Stille in einer Idylle verheißt nichts Gutes. Ein Junge radelt über eine herbstliche Hügellandschaft. Ein Auto mit drei Frauen in weißen Kleidern und einem älteren Fahrer fährt hier entlang. Es ist nur das Pfeifen des Jungen zu hören. Die drohende Spannung löst sich bald in einem brutalen Kugelhagel auf. Ein angreifendes Flugzeug schießt von hinten auf den Wagen. Wenig später fährt der Junge vorbei und sieht das rauchende Wrack mitsamt den blutigen Spuren der toten Körper. Von da an wird der Junge kein Wort mehr sprechen.
Der Handlung beginnt 1945 in Jütland. Das Land ist von den Deutschen besetzt. Wie sich herausstellt, galt der Angriff dem Wagen eines Gestapo-Offiziers. An seiner Stelle mussten unschuldige Zivilisten, die Teil einer Hochzeitsgesellschaft waren, ihr Leben lassen und der junge Henry (Bertram Bisgaard Enevoldsen) mit einem Trauma weiterleben.
Die Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung
Der dänische Film „Das Bombardement“ könnte trotz seines historischen Stoffes angesichts des Krieges in der Ukraine aktueller nicht sein. Der Kriegsfilm zeigt in aller Schonungslosigkeit, wie schwer die Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung sind. Dazu wählt Regisseur und Drehbuchautor Ole Bornedal die Form einer aus mehreren Handlungssträngen bestehende Geschichte mit verschiedenen Figuren. Neben der Hinterfragung des zynischen Ausdrucks „Kollateralschaden“ für zivile Kriegsopfer ist Bornedal vor allem daran interessiert, die unterschiedlichen Perspektiven auf dasselbe Ereignis zu zeigen. Im Zentrum steht der Luftangriff der Royal Air Force auf die Zentrale der Gestapo in Kopenhagen, die „Operation Carthage“ genannt wurde und auf Bitten des dänischen Widerstandes zustande kam.
Zwei britische Piloten sind an der Mission beteiligt. Sie waren es auch, die versehentlich den Hochzeitswagen angriffen. Aus Scham und Schrecken schauen beiden jungen Männer zu Boden, als sie von ihrem Chef davon erfahren. Der Krieg aus der Sicht der Luftwaffe distanziert die Angreifer von den Opfern. Fehler können passieren, und Menschlichkeit kann verloren gehen. Die beiden Piloten sind sich ihrer Schuld dennoch bewusst. Einem dänischen Kollaborateur ist das Gewissen hingegen bereits abhandengekommen. Er prügelt auf Landsleute des Widerstandes ein und foltert sie. Erst ein Treffen mit der junge Ordensschwester Teresa (Fanny Bornedal) löst bei ihm Zweifel aus. Sie nennt ihn einen Teufel.
Teresa lebt in einem katholischen Kloster in Kopenhagen. Dorthin wird der traumatisierte Henry von seiner Mutter geschickt, die genauso wie der Arzt an der Sprachlosigkeit des Jungen verzweifelt. Das Kloster besucht Henry mit seiner Cousine Rigmor (Ester Birch) und der Mitschülerin Eva (Ella Josephine Lund Nilsson). Die Dänen sind sich der Gefahr nicht bewusst, obwohl die kirchliche Einrichtung unweit des Gestapo-Quartiers liegt. Vom Plan der Royal Air Force wissen sie nichts.
Menschliche Zwischentöne und Leid
Der Film funktioniert nach dem klassischen Suspense-Prinzip, bei dem die Gefahr dem Publikum klargemacht, den Figuren aber vorenthalten wird. Der Weltkrieg ist den Däninnen und Dänen durch die Präsenz der deutschen Invasoren trotzdem äußerst präsent. Ein Zivilist, ein möglicher Anhänger des Widerstandes, wird bei einer Kontrolle auf offener Straße erschossen. Diesmal ist es das Mädchen Eva, die mit großen Augen unfreiwillig Zeugin wird. Und im Kloster diskutieren die Oberschwester und Teresa über die Deportation der jüdischen Bevölkerung.
Ole Bornedal findet trotz der deprimierenden und bedrohlichen Grundstimmung Raum für menschliche Zwischentöne. Einmal isst die Familie von Henry zu Abend, ohne über den Krieg zu reden. Der Mutter fällt ein kleines Wunder auf: „War das gerade ein Lächeln, Henry?“ Umso schmerzhafter verläuft dann das letzte Drittel des Films, als der Angriff beginnt und auch das Kloster getroffen wird. Bomben, Trümmer, Rauch, Schreie, Tränen, Blut. Ein Kind ist zwischen dem Schutt eingequetscht. Eltern suchen nach ihren Kindern, und Kinder nach ihren Eltern. Die Gesichter sind mit Asche bedeckt. Es herrscht das pure Chaos.
„Das Bombardement“ hätte wie sein Schluss insgesamt durchaus fragmentarischer ausfallen können. Christopher Nolan hat in „Dunkirk“ vorgemacht, dass die gezeigten Kriegserfahrungen aus der Luft, vom Land und vom Meer überzeugend den isolierten Blick der einzelnen Teilnehmer vermitteln. Durch die Parallelmontage der verschiedenen Handlungsstränge wird in „Das Bombardement“ eine gewisse Allwissenheit suggeriert. Auf der anderen Seite könnte man der konventionelleren Form des Films aber auch zugutehalten, dass er den Zweiten Weltkrieg zugunsten einer allgemeingültigen Botschaft abstrahiert. Krieg verursacht immer Leid, ob die Angreifer ihre Opfer nun sehen oder nicht.