Even Cowgirls get the Blues

Komödie | USA 1992/93 | 96 Minuten

Regie: Gus Van Sant

Eine junge Frau, die allein schon durch ihre übergroßen Daumen zum Trampen geschaffen ist, landet auf einer Schönheitsfarm, auf der lesbische Cowgirls einen Aufstand gegen die Betreiber anzetteln. Stimmungsvolle Verfilmung eines Kultromans der 70er Jahre, die groteske, melancholische und hemmungslos alberne Elemente geschickt zu einem modernen Märchen mischt. Ein faszinierender Film mit einem ungewöhnlichen Bilderkosmos. (O.m.d.U.; Videotitel: "Cowgirl Blues") - Sehenswert.
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Filmdaten

Originaltitel
EVEN COWGIRLS GET THE BLUES
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1992/93
Produktionsfirma
New Line International Releasing
Regie
Gus Van Sant
Buch
Gus Van Sant
Kamera
John Campbell · Eric Alan Edwards
Musik
k.d. lang · Ben Mink
Schnitt
Gus Van Sant · Curtiss Clayton
Darsteller
Uma Thurman (Sissy Hankshaw) · Lorraine Bracco (Dolores del Ruby) · John Hurt ("The Countess") · Rain Phoenix (Bonanza Jellybean) · Noriyuki "Pat" Morita ("The Chink")
Länge
96 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert.
Genre
Komödie | Drama | Western | Literaturverfilmung
Externe Links
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Diskussion
1968 brachte Andy Warhol einen Film heraus, den John Wayne wahrscheinlich nicht gemocht hätte: "Lonesome Cowboys" (fd 17 929) war ein Western, in dem die Mitglieder einer Horde strammer Kuhjungen im Grunde nicht viel anders aussahen als die aufrechten Männer in Hollywoods Wildem Westen - allenfalls ein bißchen anders, denn die Besonderheit lag in dem Umstand, daß sie alle homosexuell waren. Damals war das ein Affront gegen den Cowboy-Mythos, der boshafter kaum denkbar gewesen wäre. 25 Jahre später nun entdeckt Hollywood in der Nachfolge von "Bad Girls" (fd 30 890) die Damenfraktion des Wilden Westens, die Cowgirls. Und auch sie hätte John Wayne womöglich nicht gemocht, aber doch irgendwie toleriert. Denn die Damen reiten wie die Teufel und ballern wild in der Gegend herum, sind aber ansonsten "normal". Was hat nun GUS van Sants neuer Film mit all dem zu tun? Vordergründig betrachtet viel, letztlich aber doch herzlich wenig. Schließlich hat sich der mit nur drei Produktionen zum Kultfilmer avancierte Regisseur nie sonderlich um Trends und Moden geschert.

In "Even Cowgirls get the Blues" erzählt er die Geschichte von Sissy Hankshaw, einer jungen Frau, die es mit ihrer körperlichen Abnormität wahrscheinlich auch im Zirkus hätte zu etwas bringen können. Da Mutter Natur sie mit zwei überdimensionalen Daumen ausgestattet hat, beschloß Sissy noch als Jugendliche, aus dieser Gabe das Naheliegendste zu machen und leidenschaftliche Tramperin zu werden. Mit Erfolg, denn wo immer sie ihre Riesen-Daumen in den Wind hält, steigen Autofahrer wie hypnotisiert sofort auf die Bremse. Dabei ist Trampen für Sissy nicht nur eine preisgünstige Art der Fortbewegung. sondern das, was man gemeinhin Lebensinhalt nennt. Wenn sie ein Taxi besteigen soll - Personenbeförderung also gegen Entgeld -, wird ihr schlecht, und nach ein paar Tagen an einem Ort wird sie von einem schmerzhaften Kribbeln in ihren Daumen befallen. Nur wenn sie Geldnöte plagen, verdingt sie sich bei ihrem väterlichen Freund, dem Transvestiten "The Countess" (brillant: John Hurt) als Model für weibliche Hygiene-Artikel. Im Rahmen eines solchen Jobs landet Sissy auf der Rubber Rose Ranch, einer Schönheitsfarm, auf der in erster Linie verfettete Wohlstandsdamen ihre Pfunde loswerden wollen. Neben einem albernen Werbespot beschert ihr der Aufenthalt auch die Bekanntschaft mit einer Reihe von lesbischen Cowgirls, die gerade den Aufstand gegen die Betreiber der Ranch proben. In ihre Anführerin Bonanza Jellybean verliebt sich Sissy. Was sonst noch vorkommt? Schwärme von Kranichen, die an Drogen Gefallen finden, ein weiser chinesischer Einsiedler und eine Polizei, die die Ranch der aufständischen Frauen belagert, als handle es sich ums Weiße Haus.

Gus van Sant hat eine literarische Vorlage verfilmt, die seit Jahrzehnten als Kultroman der Hippie-Bewegung gilt: Tom Robbins' gleichnamigen Roman, der bisher als unverfilmbar galt. Van Sant hat daraus einen "echten van Sant" gezaubert. Natürlich gibt es da wieder jene für ihn typischen Bilder von schnurgeraden Landstraßen (mit einer Kamera aufgenommen, die immer ein paar Meter über dem Asphalt hängt), und natürlich ist da wieder der endlose Himmel über der Prärie. Inzwischen bewegt sich GUS van Sant in seinem ureigensten Kino der Stimmungen zwischen Groteske und Melancholie so souverän, wie es im europäischen Kino allenfalls Aki Kaurismäki vermag, und schafft ein ästhetisches Fundament, dem selbst alberne Slapstick-Einlagen wenig anhaben können. Selbstverständlich gibt es auch hier wieder das vertraute Face- und Namedropping: William S. Burroughs in einer Nebenrolle, Ken Kesey (Autor von"Einer flog über das Kuckucksnest") und auch die altvertrauten Mitstreiter wie Keanu Reeves und Udo Kier sind wieder mit von der Partie. Gewidmet ist der Film River Phoenix, jenem vielversprechenden (Nachwuchs-)Darsteller, der bis zu seinem Drogentod nicht nur vor den Kameras zur Inkarnation des modernen Outlaws avancierte, und hier einen Kurzauftritt als Hippie am Steuer eines VW-Busses hat. Und vielleicht hätte ja John Wayne dieses abstruse, souverän inszenierte kleine Märchen vom Wilden Westen doch gemocht.
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