The Beatles: Get Back

Musikdokumentation | USA/Großbritannien/Neuseeland 2021 | 468 (157,173,138) Minuten

Regie: Peter Jackson

Dokumentarischer Mehrteiler über die britische Rockband Beatles und die Aufnahmen ihres Albums „Let It Be“ im Januar 1969, die in einem Konzert auf dem Studiodach als ihrem letzten Auftritt als Gruppe endeten. Die drei Teile greifen auf über 60 Stunden bisher unveröffentlichtes Film- sowie 150 Stunden unveröffentlichtes Tonmaterial zurück und sind auf mitreißende Weise zu einer Art letzter „Heldenreise“ der Band montiert worden. Die wechselnde Motivation der Musiker, Streit, Versöhnung und Rückkehr zur Arbeit verbinden sich zu einer spannenden Rekonstruktion der kreativen Prozesse. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE BEATLES: GET BACK
Produktionsland
USA/Großbritannien/Neuseeland
Produktionsjahr
2021
Produktionsfirma
Apple Corps/Polygram/Walt Disney/WingNut
Regie
Peter Jackson
Schnitt
Jabez Olssen
Länge
468 (157,173,138) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Musikdokumentation | Serie

Heimkino

Verleih Blu-ray
Disney
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Dokumentarischer Mehrteiler über die britische Rockband und ihr letztes öffentliches Live-Konzert 1969. Regisseur Peter Jackson konnte auf über 60 Stunden Filmmaterial zurückgreifen, das im Januar 1969 von Regisseur Michael Lindsay-Hogg aufgenommen worden war.

Diskussion

Am 30. Januar 1969 gaben die Beatles ihr letztes öffentliches Live-Konzert ausgerechnet auf dem schäbigen, kaum einsehbaren Dach des unscheinbaren Apple Corps Produktionsstudios. Schon das zeigt, dass die beste Band aller Zeiten längst nicht mehr unumstritten war. Regisseur Michael Lindsay-Hogg, der gerade erst einen Konzertfilm mit der anderen besten Band der Welt – den Rolling Stones – gemacht hatte, hatte für das der Presse nicht angekündigte Event ein gutes Dutzend 16mm-Kameras auf den Dächern und fünf Stockwerke tiefer auf der Savile Row im Londoner Stadtbezirk City of Westminster postiert, um dieses „Guerilla-Konzert“ samt Reaktionen aufzunehmen und für sein Dokumentarfilmprojekt „Let It Be“ zu nutzen. Im Keller des Stadthauses bastelte Toningenieur Glyn Johns an seinen provisorisch zusammengeklaubten zwei 8-Spur-Rekordern, um das keine 45 Minuten währende Happening für den Fall der Fälle aufzunehmen.

Dieser „Fall der Fälle“ sollte ein vielleicht letztes (Live-)Album der Beatles werden. Lindsay-Hogg hat den 22 Tage dauernden Probenmarathon bis zum Pseudo-Konzert dokumentiert und einen filmischen Abgesang daraus gemacht. Wie gesagt, die Beatles waren 1969 nicht mehr unumstritten, und bissige Kommentare über die schlechte Stimmung unter den vier Pilzköpfen machten die Runde. „Let It Be“, der 1970 in die Kinos kam, steuerte nichts dazu bei, das längst eingeläutete Ende der Band zu verhindern.

Der Rest ist Geschichte

Eigentlich braucht niemand einen neuerlichen Dokumentarfilm über John, Paul, George und Ringo: All ihre denkwürdigen Songs sind veröffentlicht und kommentiert, Regale von Biografien geschrieben, Fotos und Interviews von förmlich jeder Sekunde ihres Lebens sind zu erleben. Doch das Faszinosum Beatles scheint, auch für Filmemacher, unerschöpflich. Nach Ron Howard, der sich 2016 mit „The Beatles: Eight Days a Week - The Touring Years“ noch einmal mit den erfolgreichen Live-Konzertjahren 1962 bis 1966 beschäftigte, hat sich nun Peter Jackson in einer Doku-Serie der Kultband gewidmet. Der Neuseeländer, der mit Tolkien so viel Geld verdient hat, dass er es in seinem Leben nicht mehr ausgeben kann, konnte es sich leisten, mit den 56 Stunden 16mm-Filmmaterial von Michael Lindsay-Hogg und den dazugehörigen 140 Stunden Audioschnipseln von Glyn Johns für vier Jahre in seinem Experimentierkeller zu verschwinden, um eine neue Geschichte der denkwürdigen 22 Tage im Januar 1969 zu erzählen. Weniger in Form eines Abgesangs als einer Götterdämmerung, die neben dem Untergang auch etwas von Schöpfung erzählt.

