Caveat
Horror | Großbritannien 2020 | 84 Minuten
Regie: Damian McCarthy
Filmdaten
- Originaltitel
- CAVEAT
- Produktionsland
- Großbritannien
- Produktionsjahr
- 2020
- Produktionsfirma
- HyneSight Films
- Regie
- Damian McCarthy
- Buch
- Damian McCarthy
- Kamera
- Keiran Fitzgerald
- Musik
- Richard G. Mitchell
- Schnitt
- Damian McCarthy
- Darsteller
- Ben Caplan (Barret) · Jonathan French (Isaac) · Leila Sykes (Olga)
- Länge
- 84 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 16; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Horror | Mystery
Heimkino
Suggestiver Mysteryhorror um einen Mann mit Gedächtnisschwund, der einen Job als Aufpasser einer gestörten Frau auf einer einsamen Insel annimmt.
Blut läuft aus ihrer Nase, während sie durch diese heruntergekommenen Räume streift. Die Kleidung abgegriffen. Ein seltsames Gefühl von Unwirklichkeit strömt aus diesen Bildern, die in ihrer befremdlichen Beklemmung kaum eingeordnet werden können. Die Frau, deren Namen – Olga – wir später erfahren werden, bewegt sich durch diese Atmosphäre, als sei sie ein wesentlicher Bestandteil, ein funktionaler Teil des Unheimlichen. In ihrer Hand hält sie einen monströsen Stofftierhasen mit eindringlich starrenden Augen, der einer Wünschelrute gleich den Weg weist, indem er auf eine Trommel schlägt. Sie wird ein Rund in eine dünne Wand sägen, die Kamera hineinfahren, und in einer kühnen Montage wird das die Öffnung zum Fenster in einer Tür, durch dessen Scheibe wir das erste Mal das Gesicht von Isaac sehen.
Die Geister der Vergangenheit hausen in allen Winkeln
Diese Sequenz zeigt die Qualität dieses kleinen, aber ungemein wirkungsvollen Horrorfilms in komprimierter Form: „Caveat“ besteht weniger aus einem handlungsreichen Plot als vielmehr aus Durch- und Übergängen, aus versperrten Wegen und schmerzhaften Blockaden, die Regisseur Damian McCarthy in eindringliche Bilder aus Wahnsinn und Geistererscheinung übersetzt. Was sich nun wirklich abspielt, ob in diesem Film überhaupt etwas in der Wirklichkeit seine Stätte findet, bleibt offen – nimmt dem Horror aber kein bisschen von seiner Wucht. Ein Horrorfilm ist „Caveat“ nämlich in der Tat; ein ziemlich nervenaufreibender, ängstigender psychologischer Terrorfilm.
Die Geschichte gibt zumindest vor, einen eindeutigen Anfang zu haben: Isaac, der offenbar dringend Geld braucht, wird von einem zwielichtigen Mann beauftragt, eine Woche auf dessen Nichte aufzupassen, die allein in einem verfallenen Haus auf einer kleinen Insel verweilt. Olgas Vater habe sich dort im Keller das Leben genommen und die Mutter sei bereits seit einigen Monaten verschwunden. Die psychisch labile Frau scheint das alles nicht verwunden zu haben. Damit Isaac sich überhaupt im Haus aufhalten kann, wird er an eine Kette gelegt, die verhindern soll, dass er Olgas Zimmer betritt. Dort, in diesem Haus, das die topografische Manifestation der inneren Zustände aller Figuren ist, wird sich ein Kampf ums Leben mit dem Tode abspielen: Die Geister der Vergangenheit haben bereits in allen Winkeln der Filmbilder ihre Behausung eingerichtet.
Als sei der Bildraum selbst von einem Trauma erschüttert
Caveat erzählt nicht einfach von psychischen Zuständen. Vielmehr wird der gesamte Film paranoid, katatonisch und schizophren, als sei der Bildraum selbst von einem Trauma erschüttert worden. Und in diesem Fall sind die Folgen wahrlich beängstigend und der erfreuliche Beweis, was im Horrorfilm mit wenigen Mitteln möglich ist. Damian McCarthy legt seinen Film fernab jedweder Geisterbahnästhetik an, die seit „The Conjuring“ den Mainstream der Geisterfilme geprägt hat – Stichwort: Jump Scare, was gleichbedeutend ist mit der Verwechslung von Angst und Erschrecken.
Auch in diesem Film wird man erschrecken, doch treffen einen diese Schreck-Bilder völlig unvorbereitet und aus einer Atmosphäre der Bedrohlichkeit heraus, weil es keine vertraute Mechanik der Bild-Ton-Montage gibt, kein Anschwellen der Musik den Schrecken ankündigt. Und selten wurden der Blick, das Starren und die abgründige Leere der Augen derart folgerichtig umgesetzt.
Die karg-heruntergekommene Ästhetik lässt sofort an andere psychologische Horrorfilme denken, die sich an der Topografie einer geschundenen Seele versuchen. Unweigerlich denkt man an die kafkaesken Bilder in David Cronenbergs oftmals übersehenem Film „Spider“, in dem Ralph Fiennes den Mord an seiner Mutter verarbeiten muss und Erinnerung sich in Wahn verliert. Mit „Possum“ von Matthew Holness gibt es gar einen Film, der fast wie ein Cousin wirkt und in Atmosphäre und Metaphorik ziemlich ähnlich funktioniert. Statt eines unheimlichen Hasen gibt es dort eine Spinnenpuppe mit Menschenkopf. Das Thema allerdings ist ebenso Missbrauch und Persönlichkeitsspaltung als filmischer Ausdruck einer inneren Deformation. Wer sich für solche rätselhaft-psychologische Tableaus und Figurationen erwärmen kann, wird mit „Caveat“ seine höllische Freude haben.