A Human Position
Drama | Norwegen 2022 | 78 Minuten
Regie: Anders Emblem
Filmdaten
- Originaltitel
- A HUMAN POSITION
- Produktionsland
- Norwegen
- Produktionsjahr
- 2022
- Produktionsfirma
- Vesterhavet
- Regie
- Anders Emblem
- Buch
- Anders Emblem
- Kamera
- Michael Mark Lanham
- Musik
- Eirik Slinning Korsnes
- Schnitt
- Anders Emblem
- Darsteller
- Amalie Ibsen Jensen (Asta) · Maria Agwumaro (Live) · Lars Halvor Andreassen (Geir-Åge) · Pål Bakke (Kollege) · Kjetil Dyb Lied (Lars Tore)
- Länge
- 78 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Eine junge Journalistin durchlebt den unaufgeregten Alltag einer norwegischen Kleinstadt, bis der Fall eines Asylbewerbers ihre Aufmerksamkeit erregt.
Das dämmernde Licht der blauen Sommerstunden legt sich über die kleine norwegische Hafenstadt Ålesund. Holz- und Backsteinhäuser im Jugendstil säumen das Ufer zwischen Meerenge und Gebirgskette. Auf den Straßen herrscht kaum Verkehr. Eine junge Frau wandert auf eine Anhöhe über die Stadt und blickt sich ratlos um. Passiert hier etwas? Diese Frage stellt man sich unweigerlich angesichts der statisch-pittoresken Stadtimpressionen.
Vermutlich stellt sich auch Asta (Amalie Ibsen Jensen) diese Frage, wenn sie morgens die Lokalzeitung aufschlägt, für die sie arbeitet. Danach geht es für die junge Journalistin in die Redaktion. Die Ruhe der Kleinstadt herrscht auch dort vor. Alle sind im Sommermodus. Es ist Astas erster Tag nach einer längeren Pause – von was, bleibt ungeklärt. Weder sie noch ihre Kollegschaft machen großes Aufsehen darum. Der Alltag nimmt seinen unaufgeregten Gang.
Die Reporterin interviewt den Inhaber eines Fanshops, der die aktuelle Saison mit einem Schimpfwort zusammenfasst, und spricht mit einer Demonstrantin, die sich für die Jugendstilgebäude einsetzt. Danach tippt Asta den Artikel für die nächste Morgenausgabe.
Das Rauschen der Bäume
„A Human Position“ von Anders Emblem ist Slow Cinema par excellence. Der in Festivalkreisen beliebte Ausdruck „Slow Cinema“ bezieht sich hier nicht auf die Langsamkeit der Stadt, sondern auf das Deleuze’sche Zeitbild, worin Bilder und Töne sich von der Narration lösen. Das heißt in diesem Fall, dass man mehr dem Rauschen der Bäume und den alltäglichen Bewegungen von Asta zusieht, als einer konkreten Handlung zu folgen. Das Zerfließen der Zeit passt zu dem Gefühl der Zeitlosigkeit in den nordischen Sommernächten, wenn Tageslicht und Vogelgezwitscher nie aufhören und die jeweilige Uhrzeit nur über das Radio hörbar wird.
Außerdem fehlt jegliche Psychologisierung der Hauptfigur. Die Pause von der Arbeit und die Narbe auf Astas Bauch kann man miteinander in Beziehung bringen, muss es aber nicht. Regisseur Emblem verweigert sich einfachen Kurzschlüssen. Stattdessen beobachtet er sehr genau die Mimik der Schauspielerin. Astas teilnahmsloser oder trauriger Blick (Adjektive sind für das Zeitbild fast schon zu viel Interpretation) durchzieht als wiederkehrendes Motiv die durchkomponierten Filmbilder. Egal ob sie zuhause auf dem Sofa mit ihrer Mitbewohnerin Live (Maria Agwumaro) einen Film sieht oder für einen Artikel recherchiert: Es lässt sich keine innere Motivation ablesen.
Ein Fall ohne Skandal
Einzig der Fall eines abgeschobenen Asylbewerbers erweckt Astas Interesse. Sie telefoniert mit einer Anwältin, besucht das Rathaus, die Fabrik und das Heim, in dem der Mann lebte, doch meistens erfährt Asta nichts Besonderes. Ein ehemaliger Kollege bescheinigt dem Immigranten gute Eigenschaften; der Heimleiter kann aus Sicherheitsgründen nichts sagen. Ein Skandal bleibt aus; die Abschiebung vermag es nicht, die Ruhe des Ortes nachhaltig zu stören.
„A Human Position“ ist eine interessante Versuchsanordnung, da die statischen Einstellungen, die langsame Schnitte und auch die immer etwas neben den Dingen stehendende Protagonistin einen Gegensatz zum aufklärerisch-hektischen Impuls gängiger journalistischer Investigationsfilme bilden. Die Aufmerksamkeit von Asta wird während eines Interviews, das sie im Zuge ihrer Recherchen rund um den Abgeschobenen führt, einmal auf eine vorbeifahrende Fähre und ein andermal auf einen Müllhaufen gelenkt. Insofern könnte man den Film durchaus als Parabel auf die Unfähigkeit lesen, sich aus europäischer Perspektive auf die Lebensrealität eines Asylbewerbers einzulassen.
Arm in Arm
Astas nicht näher erläuterte persönliche Krise hat damit auch politische Folgen, weil der Fall nicht gelöst wird. Die Inszenierung konzentriert sich konsequenterweise auch dann ganz auf die junge Frau, als ihr ihre Freundin auf dem Klavier ein selbstkomponiertes Lied vorspielt. In Astas Gesicht machen sich Emotionen bemerkbar, die sich kaum in eine wörtliche Beschreibung überführen lassen. Man kann nur festhalten, dass sich in der letzten Einstellung Asta und Live einen Stuhl teilen – Arm in Arm, während die blauen Stunden endlos vorüberziehen.