Hamishim - Fünfzig
Serie | Israel 2019 | Minuten
Regie: Daphna Levin
Filmdaten
- Originaltitel
- HAMISHIM
- Produktionsland
- Israel
- Produktionsjahr
- 2019
- Produktionsfirma
- Endemol Shine Israel/YES
- Regie
- Daphna Levin
- Buch
- Yael Hedaya
- Kamera
- Amit Yasur
- Musik
- Baruch Ben-Itzhak
- Schnitt
- Ilana Reina
- Darsteller
- Ilanit Ben-Yaakov (Alona Nahmias) · Hila Abramovitch (Carmel Nahmias) · Yonatan Wachs (Yahli Nahmias) · Alma Brown (Shira Nahmias) · Ofry Prishkolnik (Tamar)
- Länge
- Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Serie | Tragikomödie
Eine israelische Serie um eine verwitwete, alleinerziehende Drehbuchautorin, die auf ihren 50. Geburtstag zugeht und neu justiert, was sie vom Leben will.
Der letzte Sex liegt schon ewig zurück – ganze zwei Monate! Das bekennt der 49-jährigen Alona (Ilanit Ben-Yaakov) ihr etwa 15 Jahre jüngeres Tinder-Date, ein attraktiver Tierarzt. Die Rückfrage, wie lange es denn bei ihr her sei, kontert Alona witzig-ausweichend: „In Menschen- oder in Hundejahren?“ Als Zuschauer weiß man da schon, dass es ganze sieben Jahre sind, in denen die verwitwete Drehbuchautorin und Mutter dreier Kinder keinen Mann mehr im Bett hatte. Vor ihrem 50. Geburtstag würde Alona diese Durststrecke gerne beenden. Leider kommt der Tierarzt nicht dazu, ihr dabei zu helfen: Ein allergischer Niesanfall in der Praxis, wo es auf der Behandlungsliege gerade in die Horizontale gehen soll, überfordert Alonas nach den drei Geburten nicht mehr ganz fitten Beckenboden, und das bisschen Wasser, das dabei in ihr Höschen geht, ist ihr dermaßen peinlich, dass sie schnellstmöglich die Flucht ergreift.
Humorvolle Zuspitzungen, schmerzhafte Stiche
Das mag sich ein bisschen wie der Körperflüssigkeiten-Humor klamaukiger Komödien im Fahrwasser von „American Pie“ anhören, in denen pubertierende Jungs einen Fettnäpfchen-Parcours auf dem Weg zur Entjungferung hinlegen. Die israelische Serie „Hamishim“ ist aber keineswegs ein Wechseljahre-Pendant dazu. Die absurden Situationen, in die Alona immer wieder gerät, haben meist einen bitteren Kern; statt der puren Lust an derber Körper- und Situationskomik regiert der genderpolitische Biss, mit dem Serienschöpferin Yael Hedaya ihre Protagonistin im Clinch mit dem alternden Körper, familiären und beruflichen Verpflichtungen und einem gesellschaftlichen Umfeld präsentiert, in dem Aufmerksamkeit und Respekt für Frauen um die 50 offensichtlich nach wie vor schwerer zu haben sind als für gleichaltrige Männer. Wenn der Tierarzt nach Alonas verunsichertem Rückzieher mit einem giftig-herablassenden Kommentar reagiert, was Alona nur wortlos einstecken kann, kippt die Szene unversehens ins gar nicht mehr Komische.
Yael Hedaya, die sich ihre Sporen unter anderem als Autorin für die „BeTipul“ verdient hat, und ihre charismatische Hauptdarstellerin Ilanit Ben-Yaakov tänzeln immer wieder elegant zwischen Komik und Tragik; aus humorvollen Zuspitzungen werden unversehens kleine, schmerzhafte Stiche. Zudem verortet die Showrunnerin das international anschlussfähige Thema einer weiblichen Midlife-Crisis sehr konkret in der jüdisch-israelischen Lebenswelt – bis hin zu frech-makabren Gags, wenn etwa in einer Szene das „Hot or Not“-Wischen bei Tinder von Alona lakonisch mit der Selektion von Deportierten im KZ verglichen wird.
Ein stilles Midlife-Crisis-Erdbeben
Die im knappen Sitcom-Format gehaltenen Episoden folgen der Protagonistin zu verschiedenen „Baustellen“ ihrer Existenz: vom geschäftlichen Meeting mit einem Produzenten übers Amt, wo die finanziell chronisch klamme Witwe wegen einer Steuersache vorspricht, oder zur Schule ihrer Kinder, wo es eine Klassenfahrt nach Polen inklusive Auschwitz-Besuch zu diskutieren gibt, bis hin zu allerlei familiärem Zoff.
Ein Multi-Tasking-Alltag, in dem sich wahrscheinlich viele Altersgenossinnen Alonas wiedererkennen werden, mit einem kräftezehrenden Austarieren verschiedener Rollen: als Berufstätige, als Mutter von Teenie-Kindern, die so sehr mit ihren eigenen Gefühlsstürmen beschäftigt sind, dass sie nur wenig Gespür für Alonas Belange haben, als Tochter eines alten, pflegebedürftigen Vaters, als Freundin, als potenzielle Liebhaberin auf der Suche nach einem Geliebten – und immer wieder als Frau, die sich kurz vor ihrem 50. Geburtstag fragt, was sie selbst vom Leben will und welche Spielräume ihr bleiben.
Melancholische Komik
Ilanit Ben-Yaakov legt Alonas Figur als Menschen an, der es offensichtlich lange eingeübt hat, eher zu beobachten, sich selbst zurückzunehmen und seinen Teil zu denken, als die eigenen Gefühle und Bedürfnisse ungefiltert auf die Welt loszulassen; nichtsdestotrotz verraten die Feinheiten ihrer Mimik und Gestik sehr beredt, was in ihr vorgeht – ein bisschen hat die Figur bei ihren Alltagskämpfen etwas von der melancholischen Komik eines Buster Keaton.
Das Vorurteil, dass Stoffe über Frauen um die 50 keinen Menschen interessieren (was Alona in der ersten Episode, wenn sie ihr Drehbuchprojekt mit einem Produzenten bespricht, an den Kopf geworfen bekommt) hebelt die Darstellerin souverän aus: Alonas Mitmenschen mögen ihre Großartigkeit viel zu oft übersehen; doch als Serienheldin für ein Publikum, das von der ersten Folge an zu ihrer Komplizin wird, ist sie unwiderstehlich.