Am Anfang stand die Anfrage an Jackson, sich doch nach den aufsehenerregenden Restaurierungsarbeiten der Amateuraufnahmen vom Ersten Weltkrieg (die dann in Jacksons „They Shall Not Grow Old“ Eingang fanden) mit dem ähnlich vor sich hinrottenden Fundus der alten Beatles-Aufnahmen zu beschäftigen. Was für jeden anderen in der Kapitulation vor einem ganzen Keller voller Zelluloidspulen geendet hätte, war für den bekennenden Beatles-Fan Jackson eine Berufung. Trotzdem: vier Jahre Säubern, Aufarbeiten, Chronologisieren, Scannen, Digitalisieren und Kompilieren bedeuten noch nicht automatisch eine Geschichte oder gar einen neuen Mythos.

Eine cineastische und musikalische Offenbarung

Was bringt das Material über die zehn Tage Probe-Sessions in den Londoner Twickenham Studios, über die zwei Tage Streit und Stillstand und über die weiteren zehn Probentage im provisorischen Apple Studio bis zum besagten „Rooftop Concert“ für Erkenntnisse? Nichts Geringeres als eine cineastische und musikalische Offenbarung! Zunächst sollte ein Kinofilm das Resultat von Jacksons Anstrengungen sein, doch das Coronavirus und die Qualität des gesichteten Materials veranlassten den Filmemacher im Laufe des Projekts, aus dem abendfüllenden Dokumentarfilm ein knapp achtstündiges Werk zu machen; dieses konnte Jackson aufgrund seiner Berühmtheit (und der seines Betrachtungsgegenstandes) beim Streaming-Dienst Disney+, in drei Teilen aufgesplittet, unterbringen.

Acht Stunden, drei Teile: Das klingt nach einem Epos. Und tatsächlich ist die Struktur der letzten „Heldenreise“ der Beatles der von Jacksons „Der Herr der Ringe“ nicht unähnlich. Teil 1: Findung und Konfrontation. Teil 2: Mäandern. Teil 3: Apotheose im Niedergang.

Die letzte Heldenreise

In den ersten zehn Minuten des 157-minütigen ersten Teils findet sich die einzige kurze, von Jackson sichtbar „komponierte“ Erklärung des Sachverhalts. Ein Intro, in dem die Karriere der Band skizziert und auf die Probenarbeit für ihr vermeintlich letztes Projekt eingestimmt wird. Kompakt und reportageartig zusammengeschnitten und durch Sprecher kommentiert, die in den ganzen restlichen 458 Minuten von „The Beatles – Get Back“ Pause haben werden. Die folgenden zweieinhalb Stunden führen den Erfolg von Peter Jacksons Restaurierungsanstrengungen eindrücklich vor Augen.

Jenseits ihrer Musik ist das (audiovisuelle) Bild, das wir heute von den Beatles haben, entweder durch ihre 35mm-Spielfilmeskapaden oder das schwarz-weiße Fernsehen geprägt. Jackson schafft es nun, die Twickenham-Studioatmosphäre und die Band so wirken zu lassen, als seien sie gerade eben und nicht vor 50 Jahren in Aktion. Er lässt die Bilder in natürlicher Geschwindigkeit und Farbtextur atmen, und er gibt Material von Michael Lindsay-Hogg Raum, das den Protagonisten Zeit lässt, zu agieren, sich unbeobachtet zu fühlen, sich zu langweilen und schließlich aus sich herauszukommen. Probengeplänkel, Improvisationsgeplänkel, kreatives Brainstorming eben.

„Get Back“ entsteht

Exemplarisch zu bewundern an der Genese des titelgebenden Songs „Get Back“. Nach 60 Filmminuten des ersten Teils kann der Zuschauer miterleben, wie sich in einer der vielen Leerläufe der Proben aus dem wirren musikalischen Urschlamm der Gitarrencrescendi zusammen mit Paul McCartneys lautmalerischer Stimme plötzlich Melodie und Refrain des späteren Welthits entwickeln, in den peu à peu George Harrisons Gitarre und Ringo Stars Beats einfließen. Knapp eine Filmstunde später entwickeln sich aufgrund abstruser politischer Schlagzeilen über die rigide Eindämmung von Flüchtlingsströmen nach England McCartneys Lyrics zu „Get back to where you once belong“ zu einer Anklage gegen das „british anti-immigrant movement“ und den Weißen Nationalismus. Eine Idee, die bekanntermaßen dann doch verworfen wurde, da in den Lyrics nicht mehr von Pakistani und Puerto-Ricanern, sondern final von „Jojo left his home in Tucson, Arizona“ die Rede ist.

