Himmel, Erde und Wasser gehen in La Albufera, dem Reisanbaugebiet südlich von Valencia, ineinander über. Große Teile stehen unter Naturschutz. Die Einwohner der Region, im Film „La Laguna Blanca“, „die weiße Lagune“ genannt, leben traditionell von Landwirtschaft. Die Auflagen sind streng, die Kontrollen jedoch gering, Wilderei und illegale Fischerei sind an der Tagesordnung. Jetzt gefährdet eine noch nie da gewesene Trockenheit das fragile Ökosystem, aber auch die Erträge der Kleinbauern. Ein Experte soll in dem Naturschutzgebiet Mittel und Wege finden, um die Katastrophe zu verhindern.
Ehe am Ende
Nach langer Abwesenheit kommt der Biologe Ricardo Gracia (Raúl Arévalo) zurück in die Region, die er als Kind verlassen hat. Mit im Auto sitzen seine Frau Claudia (Paz Vega) und Julia, die sechsjährige Tochter. Von dem Ortswechsel durch Ricardos neuen Arbeitsplatz erhoffen sie sich Vergessen, Versöhnung und alles, was ihre bedrückende Beziehung verbessern könnte. Claudia nimmt Antidepressiva. Vor über einem Jahr haben sie ihren Sohn verloren, er ist im Schwimmbad am Haus ertrunken. Das Ehepaar schafft es nicht, gemeinsam Schmerz, Trauer und die unausgesprochenen Vorwürfe zu verarbeiten. In der Lagune fühlt sich Claudia unwohl. Sie hasst Rosana, das Kindermädchen aus dem Dorf, weil sie so gut mit ihrer Tochter umgehen kann.
Ricardo weiß das alles und stürzt sich nur noch mehr in seine Arbeit, um die häuslichen Probleme zu vergessen. Aber das bringt ihn immer mehr in Konflikt mit den Einwohnern der Region. Seine Maßnahmen für den Erhalt des Vogelschutzgebiets, das er betreut, werden drastischer, und während Claudia noch Schuldgefühle wegen des Todes ihres Sohnes hat, bringt Ricardo damit sich und seine Familie in Lebensgefahr.
Wilderer, Gewehre und ein Showdown im Schilf
Für die Einheimischen ist der Biologe kein Heimkehrer, sondern ein Aufseher. „Wir brauchen keinen Fremden, der uns sagt, was wir tun sollen!“, tönt es aus der Dorfkneipe, und auch die Großgrundbesitzerin Doña Francisca (Susi Sánchez) betrachtet Ricardo mit Misstrauen. Eusebio (Joaquín Climent), der ihm bei den Arbeiten im Naturschutzgebiet zur Hand geht, warnt ihn: „Von diesen Vögeln wird keiner leben können. Die Menschen leben von der Lagune, sie brauchen sie für ihre Reisfelder.“ Eine Gruppe Wilderer bedroht Ricardo mit ihren Gewehren. Als er den Zugang zur Lagune mit Verbotsschildern blockiert, wird seiner Ehefrau nichts mehr im Dorfladen verkauft. Nachts wird sein Haus mit Steinwürfen angegriffen. Ein Kommissar erklärt ihm, dass sein Vorgänger tot im Sumpf gefunden wurde und die Polizei „hier draußen“ wenig ausrichten könne.
Eusebio, Ricardos Assistent, versucht noch zu vermitteln. Aber als Ricardo den Bauern die Wasserzufuhr abschneidet, kommt es zum Aufstand. Im Morgenrot ziehen sie mit Rechen, Sensen und Jagdflinten los. Mit breiten Strohhüten und um einen Traktor geschart ziehen sie zu den Sperren, reißen sie ein und lassen das Wasser fließen. Auch Doña Francisca wendet sich gegen ihn: „Du hast es nicht verstanden. Ich dachte, du wärst klüger, Ricardo! Das Wasser sucht sich immer seinen Weg, wie diese Leute!“ In der Dunkelheit ziehen die Männer mit ihren Gewehren zu Ricardos Haus. Die Situation eskaliert.
Ein Film wie eine Landschaft
Der Thriller von Iñaki Sánchez erzeugt mit großartigen Landschaftsaufnahmen und einem brillanten Schauspielensemble eine ganz besondere Atmosphäre der Bedrohung und Undurchsichtigkeit. Der spanische Originaltitel „El lodo“ („Der Schlamm“) vermittelt das deutlicher als der deutsche Titel „Mord in der Lagune“: die Landschaft korrespondiert mit der Vielschichtigkeit und Abgründigkeit der handelnden Figuren. Regisseur und Drehbuchautor Iñaki Sánchez spielt gekonnt mit den Genre-Elementen: Sein zweiter Film wirkt stellenweise wie ein Western, ein Heimatfilm, ein Krimi und ein Beziehungsdrama. Einfache Gut-Böse-Schemata greifen dabei nicht; der Kampf Ricardos im Dienste des Umweltschutzes ist genauso nachvollziehbar wie die Aversion der Einheimischen, die ihre Lebensgrundlage zu verlieren drohen.
In der Darstellung eines ebenso statischen wie explosiven Mikrokosmos knüpft Sanchez an eine spanische Erzähltradition an, etwa an den atmosphärischen Kriminalfilm „Mörderland“ (2014) des andalusischen Regisseurs Alberto Rodriguez, der im Schwemmland der andalusischen Atlantikküste spielt und die frühen 1980er-Jahre als eine Zeit von Angst und Unsicherheit rekonstruiert, oder an „Der siebte Tag“ (2005), in dem Altmeister Carlos Saura die wahre Geschichte einer blutigen Dorffehde im Andalusien der 1990er-Jahre als Parabel für latent vorhandene Gewalt vor dem Hintergrund einer kollektiven Erinnerung an Bürgerkrieg und Repression inszeniert. „Mord in der Lagune“ tritt in diese Fußstapfen als atmosphärisches, spannendes und dabei tief pessimistisches Drama über einen durch und durch vertrackten Konflikt, bei dem es keine Helden gibt. Selbst im Schlussbild wird deutlich: Es gibt höchstens ein Überleben, kein Happy End.