Komödie | USA 2022 | 205 (8 Folgen) Minuten

Regie: Solvan Naim

Als Zehnjähriger flüchtete Mohammad „Mo“ Najjar mit seiner palästinensischen Familie 1991 vor dem Golfkrieg aus Kuwait nach Houston, Texas. Seit dem Tod des Vaters fühlt er sich für Mutter und Bruder verantwortlich, wartet auf die Anerkennung eines Asylbescheids, der im behördlichen Limbus feststeckt, und kämpft mit den Tücken eines Alltags zwischen zwei Kulturen und englischer, spanischer und arabischer Sprache. Dazu gehören Turbulenzen bei der Suche nach Verdienstquellen ohne Arbeitserlaubnis und die Beziehung zu seiner mexikanisch-stämmigen, katholischen großen Liebe. Eine Sitcom, die mit Lust an absurden Zuspitzungen und pointierter Situationskomik das Leben mir arabisch-muslimischem Migrationshintergrund in den USA umkreist; mit satirischem Biss werden dabei systemische Missstände aufs Korn genommen, während die Figurenzeichnungen durch die Bank warmherzig-humorvoll bleiben. - Sehenswert ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
MO
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
A24 Television/A24
Regie
Solvan Naim
Buch
Mohammed Amer · Ramy Youssef
Kamera
Timothy A. Burton
Schnitt
Andrea Folprecht · Patrick Tuck
Darsteller
Mohammed Amer (Mo Najjar) · Teresa Ruiz (Maria) · Omar Elba (Sameer Najjar) · Farah Bsieso (Yusra Najjar) · Lee Eddy (Lizzie Horowitz)
Länge
205 (8 Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Komödie | Serie

Sitcom um einen palästinensisch-stämmigen Mann, der in den frühen 1990ern mit seiner Familie nach Houston, Texas geflohen ist und sich durchwurstelt, während er auf seinen Asylbescheid wartet.

Diskussion

Der Hund hat einen Ausweis! Das kläffende Tier, das ein Trupp Polizisten bei einer Straßenkontrolle dabeihat, bringt Mohammad „Mo“ Najjar ziemlich aus dem Gleichgewicht. Und das nicht nur, weil sich in einer Tasche in seinem Kofferraum massenweise Drogen befinden, die erschnüffelt werden könnten, sondern auch wegen des ID-Kärtchens am Hundehalsband. Das nämlich ist aus Mos Perspektive der reine Zynismus. Er selbst hat keinen US-amerikanischen Pass. Und ein Gutteil des Chaos, in das er in der ersten Staffel der Serie „Mo“ hineingerät, hat mit diesem prekären Status zu tun.

Mo, rund 40 Jahre alt und gespielt von Comedian und Co-Autor Mo Amer, ist 1991 als Kind mit seiner Familie nach Houston, Texas emigriert. Zuvor lebten die Najjars in Kuwait und sahen sich wegen des Golfkriegs zur Flucht gezwungen; ältere Wurzeln hat die Familie im palästinensischen Örtchen Burin, von wo Mos Sippschaft einst im Zug der israelischen Okkupation vertrieben wurde. Die Netflix-Serie, die Amer zusammen mit Ramy Youssef konzipiert hat, umkreist, wie es ist, mit solch einem arabisch-muslimischen „Migrationshintergrund“ in den USA zu leben, wobei wie bei Youssefs Serie „Ramy“ schon der Titel beziehungsweise der Vorname der Hauptfigur andeutet, dass autobiografische Erfahrungen einfließen. Dass auch in „Mo“ die Herangehensweise eine komödiantische ist, liegt angesichts von Mo Amers Comedian-Karriere auf der Hand; und wie in seinen (ebenfalls bei Netflix verfügbaren) Comedy-Specials hat auch der Witz seiner Sitcom einen Drall ins Schwarze, das heißt er entzündet sich gerne an Dingen, die eigentlich zum Verzweifeln sind.

Zwischen den Stühlen von zweiter Heimat und Herkunftskultur

In „Mo“ ist das vor allem die Tatsache, dass die Hauptfigur und ihre Familie keinen gesicherten Aufenthaltsstatus haben; der laufende Asylantrag hängt seit Ewigkeiten im behördlichen Limbus. Entsprechend hat Mo keine Arbeitserlaubnis, weswegen ihn der Chef, für den er zu Beginn Handys repariert, gleich in Folge 1 aus Angst vor Kontrollen der ICE („Immigration and Custom Enforcement“) feuert. Im Lauf der Staffel versucht Mo, der sich seit dem Tod seines Vaters als „Mann im Haus“ für seine Familie verantwortlich fühlt, mit dem Verkaufen von gefälschten Markenprodukten auf Supermarktparkplätzen etwas Geld zu machen und weitere Jobs aufzutun. Die Drogengeschäfte, in die er verwickelt wird, sind dagegen völlig unfreiwillig und haben mit einem Gangster zu tun, dem Mo unfreiwillig in die Quere kommt. Außerdem arbeitet Mo daran, die Asylanträge der Najjars voranzubringen, weswegen er im Lauf der Serie die schlurfige palästinensische Anwältin seiner Familie feuern und ausgerechnet in der Jüdin Lizzie Horowitz (Lee Eddy) einen engagierteren Ersatz finden wird.

