Kopfgeldjäger Max (Christoph Waltz) geht sauber und verlässlich vor. Wie ehrenwert die Beweggründe seiner Auftraggeber sind, interessiert ihn dagegen wenig. Bei der Frage nach etwaigen moralischen Bedenken stellt er klar, dass er niemandem Rechenschaft schuldig ist: „Ich arbeite nur für mich selbst.“ Auch die meisten anderen Figuren in „Dead for a Dollar“ sind klassische Einzelkämpfer mit Tunnelblick und dem Daumen stets am Pistolenabzug. Der Wilde Westen macht seinem Namen hier als Haifischbecken widerstreitender Interessen alle Ehre. Weil der Einflussbereich der Sheriffs beschränkt ist, muss sich eben jeder um sich selbst kümmern.
Der rote Faden in „Dead for a Dollar“ ist der Auftrag eines Geschäftsmanns (Hamish Linklater), der seine verschwundene Frau sucht. Angeblich wurde Rachel (Rachel Brosnahan) vom schwarzen Deserteuer Elijah (Brandon Scott) entführt, doch bald stellt sich heraus, dass die beiden als Schicksalsgemeinschaft aus eigenen Stücken geflohen sind. Sie sind nicht die einzigen, die Max an seiner Pflichterfüllung hindern. Da wären etwa noch der kaltblütige Großgrundbesitzer Tiberio Vargas (Benjamin Bratt) und der gewiefte Kartenspieler Joe (Willem Dafoe), der sich an Max rächen will, weil dieser ihn vor einer Weile hinter Gitter brachte.
Walter Hill vertraut auf die Sogwirkung seiner Story
Das Setting, das Regisseur Walter Hill etabliert, lässt die Figuren verloren und ausgeliefert wirken. Immer wieder schwenkt die Kamera hoch zur flirrend glühenden Sonne oder schwebt über der kargen Wüstenlandschaft des einstigen New-Mexico-Territoriums. In den Totalen im Breitwandformat drohen die Menschen fast zu verschwinden. Die Ziele der Protagonisten wirken angesichts des martialischen und rechtslosen Miteinanders ein wenig aus der Zeit gefallen: Max' Unkorrumpierbarkeit ebenso wie Elijahs Flucht vor der Armee und Rachels Emanzipation von ihrem Mann. Dass sich die drei dann doch irgendwie miteinander arrangieren, ist mehr eine pragmatische als solidarische Entscheidung.
Walter Hill kehrt zu einem Sujet zurück, das ihn im Laufe seiner fast fünf Jahrzehnte umfassenden Regie-Karriere immer wieder beschäftigte. Ob der Western noch zeitgemäß ist, hat ihn schon in den 1990er-Jahren wenig interessiert, als er mit „Geronimo“, „Wild Bill“ und „Last Man Standing“ gleich drei Genrebeiträge in Folge drehte. Auch diesmal versucht er seinen Film nicht mit zeitgeistigen Bezügen aufzuwerten, sondern vertraut ganz klassisch auf die Sogwirkung der Geschichte und die Kraft seines Regie-Handwerks.
Glänzend auch mit bescheidenem Budget
Ein Produkt seiner Entstehungszeit ist „Dead for a Dollar“ aber schon deshalb, weil der einst in Hollywood umtriebige Hill heute nur noch „kleine“ Filme produziert bekommt. Das geringe Budget merkt man dem Film mitunter auch an, etwa am kontrastarm sandfarbenen Color Grading oder an Xander Rodzinskis Score, der manchmal Erinnerungen an Ennio Morricones berühmte Western-Melodien wachruft.
Dass Hill seinen Film dem Regisseur Budd Boetticher gewidmet hat, dürfte kein Zufall sein. So wie sich Boettichers Meisterschaft vor allem in billigen Western entfaltete, beweist nun Hill, dass ein guter Regisseur auch unter widrigeren Umständen glänzen kann. Den actionreichen Showdown etwa setzt er bescheiden, aber effizient und präzise um.
„Dead for a Dollar“ erinnert zwar an ein B-Movie, hält sich bei der Besetzung dank Stars wie Christoph Waltz und Willem Dafoe aber in der A-Klasse auf. Während Dafoe den kauzigen Kartenspieler, der zum Opfer seiner Vergeltungssucht wird, mit diebischem Spaß spielt, verzichtet Waltz zugunsten leiserer Töne auf seine charakteristisch süffisanten Manierismen. Verachtung wie auch Zuneigung drücken sich bei ihm oft nur durch einen beiläufig gesprochenen Nebensatz aus.
Rache, Intrigen, Sehnsüchte
Wie sein Hauptdarsteller konzentriert sich auch Hill zunehmend aufs Wesentliche. Zunächst entfaltet „Dead for a Dollar“ mit seiner verästelten Handlung und dem ständigen Wechsel zwischen verschiedenen Erzählsträngen ein Netz aus Rache, Intrigen und Sehnsüchten. Sobald der Film in einer kleinen Grenzstadt auf der mexikanischen Seite angekommen ist, laufen die Geschichten dann zusammen, die Atmosphäre wird dichter und die Figuren bekommen mehr Aufmerksamkeit. Was in einer weiten Landschaft voller Möglichkeiten und Gefahren begann, endet mit Close-Ups von zerkämpften Gesichtern und dem Satz: „Ich trage meine Narbe wie ein Ehrenabzeichen.“