Zombies, Außerirdische, Naturkatastrophen – in Serien und Filmen wird die Menschheit in den letzten Jahren quasi ohne Unterlass von einer Katastrophe in die nächste geworfen. Schwer, auf dem heftig beackerten Genre-Feld der Postapokalypse noch zu punkten. Der südafrikanische Regisseur Michael Matthews, erstmals 2017 mit seinem Langfilm-Debüt „Five Fingers for Marseilles“ international positiv aufgefallen, versucht dankenswerterweise gar nicht erst, in Sachen Heftigkeit standardsetzende Werke wie „Mad Max – Fury Road“ oder „The Walking Dead“ noch zu toppen, sondern verlässt sich auf eine frische Variation klassischer Erzählmuster, eine sorgfältige Figurenzeichnung und ein großartiges Creature Design – an den Monstern, die er in „Love and Monsters“ aus dem Hut zaubert, hätte Gustave Doré seine helle Freude gehabt; und seine visuellen Effekte haben dem Film eine verdiente „Oscar“-Nominierung eingebracht. Dabei geht Matthews sein Postapokalypse-Szenario nicht mit pessimistischer Härte oder Zynismus an, sondern mit einem humorvollen, freundlichen Blick auf Mensch und Kreatur: An überdimensionierten Kröten, Sandwürmern und Krabben zeigt er jene kindliche Freude, wie sie weiland Steven Spielberg an seinen Dinos in „Jurassic Park“ an den Tag legte.
Die „Monsterapokalyse“ als Ironie des Schicksals
Die titelgebenden Monster sind das Resultat einer Ironie des Schicksals: Der Versuch der Menschheit, der Kollision mit einem Asteroiden dadurch zu entgehen, dass sie den Himmelskörper mit allem zerstört, was das Waffenarsenal hergibt, geht nach hinten los; die auf die Erde zurückstürzenden Reste der Waffen lösen bei den wechselwarmen Tieren – Reptilien, Insekten, Amphibien u.a. – monströse Mutationen aus und katapultieren damit den homo sapiens schlagartig von der Spitze der Nahrungskette. Wenige Jahre später sind 95 Prozent der Menschen vernichtet; die Überlebenden haben sich zu kleinen Kolonien zusammengetan und in Bunkern verschanzt.
Der Plot folgt dem Vorbild der klassischen „Hero’s Journey“. Joel (Dylan O’Brien) ist unser jugendlicher Held und der Ich-Erzähler, dessen Off-Stimme das Geschehen immer wieder kommentiert. Zu Beginn gelingt ihm ein Funkkontakt zu seiner alten Liebe aus Vor-Apokalypse-Tagen, Aimee (Jessica Henwick), der auf ihn dieselbe Wirkung hat wie weiland das Hologramm von Prinzessin Leia auf Luke Skywalker: Er verlässt sein vertrautes Heim und zieht aus in die vor Gefahren strotzende Oberwelt, um zu der Schönen in ihrer 150 Kilometer entfernten Kolonie zu gelangen, was zu einer Abenteuer-Herausforderung ausartet, in deren Verlauf er über sein bisher eher ängstliches Selbst hinauswachsen wird.
Ein tierischer Sidekick mit Star-Potenzial
Rückendeckung bekommt er dabei, wie es sich gehört, von einem Sidekick – in diesem Fall besetzt mit einem Hund, der im weiteren Verlauf immer wieder droht, Hauptdarsteller Dylan O’Brien an die Wand zu spielen. Die Tiertrainerin hat jedenfalls ihr Bestes getan, um den Australian Kelpie, der das Tier verkörpert, wie einen vierbeinigen Pacino aussehen zu lassen – so viel Emotionalität, wie er zeigt, wenn sich nach einer tödlichen Bedrohung durch eine Art monströs angewachsenen Ohrwurm Hund und Herrchen erleichtert in die Arme beziehungsweise Pfoten fallen, hat man von Bruce Willis in seinen letzten zehn Filmen zusammengenommen nicht mehr gesehen. Die Rolle des weisen Mentors übernimmt der vielfach Monsterfilm-erprobte Michael Rooker, der im Gespann mit einer Achtjährigen Joel aus einer brenzligen Situation rettet und ihm auf einem Stück geteilten Weges einen Crashkurs in Sachen Überlebensregeln gibt – und den wichtigen Rat, dass gar nicht alle mutierten Tiere Monster im menschenfleischgierigen Sinn sind, sondern gutartige Zeitgenossen – man sieht es, wenn man sich in die Augen blickt…
Ähnlich wie in „Five Fingers for Marseilles“ erweist sich Michael Matthews auch hier als souveräner Jongleur der Genre-Versatzstücke, tatkräftig unterstützt von Kameramann Lachlan Milne, der zuvor an „Stranger Things“ mitgedreht hat und hier einmal mehr ein gutes Auge dafür beweist, das Miteinander von Schauspielern und fantastischen Kreaturen spektakulär in Szene zu setzen. Vor allem aber funktioniert der Film, weil man ihm in jeder Minute die Zuneigung ansieht, die die Drehbuchautoren Brian Duffield und Matthew Robinson sowie Regisseur Michael Matthews zu ihren Geschöpfen haben – Blut spritzt vergleichsweise wenig in dieser Monsterapokalypse, dafür ist umso mehr Herzblut hineingeflossen.