Geschichten einer Generation - mit Papst Franziskus
Dokumentarfilm | Italien 2021 | 184 (4 Folgen) Minuten
Regie: Simona Ercolani
Filmdaten
- Originaltitel
- STORIES OF A GENERATION - WITH POPE FRANCIS
- Produktionsland
- Italien
- Produktionsjahr
- 2021
- Produktionsfirma
- Stand by Me
- Regie
- Simona Ercolani · Elias
- Schnitt
- Antonio Spadaro
- Länge
- 184 (4 Folgen) Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm | Serie
Eine dokumentarische Serie über den Dialog zwischen den Generationen. Alte Menschen über 70, darunter Papst Franziskus, der Regisseur Martin Scorsese und die Primatenforscherin Jane Goodall, teilen mit jungen Interviewpartnern in ausführlichen Interviews ihre Lebenserfahrungen.
Der Serie „Geschichten einer Generation – mit Papst Franziskus“ liegt eine bestechend einfache Idee zugrunde: Menschen über 70 werden auf der ganzen Welt von jungen Menschen nach ihren Lebenserfahrungen, Erkenntnissen und Weisheiten befragt. Der Einfall ist überraschend naheliegend, filmisch aber bislang kaum aufgegriffen worden. Insofern hatte der 85-jährige Papst Franziskus als Autor des Buches „Sharing the wisdom of time“ (2018) den richtigen Riecher für die zentrale Idee des Projekts, das er nun als „Host“ der darauf basierenden vierteiligen Serie auf audiovisuell zu verbreiten versucht. Die lautet: Jung und Alt müssen miteinander ins Gespräch kommen und im Austausch bleiben, zur beiderseitigen Inspiration.
Papst Franziskus liefert den geistigen Überbau
Die dramaturgische Umsetzung dieses Grundgedankens überzeugt allerdings nur teilweise. Die Geschichten der porträtierten Personen sind oft sprunghaft montiert; manche Lebenseinblicke geraten zu kurz, die Zusammenstellung wirkt bisweilen willkürlich. Dennoch hat die dokumentarische Serie „Geschichten einer Generation – mit Papst Franziskus“ anrührende, spannende und motivierende Geschichten zu bieten.
Die Porträts sind thematisch unterteilt: In den vier jeweils etwa 45-minütigen Episoden werden unter den Stichworten „Liebe“, „Träume“, „Kampf“ und „Arbeit“ Bereiche beleuchtet, die in den Augen des Papstes für das Verhältnis zwischen Jung und Alt zentral sind. Jede Folge porträtiert vier oder fünf Menschen jenseits der 70; dazu kommt jeweils der Pontifex, der in Interviewszenen aus dem Vatikan sozusagen den geistigen Überbau liefert und das Erzählte mit seinen Gedanken sowie persönlichen Anekdoten rahmt und einordnet.
Die erste Folge mit dem Titel „Liebe“ ist prominent besetzt. Hier kommt nicht nur Martin Scorsese zu Wort, der von seiner 22-jährigen Tochter Francesca befragt wird, sondern auch die Verhaltensforscherin und Tierschützerin Jane Goodall. Während Scorsese von der Liebe zu seiner an Parkinson erkrankten Frau Helen erzählt, mit selbst gedrehtem Archivmaterial Einsichten in die Ehe seiner Eltern liefert und Reue signalisiert, weil er durch seine Arbeit beim Aufwachsen von Francescas älteren Halbschwestern kaum präsent war, spricht die britische Primatenforscherin über ihre seit frühester Kindheit bestehende Verbindung zu den Tieren. Scorsese gibt ungewohnt private und berührende Einblicke in sein Leben, und Goodall weiß für die Sache der Tiere und der Natur zu begeistern.
Augen, Hände und ein fester Wille
Dennoch ist offensichtlich, dass die Prominenten vor allem aus Marketinggründen mit an Bord sind; die unbekannten Protagonisten liefern in dieser Mini-Serie die deutlich interessanteren und tiefergehenden Beiträge.
So erzählt der Eisverkäufer Vito Fiorino von der sizilianischen Insel Lampedusa, wie er bei einer Bootstour mit Freunden zufällig zum Retter von Flüchtlingen wurde – und mit ihnen teils auch Jahre später noch immer Kontakt hält, weil er für manche zu einer Art Vater geworden ist. Er mag gar nicht mehr aufs Meer hinauszufahren, weil er in jeder Welle einen ertrinkenden Menschen zu erkennen meint. Es rührt an, wenn Vito von den Versäumnissen gegenüber seinen leiblichen Kindern erzählt – und er sich diese „Schuld“ durch den Kontakt zu seinen aus Afrika stammenden Ziehkindern ein Stück weit vergeben kann. Dazu kommentiert der Papst, dass nicht die biologische Vaterschaft einen Menschen zu einem „echten“ Vater mache, sondern die Hingabe ans Leben eines Kindes.
