Literaturverfilmung | USA 2022 | 111 Minuten

Regie: Adrian Lyne

Ein reicher, früh verrenteter Mann ist mit einer jüngeren Frau verheiratet, deren Affären ihn nicht zu stören scheinen. Als er jedoch andeutet, einen ihrer Liebhaber getötet zu haben, sorgt dies nicht nur innerhalb der wohlhabenden Gesellschaft von New Orleans für Aufruhr; auch das Misstrauen in der Ehe steigert sich bis zur Eskalation. Stimmiger Thriller nach einem Roman von Patricia Highsmith, der Wut, Begehren und den Selbsthass der Oberschicht geschickt vermischt, ohne sich von den Konventionen des Genres zu lösen. Auch die weibliche Hauptfigur verharrt in den Stereotypen einer Femme fatale. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
DEEP WATER
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
Twentieth 20th Century Studios/Amazon Studios/Entertainment 360/Entertainment One/Film Rites/New Regency Productio
Regie
Adrian Lyne
Buch
Zach Helm · Sam Levinson
Kamera
Eigil Bryld
Musik
Marco Beltrami
Schnitt
Andrew Mondshein · Tim Squyres
Darsteller
Ben Affleck (Vic Van Allen) · Ana de Armas (Melinda Van Allen) · Tracy Letts (Lionel) · Grace Jenkins (Trixie) · Rachel Blanchard (Maggie)
Länge
111 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Literaturverfilmung | Thriller
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Thriller nach einem Roman von Patricia Highsmith um einen Ehemann, der scheinbar gelassen die Affären seiner jüngeren Frau toleriert, bis er andeutet, für das Verschwinden ihrer Liebhaber verantwortlich zu sein.

Aktualisiert am
21.03.2022 - 10:39:48
Diskussion

Nach zwanzigjähriger Pause präsentiert Regie-Altmeister Adrian Lyne mit seinem neuen Werk einen Reigen attraktiver junger Männer, die dem fatalen Charme von Melinda (Ana de Armas) zum Opfer fallen, einen leisen, kontrollierten Tanz von Wut und Begehren, auch zwischen Melinda und ihrem allzu gelassenen Ehemann Vic (Ben Affleck). „Tiefe Wasser“ nach dem Roman „Deep Water“ (1957) von Patrica Highsmith fügt sich stofflich und motivisch nahezu perfekt in Lynes Œuvre ein, gewinnt dem ewigen Thema aber kaum neue Facetten ab. Man spürt die Hand des erfahrenen Regisseurs dennoch allenthalben – von der wohlkomponierten filmischen Exposition über die bedächtige, doch wirkungsvolle Spannungsdramaturgie bis hin zu einem ständig wiederkehrenden Motiv der Rivalität von Alt und Jung, das das Werk durchzieht.

Es sind zumeist alltägliche, aber auch ein paar außergewöhnliche Lügengeschichten, die sich das auf den ersten Blick längst entfremdete Paar gegenseitig regelmäßig auftischt, um größere Probleme zu vermeiden und ansonsten unbehelligt seiner Wege gehen zu können. Er war einst ein sehr erfolgreicher IT-Spezialist und ist nun ein an der Oberfläche zufriedener Jungrentner von vielleicht vierzig Jahren – Hobbys: die Schneckenzucht, mit dem Mountainbike fahren und seine kleine Tochter Trixie (Grace Jenkins) bespaßen. Da hat sich jemand im Müßiggang ersichtlich bequem eingerichtet.

Affären ohne Diskretion

Sie ist deutlich jünger, von unbestimmt romanischer Herkunft – in einer Szene gibt sie sehr idiomatisch eine Coverversion von Paolo Contes „Via Con Me“ zum Besten – und offensichtlich weitaus weniger zufrieden in der Beziehung als er. Ebenso beschäftigungslos wie Vic, ist sie seltsam kühl gegenüber ihm und stark genervt von Trixie. Sie nimmt sich Liebhaber, viele, und zwar ohne sich um Diskretion ihrem Mann oder der bürgerlichen Oberschicht gegenüber zu bemühen, mit der sie vielfach gesellschaftlich verkehren.