Neben solchen praktischen Herausforderungen geht es in der Serie um allerlei Tücken, die Mos Leben zwischen den Stühlen von zweiter Heimat USA und Herkunftskultur mit sich bringt. Dabei scheint er den Spagat im Alltag ganz gut zu schaffen: Mos Familie kommt finanziell über die Runden, da auch sein Bruder Sameer (Omar Elba) trotz Asperger-Syndrom einen Job hat und seine Mutter (Farah Bsieso) ebenfalls zum Einkommen beiträgt; Mos Freundeskreis umfasst neben Mitgliedern der arabisch-stämmigen Community auch seine mexikanisch-stämmige Liebste Maria (Teresa Ruiz), den Afroamerikaner Nick (Tobe Nwigwe) und den asiatisch-stämmigen Chien (Michael Y. Kim); sprachlich switcht er mühelos zwischen amerikanischem Englisch, Spanisch und Arabisch hin und her. Wie dünn das Eis ist, auf dem er wandelt, zeigt sich indes, sobald Schwierigkeiten auftreten. Etwa als Mo beim Einkaufen in einen Überfall hineingerät und einen Streifschuss abbekommt, die Hilfe des Rettungsteams aber zurückweisen muss – Krankenhaus ist keine Option. Und im Lauf der Serie kristallisiert sich heraus, dass auch seelische Wunden bei Mo unbehandelt geblieben sind – die Traumata der Flucht-Geschichte haben die Najjars als unsichtbares Gepäck mit in die USA gebracht.

Die Gretchenfrage

Spannungen gibt es außerdem in Mos Beziehung zu Maria. Die beiden sind schon seit zwei Jahren liiert, aber obwohl Mo Maria innig liebt, zögert er, Nägel mit Köpfen zu machen. Eine Heirat mit der toughen Latina, die die US-Staatsbürgerschaft hat, könnte ihm zwar eine Greencard bescheren, doch Mos kratzbürstige Haltung gegenüber anderen Paaren in ähnlicher Situation – seine Schwester Nadia hat einen Kanadier geheiratet, im Lauf der Serie wird einer seiner Kumpel, der in ähnlicher Lage ist wie er selbst, eine blondierte Texanerin ehelichen – zeigen, dass es seinem Ehrgefühl zuwiderläuft, den Antrag zu machen, solange jemand auf die Idee kommen könnte, er tue das nur für sein Bleiberecht in den USA.

Dazu kommt, dass Mos Mutter Yusra das Paar deutlich spüren lässt, dass ihr eine Katholikin als Partnerin für ihren muslimischen Sohn nicht so recht ist. Mo selbst ist zwar nicht übermäßig religiös und verhandelt die Frage der unterschiedlichen Bekenntnisse mit Maria nur in Form liebevollen Gekabbels, nicht als echten Konflikt. Egal ist sie Mo aber nicht, was zu seinem Zögern mit dem Heiratsantrag beitragen mag.

Drogenhunde, Justizbeamte und griesgrämige Tanten

Im Laufe von acht jeweils um die 25 Minuten langen Episoden erkunden Mo Amer und Ramy Youssef ungemein pointiert und vielschichtig die komplexe emotionale und existenzielle Gemengelage auf, in der ihr Held steckt, und spitzen sie immer wieder tragikomisch-spannend zu. Wobei ähnlich wie in „Ramy“ die charismatische Titelfigur von einem exzellenten Ensemble ähnlich markant gezeichneter Nebenfiguren flankiert wird und eine Vielzahl von Themen zur Sprache kommen – vom historischen Hintergrund des Nahostkonflikts und des Golfkriegs über die Asylpolitik und den Antisemitismus bis zu den Nachwirkungen von 9/11 für die muslimische Community in den USA. Dabei ist der satirische Biss wie in Amers Comedy-Shows eher laut als subtil, mit Lust an der absurden Zuspitzung, aber dabei stets menschenfreundlich: Er richtet sich eher gegen systemische Missstände als gegen einzelne Figuren, die mit ihren diversen Macken und Eigenheiten immer mit großer Warmherzigkeit gezeichnet werden. Durch alle komischen Clashs, die Mo im Lauf der Serie durchmacht – sei’s mit Drogenhunden, mit griesgrämigen palästinensischen Tanten, mit Justizbeamten, mit schwarzen Gangstas oder mexikanischen Schleppern – schimmert immer durch, dass es doch eigentlich einen „common ground“ geben müsste, auf dem wir alle trotz unserer Unterschiede stehen können.

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