Physical
Serie | USA 2021 | 286 (10 Folgen, Staffel 1 308 (10 Folgen, Staffel 2) Minuten
Regie: Craig Gillespie
Filmdaten
- Originaltitel
- PHYSICAL
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2021
- Produktionsfirma
- ITV/Tomorrow Studios
- Regie
- Craig Gillespie · Liza Johnson · Stephanie Laing
- Buch
- Annie Weisman
- Kamera
- Paula Huidobro
- Schnitt
- Sophie Corra
- Darsteller
- Rose Byrne (Sheila) · Dierdre Friel (Greta) · Rory Scovel (Danny Rubin) · Paul Sparks (John Breem) · Ian Ousley (Zeke Breem)
- Länge
- 286 (10 Folgen, Staffel 1 308 (10 Folgen, Staffel 2) Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Serie
Sportliches Self-Empowerment: Eine Dramedy-Serie um eine Hausfrau in den 1980ern, die Aerobic für sich entdeckt.
Sheila Rubin (Rose Byrne) hat ein heimliches Date. Sobald der Ehemann zur Arbeit verschwunden ist und die Tochter im Kindergarten abgegeben wurde, fährt die junge schlanke Frau mit Dauerwelle beim Drive-In vorbei, kauft Fast Food und Milchshakes ein und endet in einem anonymem Motelzimmer am Rande von San Diego. Dort schließt sie Türen und Vorhänge, zieht sich nackt aus und reiht die eingekauften Burger auf dem Bett hintereinander auf. Das heimliche Date ist nämlich weder ein Mann noch eine Frau, sondern mehrere fetttriefende Stücke Fleisch zwischen zwei Weißbrothälften. Als es zum Höhepunkt kommt, hört man nur Geräusche vom Brechreiz. Blackout. Danach sitzt Sheila frisch geduscht auf dem Bett und schwört sich: Morgen soll alles anders werden! Gesundes Essen, neue Tanzklasse, ein Tag am Strand. Doch am nächsten Tag lockt eine neue sündhafte Verführung: ein Honigglas auf der Rücksitzbank. Und am übernächsten Tag ist es eine Zimtschnecke mit ganz viel Zuckerguss.
Der kalifornische Traum ist bedroht
Sheila ist in der Serie „Physical“ eine Frau in Amerikas konsumfreudigen 1980er-Jahren, die an einer Essstörung leidet, es aber versteht, ihre Probleme vor den Mitmenschen zu verstecken. Stattdessen dreht sich beim Familienessen alles um die Kündigung ihres Manns Danny als Uniprofessor, den sie wegen seiner Ignoranz nicht mehr ausstehen kann, auch wenn sie das nie ausdrücklich sagt. Von ihm ist der jetzige Lebensstandard der beiden abhängig. Sie leben in einem großzügigen Einfamilienhaus aus Holz und Stein im Sunshine State Kalifornien, mit Frottee-Teppichen und Pflanzen. Doch bahnt sich an, dass die beiden womöglich alles aufgeben und mit dem Kind nach Ohio ziehen müssen.
Die Situation zwingt das Ehepaar Rubin zum Umdenken. Danny startet eine Wahlkampagne als angehender Lokalpolitiker, und Sheila soll ihn mit dem Sammeln von Unterschriften unterstützen. Doch sie hat auch eigene Pläne, denn eines Tages erlebt sie eine Erleuchtung. Sie folgt einer blonden Frau im Sportwagen (diesmal kein Date mit einem Burger) und landet in einem Aerobic-Studio. Alle Frauen dort tragen neonleuchtende Jane-Fonda-Bodysuits. Sheila macht zwar ein verschrecktes Gesicht, fühlt sich aber im Rhythmus der Elektromusik sofort wohl. Sie lässt die Schultern kreisen und steppt die Schritte mit, als hätte sie nie etwas anderes getan. Zwei Folgen später leitet sie ihre erste eigene Klasse. In ein paar vorausblickenden Clips sieht man Sheila mit Glitzeroutfit im Fernsehstudio tanzen. Sie hat Großes vor.
Rose Byrne spielt Sheila mit so einer Wucht und gleichzeitig mit so einer Verletzlichkeit, dass man ihrer Midlife-Crisis gespannt folgt. Sie erinnert ein wenig an die Protagonistinnen aus Todd Haynes’ frühen Filmen „Superstar: The Karen Carpenter Story“ (1988) oder „Safe“ (1995), die an der oberflächlichen Glamour- und Konsumwelt Amerikas zugrunde gehen. Sheila dagegen ist eine Frauenfigur von heute. Ihre Schwächen nutzt sie, um sich nach oben zu kämpfen. Self-Empowerment lautet das Schlagwort.
Tanz eines fetten Geistes
Doch die Selbstermächtigung bleibt im Fall von „Physical“ sehr fragil. Der ständig begleitende innere Monolog von Sheila zeigt, wie widersprüchlich ihre Gedanken und ihr Aufstieg sind. Immer wieder beurteilt sie Menschen nach Äußerlichkeiten. Über ihren Mann Danny denkt sie beim Strandspaziergang: „Ich glaube, er hat etwas Gewicht angesetzt.“ Und auch sie selbst beschimpft sich immer wieder als „faul“ und „schmutzig“. Die Diskrepanz zwischen ihren negativen Gedanken und der anfangs netten, später motivierenden Attitüde macht den besonderen Charme der Dramedy-Serie aus, die dadurch immer in Distanz gegenüber dem Körperkult der 1980er-Jahre bleibt. In ihrer ersten Aerobic-Stunde als Trainerin ruft Sheila den überdrehten Frauen zu: „Seid ihr bereit für den Wandel?“ – „Jaaa!“ Doch in ihrem Kopf wiederholt sie währenddessen ein anderes Mantra: „Du bist nichts. Du bist nur ein fetter Geist!“