Narvel (Joel Edgerton) ist der asketisch lebende Chefgärtner auf einem großen Anwesen: Ein wahrlich herrschaftliches Haus, das nicht von ungefähr an das Haupthaus einer ehemaligen Plantage erinnert, einem kolonialistischen Echo gleich. Die Herrin über die Ländereien ist die immer noch von Bediensteten umsorgte Norma Haverhill (Sigourney Weaver), die sich Narvel auch gerne ins Bett bestellt. Die Hierarchien sind klar: Er kümmert sich liebesvoll um die Blumen und Pflanzen, stellt keine großen Ansprüche und zeigt sich sexuell verfügbar, wenn sie es möchte.
Narvel hat eine sehr dunkle Vergangenheit, die Norma auszunutzen weiß. Seine Anstellung als Gärtner ist Teil des Zeugenschutzprogramms. Nachdem er gegen hochrangige Mitglieder der White-Pride-Neonazi-Szene ausgesagt hat, musste er untertauchen, sein altes Leben hinter sich lassen, wenngleich dieses ihn wie ein Gespenst verfolgt: Er selbst war als Killer unterwegs, hat mehrere Menschenleben auf dem Gewissen.
In einer Szene entledigt sich der sanftmütig erscheinende Mann seines hochgeschlossenen Hemdes – zurückgezogen in seiner an die Unterkunft eines Geistlichen erinnernde Hütte. Seinen gesamten Oberkörper zieren Nazi-Tätowierungen – der SS-Totenkopf grinst bösartig von seiner Brust. Es wird klar: Da war ein Mann mit seinem ganzen Leben einer Ideologie verschrieben. Diese lässt sich nun nicht wie ein Anzug abstreifen.
Als Norma Narvel bittet, sich um ihre ins Drogenmilieu verstrickte Großnichte Maya (Quintessa Swindell) zu kümmern und sie zur Gärtnerin auszubilden, bricht die geordnete Welt aus Leistung und Gegenleistung zusammen. Die junge schwarze Frau wird von ihrer Gönnerin ziemlich offensiv ignoriert. Ein harscher Rassismus, der bei Norma tief unter der Haut schwelt, dringt an die Oberfläche. Zudem glaubt ein gewalttätiger Expartner immer noch, gewaltvolle Besitzansprüche an Maya stellen zu können.
Ausgerechnet Narvel wird zum Mentor für die junge Frau, die ohne jegliche Orientierung durch das Leben taumelt. Mit den wachsenden Gefühlen zwischen den beiden verlorenen Seelen beginnen die Spannungen zuzunehmen: Eine Eskalation scheint unausweichlich. Aber kann Narvel seiner Vergangenheit entfliehen? Können die von der Gesellschaft zugewiesenen Rollen durchbrochen werden?
Von Einzelgängern und Erlösung
Beinahe das gesamte Schaffen von Paul Schrader – egal ob es sich nun um eigene Filme oder Drehbücher handelt – kreist auf die eine oder andere Weise um Schuld, Erlösung und die jeweiligen Obsessionen der Hauptfiguren. Das sind in der Hauptsache männliche Einzelgänger, erfüllt von Schmerz und Zweifel, die auf ihre eigene Art gegenüber einer wankenden Welt Haltung einnehmen. Die Figur des Travis Bickle, von Schrader als Drehbuchautor für Martin Scorseses „Taxi Driver“ entworfen, reagiert mit einer Gewalt, die in seinen Augen zu etwas Heiligem, Reinigenden verklärt wird, mit dem all der Schmutz und Dreck aus den Straßen New Yorks befördert werden kann. Mit ihm entwarf Schrader den Archetypus, den er in Filmen wie „Ein Mann für gewisse Stunden“ (1980) und „Light Sleeper“ (1992) variierte, thematisch erweiterte oder verengte.
