For Lucio
Dokumentarfilm | Italien 2021 | 79 Minuten
Regie: Pietro Marcello
Filmdaten
- Originaltitel
- PER LUCIO
- Produktionsland
- Italien
- Produktionsjahr
- 2021
- Produktionsfirma
- IBC Movie/Rai Cinema
- Regie
- Pietro Marcello
- Buch
- Pietro Marcello · Marcello Anselmo
- Kamera
- Ilyà Sapeha
- Schnitt
- Fabrizio Federico
- Länge
- 79 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm | Dokumentarisches Porträt
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Porträt des Musiker Lucio Dalla, der nicht zuletzt mit politischen Liedern in den 1970er-Jahren zu einer unverwechselbaren Stimme der italienischen populären Musik wurde.
In „Per Lucio“ lässt der Filmemacher Pietro Marcello Zeitgenossen und Archivbilder aus dem Leben des italienischen "Cantautore" Lucio Dalla berichten. Aus dessen schelmisch-bärtigem Gesicht blitzen stets Wut und Wärme auf, die ihn fest im Gedächtnis der italienischen Kultur verankern. Egal, ob er in Talkshows mit Politiker debattiert, auf einem ausrangierten Güterzug herumstrolcht oder zusammen mit seiner Mutter in einer Fernsehshow auftritt: Dalla bewegt.
Es ist ein ziemlich eigenwilliges und nicht nur deshalb sympathisches Abkehren Marcellos von den heutzutage vorgefertigten Wegen europäischer Filmemacher. Denn nach seinem famosen und weltweit gefeierten Spielfilm „Martin Eden“ folgt nicht der nächste, universal zugängliche Angriff auf den Olymp der Filmkunst, sondern ein recht gewöhnlich daherkommendes, kleines und spezifisch italienisches Werk.
Eine italienische Geschichtsstunde
Der Filmemacher bemüht sich gar nicht, Dallas Geschichte für alle jene zu erzählen, die sie nicht bereits kennen. Stattdessen nutzt er fragmentierte Einblicke in dessen Leben, um eine italienische Geschichtsstunde zu geben und Dalla als einen der vielen Außenseiter zu etablieren, für die das Herz von Pietro Marcello seit jeher brennt. Jenen, die im Zwielicht operieren und das Leben mit unbedingtem Hunger leben, statt sich hinter bürgerlichen Scheinfassaden zu verschanzen, widmet Marcello seine Aufmerksamkeit. Es überrascht nicht, dass er zu einem Lied Dallas – ohne Frage etwas selbstwichtig – Bilder seines „La bocca del lupo“ montiert.
Die Karriere Dallas umspannt den schnellen Wandel Italiens zu einer Konsumgesellschaft. In etwas übertrieben in Sepia getauchten Archivbildern mit künstlichem Filmkorn bringt „Per Lucio“ die Lieder in Verbindung mit der Gesellschaft. Damit zeigt er die große Stärke Dallas auf, der in seinen Texten – das wird auch im Film deutlich – viel von seiner Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Roberto Roversi profitierte. Ein gutes Beispiel für Dallas Wirken ist sein Album „Automobili“ aus dem Jahr 1976. Darin beleuchtet er die Begeisterung des italienischen Volkes für das Auto und vor allem das von den 1920er- bis in die 1950er-Jahre stattfindende Straßenrennen Mille Miglia.
Zwischen Heroismus und politischer Kritik
In ambivalenten Texten zwischen nostalgischem Heroismus und politischer Kritik gibt Dalla den Menschen eine denkende Stimme. All das mündet in einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Fiat-Konzern und dessen Zusammenarbeit mit Gaddafis Libyen.
Berührend ist vor allem, wie Dallas langjähriger Manager Tobia Righi aus dem Leben seines Freundes erzählt. Dabei wird klar, dass Dallas Geschichte eng mit der Stadt Bologna verbunden ist. An den Aufnahmen der Stadt lässt sich die sich verändernde Struktur des Staates ablesen. Landwirtschaftliche Lebensweisen werden von rauchenden Schornsteinen abgelöst. Ein zunächst unschuldig leuchtender, vom Kapitalismus begünstigter Weihnachtsbaum in den Arkaden Bolognas muss mit anderen Augen betrachtet werden, wenn später Polizei und Militär auflaufen, um ein unzufriedenes Volk in Schach zu halten. Bei der Beerdigung Dallas sollen an der Piazza Maggiore bis zu 50 000 Menschen getrauert haben. Diese 50 000 Menschen konstituieren eine Öffentlichkeit, die zwar verschwunden scheint, deren Echo aber bis heute zu hören ist.