A Taxi Driver

Drama | Südkorea 2017 | 132 Minuten

Regie: Jang Hun

Ein deutscher Journalist will im Mai 1980 Gerüchten über ein gewaltsames Vorgehen des südkoreanischen Militärs gegen Demonstranten in der Stadt Gwangju auf den Grund gehen. Ein Taxifahrer, aus dessen Sicht das Geschehen des Films geschildert wird, soll ihn von Seoul aus dorthin fahren. Die unpolitische Sicht des einfachen Mannes wird dabei zusehends erschüttert, weil er vor dem Unrecht nicht mehr die Augen schließen kann. Die Kontrastierung einer anfangs leichtfüßigen Komödie mit den Gräueln des Massakers von Gwangju verdeutlicht zugleich, wie trügerisch die Normalität in Zeiten politischer Repression ist. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
TAEKSI WOONJUNSA
Produktionsland
Südkorea
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
The Lamp
Regie
Jang Hun
Buch
Eom Yu-na
Kamera
Go Nak-seon
Musik
Jo Yeong-wook
Schnitt
Kim Jae-beom
Darsteller
Thomas Kretschmann (Jürgen Hinzpeter) · Song Kang-ho (Kim Man-seob) · Hae-jin Yoo (Hwang Tae-sul) · Ryu Jun-yeol (Gu Jae-sik) · Park Hyuk-kwon (Reporter Choi)
Länge
132 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Heimkino

Verleih DVD
Koch (16:9, 2.35:1, DD5.1 korea./dt.)
Verleih Blu-ray
Koch (16:9, 2.35:1, dts-HDMA korea./dt.)
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Ein deutscher Journalist lässt sich im Mai 1980 von einem einfachen Taxifahrer 300 Kilometer durch Südkorea fahren, um Gerüchten über militärische Gewalt gegen Demonstranten, die sich gegen die Diktatur auflehnen, auf den Grund zu gehen.

Diskussion

Der Taxifahrer Kim (Song Kang-ho) traut seinen Ohren kaum. Um von Seoul aus in die 300 Kilometer entfernte Stadt Gwangju zu kommen, ist ein Fahrgast bereit, 100.000 Won zu zahlen. Für den verwitweten Vater einer elfjährigen Tochter ist das eine Menge Geld. Kim nutzt die Gunst der Stunde und lässt sich auf das lukrative Geschäft ein. Er weiß allerdings nicht, das Gwangju zu diesem Zeitpunkt bereits Sperrgebiet ist. Das Militär hat die Stadt im Süden des Landes abgeriegelt.

Im Jahr 1980 putschte sich General Chun in Südkorea an die Macht. Die Hoffnungen auf eine Demokratisierung nach 18 Jahren Diktatur erloschen, doch die Sehnsucht der Menschen nach Freiheit wurde noch stärker, was sie in Demonstrationen zum Ausdruck brachten. Zentrum der Proteste war die Stadt Gwangju. „A Taxi Driver“ erzählt von den demokratischen Bestrebungen vor allem junger Studenten, von den Unruhen und schließlich auch vom Massaker, bei dem in Gwangju Hunderte oder – je nach Quelle – sogar Tausende ums Leben kamen.

Aus dem Blickwinkel eines Unpolitischen

„A Taxi Driver“ stellt den etwas unbedarften, leicht naiven und politisch wenig interessierten Taxifahrer Kim ins Zentrum. Was in Südkorea genau vor sich geht, bekommt Kim nur am Rande durchs Radio seines Taxis mit. Über die Studenten, die auch in Seoul demonstrieren, regt er sich auf, weil er wegen ihrer Aktionen in den Straßen nicht schnell genug vorwärtskommt.

Regisseur Jang Hun lässt das Geschehen aus Kims Blickwinkel miterleben – und auch an dem Lernprozess teilhaben, den Kim nach und nach durchmacht. Denn der Protagonist realisiert zunehmend, was in seinem Land und in Gwangju im Mai 1980 vor sich geht.

