und Gromit endlich wieder gemeinsam beim geliebten Käse-Cracker sitzen können.Bei "The Wrong Trousers", einem tatsächlichen Kinoerlebnis, stimmt alles. Die Suspense-Atmosphäre ist Hitchcock-Filmen entlehnt, die Musik ist perfekt eingesetzt, die Hintergründe wirken sehr real und bilden einen reizvollen Kontrast zu den Plastilin-Figuren. Und die Verfolgungsjagd, die erst durch wohlüberlegte Aufnahmetechnik ihre Dynamik erreicht - sie kopiert stilvoll die "Indiana Jones"-Abenteuer - überzeugt durch eine atemberaubende Rasanz, die dem eher behäbigen Metier der "Knet-Püppchen" eine neue Zukunft prophezeien. Dreizehn Monate hat Nick Park an seinem Film gearbeitet; Plastilin ist geduldig und - was viel wichtiger ist - billiger (wer könnte Arnold Schwarzenegger 13 Monate unter Vertrag nehmen?), und allein das zeigt, wie sehr sein Macher am Kino hängt, dieser immer alberner werdenden Institution der Zerstreuung, die sich immer häufiger nur noch selbst kopiert. Parks Arbeiten geben, bei aller Skepsis, ein wenig Hoffnung."Aardman Animations" wurden 1972 von den arbeitslosen Kunststudenten David Sproxton und Peter Lord gegründet. Bis zu den ersten Erfolgen hielt sich die Firma mit Auftragsarbeiten über Wasser. Nick Park ist mittlerweile der kreativste Kopf des gewachsenen Teams. Die Disney-Studios sind auf die Firma aufmerksam geworden, unterbreiten Angebote - Management und Mitarbeiter wären gut beraten, wenn sie erst mal einen Käse-Cracker essen und sich nicht an dem großen Brocken verschlucken würden.