Exogamie oder zumindest asymmetrische Partnerwahl ist in Lynes cinematografischem Kosmos stets ein Marker für Leid und kommendes Unheil, von Eine verhängnisvolle Affäre bis Lolita. Bei einer gut bevölkerten Party, auf der Mel und Vic gemeinsam einsam sind wie das Paar aus Schnitzlers „Traumnovelle“ beziehungsweise Kubricks Eyes Wide Shut, wirft sie ihr Auge auf den blonden Joel (Brendan Miller); beiläufig erfährt man, dass sein „Vorgänger“ vermisst und von der Polizei gesucht wird.

Um den großäugigen Joel nachhaltig zu vergrämen, deutet Vic an, dass er den Liebhaber seiner Frau beseitigt habe. Dieses pikante Gerücht macht schnell die Runde; insbesondere der ältere, etwas zu eitle Schriftsteller Don (Tracy Letts) wittert einen Knüller sowie die Chance, sich an dem Alphamann ihrer Cocktailrunden für das Gefühl der eigenen Minderwertigkeit rächen zu können. Es waltet starker Sozial- und Statusneid sowie ein erkennbares Machtgefälle zwischen ihnen, obwohl Don die moralische Oberhand gewinnt, als Vic enthüllen muss, dass er Chipentwickler für militärische Drohnen war. Das ruhige Betrachten der Dinge aus erhabener Perspektive, stets jedoch mit der Option schneller, auch fundamentaler Intervention, scheint Vics Lebensthema und -haltung zu sein.

Der Mann greift blutig ins Geschehen ein

Zu diesem Zeitpunkt ließe sich Vic noch als (absichtsvoll) unzuverlässiger Erzähler seiner eigenen Geschichte verstehen, doch bald begnügt er sich nicht mehr mit der bloßen Zuschauerperspektive; er greift mehrfach blutig ins Geschehen ein, und weil er mit Abstand der Umsichtigste und Rationalste und in diesem Sinne auch Erwachsenste im Umkreis ist, auch mit enormem Erfolg.

Vic, von Ben Affleck bewusst stoisch angelegt und mit sparsamer Mimik und Gestik gespielt, hat ersichtlich Wut im Bauch und jenseits verständlicher Rachegefühle auch Lust darauf, das Jüngere, Schöne zu zerstören, das seinen Weg kreuzt. Vor Mel, die ihrerseits voller tief gekränkter Erotik und Attraktivität ist, macht er halt; das weiß sie („Ich bin die, für die du tötest!“), und womöglich wusste sie von Anbeginn an bereits von allem. Das gäbe dem Drama dann endgültig den Zug zu einem mörderischen Pas-de-deux, der auf diese Weise ihrer Beziehungsflaute ultimativ abhelfen könnte.

Wut und Begehren, Ruhe und Eruption, Ennui, Libertinage und Selbsthass der bürgerlichen Klasse mischt Adrian Lyne in „Tiefe Wasser“ mit einer größeren Portion Zufall und Glück zu einem stimmigen, involvierenden Konversationsstück, das jedoch die Konventionen des Genres stets wahrt und dessen Grenzen niemals auslotet oder transzendiert. Etwas kurz kommt auch die Erotik – was nach Maßgabe des Gezeigten allerdings wiederum von Vorteil ist. Unbefriedigend ist auch die Anlage der weiblichen Hauptrolle: Ana de Armas muss sich in Lynes Blick nahezu gänzlich der ewig langen Reihe verführerisch blickender Femmes fatales der Filmgeschichte einfügen, ohne dass sie viel Gelegenheit bekäme, ihrer Rolle ein stärkeres persönlich-individuelles Profil zu geben.

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