Kims Fahrgast ist ein deutscher Journalist (Thomas Kretschmann), der in Tokio von den Vorgängen in Gwangju hörte und den Gerüchten auf den Grund gehen will. Vorbild dieser Figur ist der Südostasien-Korrespondent des NDR, Jürgen Hinzpeter (1937-2016), der als einzige Journalist das Massaker von Gwangju filmte. Er gelangte 1980 tatsächlich mit Hilfe eines Taxifahrers in die vom Militär abgeriegelte Stadt. Die Biografie von Kim ist allerdings fiktiv.

Ein Taxifahrer wird zum Helden

Die politischen Akteure, die Machthaber beim Militär und die Aktivisten der Demokratie-Bewegung spielen nur im Hintergrund eine Rolle. Es geht um einen mutigen Journalisten und einen Taxifahrer, der zunächst mit den politischen Konflikten nichts zu tun haben will, dann aber seine Augen vor dem Unrecht nicht mehr verschießen kann.

Die beiden Protagonisten sprechen nicht die gleiche Sprache, können sich also kaum verständigen und kommunizieren öfters aneinander vorbei. Dennoch entwickelt sich eine Verbindung zwischen ihnen. Bei einem Abendessen oder in der Autowerkstatt beleuchtet der Film das erst kühle, im Verlauf aber zunehmend innigere Verhältnis zwischen den beiden. Song Kang-ho brilliert dabei als alleinerziehender Taxifahrer, der alles für seine Tochter tut.

Die Grundidee, Kim in den Mittelpunkt zu stellen, erweist sich als Glücksgriff. Als leicht tollpatschiger Mann lockert er das Geschehen insbesondere zu Beginn immer wieder auf. Kim singt gut gelaunt die fröhliche Musik aus dem Autoradio mit und fährt durch grüne Landschaften, wo zwischen den Bäumen bunte Lampions hängen. In diesen Momenten erscheint „A Taxi Driver“ wie eine leichtfüßige Komödie, stellt den heiteren Bildern später aber kriegsähnliche Aufnahmen in Grautönen gegenüber. Dann geht die Fahrt an verbarrikadierten Häusern vorbei, in den Straßen hängt Rauch, statt munterer Songs sind Schüsse zu hören. Der Kontrast könnte kaum größer sein. Er verstärkt die Wucht der gezeigten Schrecken und entlarvt eindrucksvoll, wie trügerisch der Anschein der Normalität in Zeiten politischer Repression ist. Dazu kommen schonungslos-drastische Bilder, in denen Soldaten auf Demonstranten einprügeln und Studenten in Zeitlupe erschossen werden.

„Wie können sie die einfach erschießen?“

Mittels der Hauptfigur spiegelt der Film auch die Fassungslosigkeit, die die Gräueltaten wie auch das Massaker von Gwangju hervorrufen. „Ich verstehe es nicht. Keiner versteht es“, heißt es einmal. „Wie können sie die einfach erschießen?“, fragt einer mit Blick auf getötete Demonstranten. Eine Antwort gibt es nicht. Die Frage ist ohnehin rhetorisch, Ausdruck der Verzweiflung.

Auch die Rolle der Presse lässt „A Taxi Driver“ nicht unbeleuchtet. In Gwangju existiert kein freier Journalismus; die Lokalzeitung stoppt den Druck aus Angst vor den Folgen, weil über das brutale Vorgehen der Soldaten berichtet werden soll. Konsequenzen gibt es trotzdem. „Dürfen die Nachrichten einfach so lügen?“, heißt es an anderer Stelle. Auch eine dieser hilflosen rhetorischen Fragen.

Eine Berichterstattung über die wirklichen Vorgänge fand nicht statt – weder im Land noch außerhalb. Erst die Aufnahmen von Jürgen Hinzpeter zeigten der Welt, welches Massaker sich in Gwangju im Mai 1980 abspielte. „A Taxi Driver“ stellt die Bedeutung von Hinzpeter am Ende deutlich heraus – und trifft auch mit der letzten Einstellung den richtigen Ton.

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