Peter Jackson beweist Feingefühl bei der Montage des Archivmaterials. Die seltsam künstliche, fast schon grellbunte Hintergrundausleuchtung des Studios gibt dem Ambiente einen stylisch anmutenden Showcharakter. Immerhin war zu Beginn von Lindsay-Hoggs Dreharbeiten im Januar 1969 noch geplant, eine Show der Beatles mit den Früchten ihrer Arbeit aufzuzeichnen und einer breiten Weltöffentlichkeit zugänglich zu machen.

Eine innere Nähe zu den Musikern

Peter Jackson wählt für seinen Cliffhanger zwischen Teil 1 und 2 den drohenden Bruch des „Gefährten“-Quartetts: George Harrison, dem schweigsamen und teilnahmslosesten der Truppe, werden die Chefattitüden von Paul und John zu bunt. Er verlässt die Probensituation. Wie soll die Reise weitergehen?

Nun, im zweiten, scheinbar unspektakulärsten Teil des Dokumentarfilms, verbrüdert sich in einer Art Zweckgemeinschaft Lindsay-Hogg mit Beatles-Produzent George Martin, und beide hecken einen neuen Plan aus – und Peter Jackson setzt es in langen 173 Minuten neu in Szene: Studiowechsel von Twickenham nach Apple – stoisches, mitunter lustloses Jammen der Band – Verkrampftheiten – ein wenig „Augen zu und durch“. Mit dem Auftreten des Keyboarders Billy Preston aus alten Hamburger Konzerttagen kommt ein wenig mehr Stimmung in die scheinbare Planlosigkeit. Was der knapp dreistündige Mittelteil zeigt, ist das kreative Chaos, aus dem immer wieder – wie durch ein Wunder – bekannte Melodien entstehen.

Er bewirkt auch, das sich die Zuschauer in die Band-Dynamik hineinfühlen: Was man eingangs noch ehrfürchtig hingenommen hat, stößt einem nach gut vierstündigem „Dabeisein“ plötzlich auf. Die immer präsente Entourage der Beatles. Der junge Lindsay-Hogg, der sich in jeder zweiten Szene mit fetter Zigarre in den Vordergrund schiebt. Und vor allem John Lennons Muse Yoko Ono, die immer ganz dicht an ihm klebt, ohne je etwas Substantielles beizutragen. Wie kann man als Künstler in diesem ganzen Gewusel zu sich finden, geschweige denn kreativ sein? Jackson schafft es durch das stoische und stille Beobachten, dass die Zuschauer quasi Teil der Band werden und langsam verstehen, warum Spannungen entstehen.

Nach 330 Minuten ist man entsprechend fast schon körperlich erleichtert, als sich am Ende des zweiten Teils endlich eine Lösung des Krampfes aufzeigt und die Beatles sich anschicken, noch einmal in der Öffentlichkeit aufzutreten.

Alles wird gut?

Der Gig auf dem Dach bildet für Peter Jackson die inszenatorische Klammer zum Prolog von vor sieben Stunden. Wie am Anfang greift der Regisseur sichtbar in das historische Material ein. Mit virtuosen Schnittkaskaden und offensivem Splitscreen. Als wäre es die finale Belohnung für die Beatles und für uns. Es werden am Ende nicht die vierzehn Songs, die George Martin auf einem Zettel notiert hatte. Dafür unter anderem drei Mal „Get Back“. „Let it Be“ war nicht darunter. Die Polizei war dagegen, und auch die vier an den Mikrofonen waren doch irgendwie erschöpft. Es war kalt im Januar, aber wenigstens regnete es nicht.

In Peter Jacksons Abspann laufen parallel noch die Nachaufnahmen der Songs im Studio, die auf dem Dach nicht eingespielt wurden. Samt „Let it Be“, den John Lennon nie mochte. Und eigentlich wäre bei aller Erschöpfung nun doch noch auch ein vierter Teil ganz willkommen.

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