Robert De Niro, Richard Gere, Willem Dafoe gaben in dieser ersten Trilogie über männliche Außenseiter und randständige Existenzen dem Schrader’schen Lebensthema einen Körper. Sie waren immer in der jeweiligen Zeit verortet, zogen ihre Reibungsflächen aus den gesellschaftlichen Konflikten. Und doch waren all diese Filme auch untrennbar mit den Gesichtern und dem Habitus der jeweiligen Schauspieler verbunden. Könnte man sich denn einen anderen Schauspieler als Willem Dafoe als melancholischen Drogendealer vorstellen, der wie ein ausgezehrt-sanfter Großstadt-Coyote durch die Straßen von New York streift und auf dem schmalen Grat zwischen Überleben und Vergehen balanciert?
2017 hat Schrader nach eher durchwachsenen Filmen mit dem hier in Deutschland nie offiziell veröffentlichten „First Reformed“ ein unglaubliches Comeback hingelegt. Auf diesen grandiosen Film mit Ethan Hawke als Priester folgte 2022 dann der von der Kritik regelrecht gefeierte „The Card Counter“ – eine subtile Rachegeschichte, die sich mit dem Trauma von Abu Ghraib, den Folgen des „War on Terror“ und dem Zirkel der Gewalt auseinandersetzt.
Kein Liebesfilm
Nun, ein Jahr später, hat Schrader auch diese Trilogie abgeschlossen und mit „Master Gardener“ einen herausfordernden und absolut großartigen Film abgeliefert. Nach Glaube und Rache wendet er sich hier der Liebe zu, wobei der Oberton dieser Erzählung weiterhin die Suche nach der Vergebung in Zeiten eines sich wieder ausbreitenden (oder vielmehr niemals verschwundenen) Rassismus ist. Kann es, ob der Gewalt, die Narvel aus ideologischen Gründen in die Welt gebracht hat, eine Vergebung geben?
Der Moment, in dem Maya ihren entkleideten Liebhaber vor sich sieht, ist durch und durch schmerzhaft. Warum er sich die Tattoos nie habe entfernen lassen, fragt ihn die Frau. Er hat darauf keine wirkliche Antwort, er hätte sich damit auseinandergesetzt. Womöglich sind diese Tätowierungen eine Art Martyrium, das den wortkargen Mann an sein Scheitern erinnern soll: Schau, so bist du gewesen.
Es ist aber auch ein starkes Bild, wie tief Rassismus und Xenophobie buchstäblich in unsere Körper und unsere alltägliche Praxis eingeschrieben sind. Die Figur der Norma steht für das historische Sediment, eine Geschichte voller Hass und Ausbeutung, die sich nun aufhübscht.
Auch wenn es mitunter den Anschein hat, so handelt es sich bei „Master Gardener“ nicht wirklich um einen Liebesfilm. Zwar entstehen zwischen Narvel und Maya zarte Bande. Der einfachen Romantik entsagt sich der Film aber. Vielmehr ist diese Beziehung eine Art Exorzismus mittels Seelenverwandtschaft.
Schrader wagt die Provokation, bringt einen wie auch immer geläuterten Neonazi mit einer schwarzen Frau zusammen und lässt dies in einem gleichzeitig sensibel-zarten wie auch eindringlich-forschen Film aufgehen. Geschickt setzt der Film dabei sein Garten-Natur-Thema ein. Der Gärtner kann nur einen Rahmen geben, den die Natur dann ausfüllt. Das Zarte und das Durchsetzungsfähige, eine Form von urwüchsigem Lebenswillen, setzen den gesamten Film unter eine eigenwillige, der Zeit enthobene Spannung. Die schönen Pflanzen und die prachtvollen Blumen sollen den dunklen Morast des Ressentiments, des Rassismus verdecken. Das zumindest wäre die eine Lesart, die eher Richtung Norma ausfällt. Narvel und Maya aber werden eine andere Geschichte ins Werk setzen: Aus dem schrecklichen Sediment des Traumas können mithilfe der Vergebung zarte Blüten der Hoffnung sprießen – und sei es am Straßenrand, magisch, leuchtend und mächtig.