Eine andere eindrucksvolle Gestalt ist Estela de Carlotto, die Präsidentin der „Großmütter der Plaza de Mayo“, deren Tochter Laura 1978 von der argentinischen Militärjunta ermordet wurde. Sie sucht ihren Enkel, den Laura im Gefängnis zur Welt gebracht hat. De Carlotto ist eine beeindruckende, hartnäckige und aufrechte Frau, ähnlich wie die 88-jährige Austra Bertha Flores Lopez aus Honduras, deren Tochter Berta Cáceres ebenfalls vom politischen Gegner umgebracht wurde, weil sie sich für die Rechte der indigenen Bevölkerung eingesetzt hatte.
Im Gedächtnis bleibt auch der stille, verwitwete Bauer Danilo Mena Hernandez aus Costa Rica, der sich darum sorgt, wer sich nach seinem Tod um seine beiden behinderten Söhne kümmern wird. Im Lauf der Episode erfüllt er ihnen ihren Traum, endlich einmal ans Meer zu reisen. Auch der 90-jährige vietnamesische Schuhmacher Trinh Ngoc beeindruckt mit seiner Lehre von den „fünf Elementen“, die ihm sein noch immer ausgeübtes Handwerk abverlange: Leidenschaft, Kreativität, Augen, Hände und ein fester Wille.
Positive Impulse jenseits aller Religionen
Neben so überzeugenden Porträts fallen andere Episoden deutlich ab. Es muss dramaturgisch nahezu zwangsläufig scheitern, wenn der 77-jährige peruanische Surfer Felipe Pomar in der Folge zum Thema „Kampf“ neben eine politische Figur wie Austra Bertha Flores gestellt wird. Zu groß erscheint der Unterschied zwischen dem selbstgewählten Risiko, in das sich der Wellenreiter immer wieder begibt, und der beständigen Gefahr für Leib und Leben in einem korrupten System, in dem die um Grundrechte kämpfende Familie Flores lebt.
Die Erzählstränge verbinden sich ohnehin nicht zu einem organischen Ganzen, trotz der Entscheidung der Regisseurin Simona Ercolani, die Porträts miteinander zu verschränken. Die oft abrupten Schnitte mitten in einer Lebensgeschichte und der Sprung zum nächsten Protagonisten sorgen eher für Distanz und wirken häufig willkürlich.
Der Auftritt des einmal mehr äußerst nahbaren Papstes überzeugt hingegen über weite Strecken. Dabei fällt auf, dass es ihm offensichtlich nicht um katholische Propaganda, sondern um positive Impulse jenseits aller Religionen geht. Zu den verhandelten Themenkomplexen steuert er viele kluge und warmherzige Erkenntnisse bei – etwa, dass es für einen Kranken manchmal die beste Unterstützung sei, schweigend seine Hand zu halten. Oder dass man die Tradition nicht um ihrer selbst willen bewahren soll, sondern dass diese sich immer wieder neu beweisen müsse.
Auch gibt er mit großer Offenheit persönliche Details preis, unter anderem, dass er selbst „von Natur aus faul“ sei. Oder dass er die Filme von Martin Scorsese „großartig“ finde. Gelegentlich aber ergeht sich der Pontifex mit großem Ernst in erschütternd banalen Bildern und Sätzen, die dann eher nach Kalenderspruch als nach tiefschürfender Weisheit klingen. „Menschen, die nicht träumen können, fehlt etwas“, lautet einer dieser Sätze. Der Papst hat es sicherlich nicht immer leicht in seiner Funktion, den doch etwas willkürlich arrangierten Bauchladen aus Themen, Gefühlen und Personen rhetorisch zusammenzuhalten. Was soll man auch antworten, wenn einem der Interviewpartner die absurd gestelzte Frage stellt, ob man „bei der Arbeit Fantasie, Vision und Beharrlichkeit miteinander vereinen“ könne?
Eine inspirierende Ermutigung
„Geschichten einer Generation – mit Papst Franziskus“ will Hoffnung geben und zum Guten motivieren. Analytische Tiefenschärfe, Kontroverses oder überraschende Twists sind erkennbar nicht das Ziel der Serie. Dafür gelingt es hingegen durchaus, zu inspirieren und eine Ermunterung zu sein. Zudem kann die Produktion mit ihrer sympathischen Grundidee punkten, den vielen gut ausgewählten Protagonisten und auch ihren schönen (Natur-)Bildern.